Editorial Völker, hört die Signale! Marie-Josée Kuhn, 23. April 2021 — Joe Biden schläft nicht. Kaum im Oval Office, will er auch schon die Steuern erhöhen. Das wäre dann das erste Mal seit den 1980er Jahren, dass ein US-Präsident sich das traut. Und das Beste daran: Biden will nicht die Kleinen schröpfen, sondern die Konzerne zur Kasse bitten. Er möchte die Gewinnsteuer von 21 auf 28 Prozent erhöhen. Am Schluss darf’s dann wohl ein bisschen weniger sein. Und doch wär’s ziemlich kitzlig. Verglichen mit den Steuersätzen in den Schweizer Steuerparadiesen Zug oder Nidwalden nämlich glatt eine Verdoppelung. mehr zu «Völker, hört die Signale!»
Editorial Die Elefanten Marie-Josée Kuhn, 1. April 2021 — Eigentlich sind sie überhaupt nicht für diese Jobs gemacht. Jedenfalls nicht als Reittiere. Ihr Rücken hält’s auf die Dauer nicht aus. Und sie sind Wildtiere. Stattdessen werden sie gewaltsam gezähmt: die dressierten Elefanten. Zwischen 3000 bis 4000 leben und arbeiten allein in Thailand. Und was sie alles schon mussten: Kriegselefanten sein im Dienste des Königs. Holzarbeiter-Elefanten sein und mithelfen, just jenen Dschungel abzuholzen, der einst ihre Heimat war. Und heute müssen sie Lastesel spielen für die Touristinnen und Touristen. Diese ergötzen: Fussball spielen, «Männchen machen», Wasser spritzen oder zeichnen. Mit ihrem Rüssel. Mit diesem rund 60'000 Muskeln starken Allzweckorgan. Umgerechnet bis zu 900 Franken im Monat spielen die Dickhäuter ihren Halterinnen und Haltern so ein. Besser gesagt: sie spielten. Denn seit Corona sind die Strände von Pattaya & Co. leer. Und die Elefanten arbeitslos. mehr zu «Die Elefanten»
Editorial Alles ist möglich Marie-Josée Kuhn, 19. März 2021 — In diesen Zeiten ist alles möglich: plötzlich exponentielles Wachstum der Ansteckungen, plötzlich Mutantenviren, plötzlich 2000 Tote an einem einzigen Tag. So geschehen in Brasilien. Dessen neofaschistischer Präsident Jair Bolsonaro ist ein Corona-Leugner und zieht jetzt auch noch gegen die Corona-Impfung in den Krieg. Bereits drei Gesundheitsminister hat er erledigt, der vierte folgt sogleich. Plötzlich ist alles möglich, denn die Pandemie hat unser ganzes Leben verändert. Wir gehen uns aus dem Weg, wir tragen Masken, das Feierabendbier war gestern, die Ferien sind am Nimmerleinstag, wenn überhaupt. Ist Kurzarbeit, ist Homeoffice, sind Schnelltests, Spucktests, sind plötzlich ganz viele neue Wörter da – und weder Parties noch Grossdemos. Wegen Corona streiken die Metaller in Deutschland mit den Schuhen. Dort, wo Siemens Stellen abbauen möchte, stellen sie sie vors Werkstor: Tausende Turn-, Arbeitsschuhe und rosa Gummistiefel. mehr zu «Alles ist möglich»
Editorial Wille und Wahn Marie-Josée Kuhn, 5. März 2021 — Seit Monaten müssen sie mit einem Fünftel Lohn weniger auskommen: die Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter. Für die Coronakrise können sie nichts, aber die Kurzarbeitsentschädigung der Arbeitslosenversicherung übernimmt in der Regel nur 80 Prozent des Lohnausfalls. Für Serviererin Laura García Soler heisst das minus 600 Franken im Monat. Seit Dezember lebt sie von 2800 Franken. Netto! Sogar fürs Benzin reicht’s jetzt nicht mehr. Weil sie noch ihre Eltern in Spanien unterstützt. Und weil Soler auch kein Trinkgeld mehr macht. Bis zu 1000 Franken im Monat zusätzlich können das sein. mehr zu «Wille und Wahn»
Editorial Der Mensch ist, was er isst Marie-Josée Kuhn, 19. Februar 2021 — Was essen die Bauarbeiter eigentlich zum Zmittag? Diese Frage poppte plötzlich an unserer Redaktionssitzung auf. Es folgten vier weitere Fragen: Kochen ihnen die Frauen heutzutage noch vor? Holen sie sich was beim Takeaway? Oder gehen sie in die Beiz? Und wenn sie das vor dem Lockdown taten, was machen sie jetzt? work-Autor Johannes Supe schaute ihnen in die Teller und schrieb dann den grossen Bau-Zmittag-Report. Da ist zum Beispiel Stipa K. (59), der auf der Baustelle am Thuner Bahnhof baut. Heute isst er Penne al ragù. Im Tupperware. Vorgekocht von seiner Frau. Dabei war der Maurer selber mal Militärkoch. Musste 1000 Männermäuler stopfen. Oder Polier Fritz I. (58): Heute isst er Bohnen, Wienerli und Spiralen. Er hat selber vorgekocht. mehr zu «Der Mensch ist, was er isst»
Editorial Der Teppichklopfer Marie-Josée Kuhn, 5. Februar 2021 — Ein Teppichklopfer. Ein Teppichklopfer auf schwarzem Grund. Ein Teppichklopfer auf schwarzem Grund auf einem Abstimmungsplakat mit der Parole «Frauenstimmrecht Nein!». Das genügte vollends. Um den Schweizerinnen und Schweizern 1946 die männliche Postordnung durchzugeben: Politik ist Männersache, Frauen bleibt bei eurer Hausarbeit! mehr zu «Der Teppichklopfer»
Editorial Weg ist weg Marie-Josée Kuhn, 22. Januar 2021 — Weg ist weg, immerhin! Endlich hat Twitter dem orangen Irren den Stecker gezogen. Und damit auch demonstriert, wer in den USA wirklich das Sagen hat. Nicht nur dort: Twitter, Google, Facebook & Co. regieren die Welt. Aber immerhin: Endlich ist Donald Trump stillgelegt. Als das Grossmaul am 6. Januar 2017 den Thron im Weissen Haus bestieg, zeichnete ihn der Schweizer Karikaturist Chapatte vor zwei roten Knöpfen sitzend. Der eine war angeschrieben mit «Twitter». Der andere mit «Nuke», Atombombe. Diese Bombe hat der Bombenleger in seiner Amtszeit nicht gezündet. Dafür taumeln die Staaten jetzt am Abgrund eines Bürgerkriegs. Der Putschversuch der Trump-Hörigen am Dreikönigstag hat’s dramatisch vor Augen geführt. Die alten (Sezessions-)Geister, die der Präsident rief, wird Washington DC nun so schnell nicht mehr los. mehr zu «Weg ist weg»
Editorial Wir Lesel, wir! Marie-Josée Kuhn, 18. Dezember 2020 — Corona ist, wenn wir trotzdem lachen. Zum Beispiel mit dem deutschen Grafiker und Comedy-Künstler Micha Marx. In der ersten Welle im Frühling war ihm langweilig, und es entstanden seine Quarantierchen: die verschiedenen Menschentypen im Lockdown als tierische Ebenbilder. Die Videokonferente, der Toilettentapir, der Lesel, der Systemrelefant und eben das Quaranthähnchen. Alle zu bestaunen in diesem work. Und Hand aufs Herz, liebe Leserinnen und Leser: Erkennen Sie sich wieder? mehr zu «Wir Lesel, wir!»
Editorial Schimpfen oder impfen? Marie-Josée Kuhn, 4. Dezember 2020 — Irgendwann kommen die militanten unter den Impfgegnerinnen und Impfgegnern immer zum Punkt, wo sie «Nazi!» austeilen, von «Nazimethoden» reden und einem «Naziregime», das einem irgendwas aufzwinge. Masken zu tragen. Zu testen. Oder zu impfen. Doch nicht alle gehen grad so weit wie Jana aus Kassel. Sie trat kürzlich an einer Demonstration gegen Corona-Massnahmen in Hannover auf und verkündete: «Ich fühle mich wie Sophie Scholl, da ich seit Monaten hier im Widerstand bin!» Die junge Jana verglich sich also mit einer Widerstandskämpferin gegen Hitler, die 1943 von der Gestapo verhaftet, dann zum Tode verurteilt und schliesslich hingerichtet wurde. Das Jana-Video ging viral und löste viel Empörung aus. mehr zu «Schimpfen oder impfen?»
Editorial Wer will, kann Marie-Josée Kuhn, 20. November 2020 — Die Walliser Zeitung «Le Nouvelliste» hat derzeit etwa doppelt so viele Todesanzeigen wie gewöhnlich. Jeden Tag. Statt einer oder anderthalb Seiten deren drei bis vier. Längst nicht in allen Trauerschreiben steht der Grund für dieses ungebremste Sterben. Doch es hat einen Namen: Corona. Das Wallis ist immer noch trauriger Weltmeister bei den Corona-Infektionen. Der Südkanton liegt, pro 100'000 Bewohnerinnen und Bewohner berechnet, sogar noch vor den USA. Auch bei den Toten. Am 27. Oktober erreichte der Kanton den Peak: dramatische 888 neue Infektionen an einem Tag! Die Regierung zog die Notbremse und verordnete schärfere Schutzmassnahmen. Inzwischen ist die Covid-Kurve massiv abgesunken. Und zeigt: Wer will, kann Corona in den Griff bekommen. mehr zu «Wer will, kann»
Editorial Armes, reiches kleines Land! Marie-Josée Kuhn, 6. November 2020 — Exponentielles Wachstum wird häufig unterschätzt, weiss die Wissensmaschine Wikipedia. Und genau das passiert vielen in der zweiten Coronawelle. Die Fallzahlen steigen derart rasant, dass Kantonsspitäler Alarm schlagen müssen. So in Freiburg: Im Viertelstundentakt fährt dort inzwischen der Rettungsdienst mit Coronakranken im Notfall vor. Die Pflegenden sind am Limit, schon wieder! Die Schweiz hat inzwischen pro Tag rund 6 Mal mehr Neuinfizierte als Deutschland. Verhältnismässig auf die Bevölkerungszahl gerechnet. Das ist unerhört. Und bisher auch ungehört. In Deutschland müssen jetzt für den November trotzdem alle Hotels, Restaurants usw. schliessen. Die Regierung bezahlt den geschlossenen Betrieben 75 Prozent des Vorjahresumsatzes. Und Finanzminister Olaf Scholz sagt: «Es ist noch genug Geld da!» Und was sagt Ueli Maurer, Scholz’ Bruder im Amte? Der SVP-Bundesrat machte bisher auf Corona-Chaschperli und trötzelte: Maske? «Kä Luscht!» Corona-App? «Machi ä nöd!» Ein zweiter Lockdown? «Können wir uns nicht leisten!» mehr zu «Armes, reiches kleines Land!»
Editorial Das Virus hat uns wieder Marie-Josée Kuhn, 23. Oktober 2020 — Und wie es uns hat! Diesmal macht es auch vor den Jodlern und Berglerinnen nicht Halt. Das Wallis ist jetzt Schweizer Meister bei den Fallzahlen. Und schon vor Tagen vermeldete der Kanton das Drama: 90 erkrankte Bewohnerinnen und Bewohner in 8 Pflegeheimen. Und 66 infizierte Pflegerinnen und Pfleger. Derweil musste sich in Schwyz die Spitaldirektion mit einem Corona-Hilferuf an die Bevölkerung wenden: Sie könnten das «Spital nicht mehr stemmen», wenn es so explosiv weitergehe. Die zweite Coronawelle ist im Urschweizer Kanton erst die erste, dafür aber ein richtiger Tsunami. mehr zu «Das Virus hat uns wieder»
Editorial Gewinnen ist schön! Marie-Josée Kuhn, 2. Oktober 2020 — Gewinnen ist einfach schön! Vor allem, wenn es so dick kommt wie bei den jüngsten Abstimmungen. Wir Linke und Gewerkschaften haben 4 von 5 Vorlagen gewonnen. Plus einen neuen gesetzlichen Mindestlohn im Kanton Genf. Das ist eine klare politische Verschiebung nach links. Und fast hätten wir auch noch Viola Amherds Kampfbomber abgeschossen. Das wäre dann der Kirsch in der Schwarzwäldertorte gewesen. Doch auch dieses Zufalls-Ja ist nicht übel, denn jetzt bricht an der Fliegerfront das Chaos los. mehr zu «Gewinnen ist schön!»
Editorial Bitte jetzt kein Chaos! Marie-Josée Kuhn, 18. September 2020 — Wenn es kommt, wie die Abstimmungsumfrage von SRF prophezeit, dann geht die SVP-Kündigungsinitiative den Bach runter. 61 Prozent der Befragten wollen sie ablehnen. Das ist hocherfreulich. Doch noch ist der Mist nicht gekarrt. Wir können’s nicht gsorget geben. Denn Umfragen sind nur Umfragen. Und als wir es zuletzt gsorget gaben, wurden wir bös überrascht. Die SVP-Masseneinwanderungsinitiative kam durch – und wir rieben uns verdattert die Augen. Das darf nicht wieder passieren. Nicht am 27. September, denn zu viel steht auf dem Spiel. Unia-Chefin Vania Alleva sagt es in ihrem Aufruf so: «Die SVP-Kündigungsinitiative ist brandgefährlich – weil sie alles angreift, was die Arbeitnehmenden in diesem Land hart erkämpft haben.» Die Löhne, die Gesamtarbeitsverträge, die Gewerkschaften usw. Und vor allem: Die Blocher-Partei will zurück zur Kontingentspolitik. mehr zu «Bitte jetzt kein Chaos!»
Editorial Herrliberg first Marie-Josée Kuhn, 4. September 2020 — «This is a message from Herrliberg», eine Blocher-Durchsage an die EU: So startet das fulminante Nein-Video des Gewerkschaftsbundes zur SVP-Kündigungsinitiative, über die wir am 27. September abstimmen. Eine durch und durch arbeitnehmendenfeindliche Initiative, wie SBG-Chefökonom Daniel Lampart und work-Autor Clemens Studer im Dossier aufzeigen (Seiten 10–11). Drum auch die Pointe am Schluss des Videos: «Herrliberg first, Büezer second!» In Anlehnung an den grossen Donald in Übersee: «America first!» Die Egoisten und Geldsäcke zuerst, sie nehmen alles. Die anderen sollen schauen, wo sie bleiben. mehr zu «Herrliberg first»
Editorial Der kleine Unterschied Marie-Josée Kuhn, 21. August 2020 — Insel der Glückseligen, rundherum von Bergen geschützt. Eine Trutzburg. Eine Willensnation. Die Schweizerinnen und Schweizer freiheitsliebend, sauber, gschaffig, sparsam und einzigartig. Der Sonderfall Schweiz eben. Dabei sind die Berge gar nicht um die Schweiz herum. Sondern die Schweiz um die Berge herum. Darauf verwies kürzlich Germanist und Professor Peter von Matt in einem Interview mit der NZZ am Sonntag. Er ist 83 und einer der letzten altmodischen, da pointierten Intellektuellen der Schweiz. Der kleine Unterschied und seine grossen Folgen: so leichtfüssig kann man einen Mythos knacken, wenn man von Matt heisst. mehr zu «Der kleine Unterschied»
Editorial Corona ist nicht schuld Marie-Josée Kuhn, 26. Juni 2020 — Masken runter, Büros und Beizen auf – ist das Gröbste jetzt überstanden? Bestimmt nicht ökonomisch. Denn nach der Coronakrise fängt die Wirtschaftskrise erst richtig an. In der Schweiz ist die Zahl der Erwerbslosen trotz Kurzarbeit im Vergleich zum Vorjahr um fast 54 Prozent gestiegen. Das ist massiv. Und sie trifft vor allem die Über-55jährigen. SGB-Chefökonom Daniel Lampart hat’s untersucht und ist erschrocken. Doch das ist erst der Beginn. mehr zu «Corona ist nicht schuld»
Editorial Am Anfang ist immer Trump Marie-Josée Kuhn, 12. Juni 2020 — Als der Mauerbauer, Sexprahler und Brandstifter, dieses ungesteuerte Geschoss, im Januar 2017 abging, marschierten in den Strassen von Washington bereits Zehntausende Frauen gegen ihn. Weil er das Rad zurückdrehen will. Aus den Anti-Trump-Protesten wurde eine neue Frauenbewegung. Weltweit. Und wieder stehen die USA in Flammen: im lichterlohen Floyd-Protest. Der weisse Cop Derek Chauvin drückte dem gefesselten Schwarzen George Floyd sein Knie so lange gegen den Hals, bis er erstickte. Es geschah am helllichten Tag. Cornel West, einer der führenden afroamerikanischen Intellektuellen, nennt den Mord an Floyd einen «Lynchmord». Er zieht eine direkte Linie von den früheren Lynchpraktiken zur heutigen Polizeigewalt. Und wieder war am Anfang Trump. mehr zu «Am Anfang ist immer Trump»
Editorial Machen Frauen es besser? Marie-Josée Kuhn, 29. Mai 2020 — Führen Frauen in der Corona-Krise besser als Männer? Weil sie umsichtiger regieren? Und so sozialisiert sind, dass sie «ökonomisch, medizinisch und sozial vorausschauender» sind als Männer? Das fragte kürzlich die britische Tageszeitung «The Guardian». Und verglich die Zahl der Corona-Toten in verschiedenen Ländern. Und tatsächlich: In den vorbildlichsten Ländern mit bisher wenig Corona-Opfern regieren durchs Band Regierungschefinnen. Allen voran Jacinda Ardern, die Premierministerin von Neuseeland. mehr zu «Machen Frauen es besser?»
Editorial Corona-Hirn Marie-Josée Kuhn, 15. Mai 2020 — Kaum hatte der Bundesrat grünes Licht für die Coiffeursalons gegeben, setzte er sich auch schon in mein Ohr: «Bim Coiffeur bini gsässe vor em Spiegel – luege dry!» Ja, der Mani Matter. «Und gseh dert drinn e Spiegel wo ar Wand isch vis-à-vis.» Und kaum gab der Bundesrat grünes Licht für die Wiederöffnung der Beizen, näselte er los im andern Ohr, der Peter Bichsel. «Das isch nümme mini Beiz!» jammerte er. Logisch nicht, mit all diesen Corona-Massnahmen: mit diesen Stellwändchen, den maskierten Kellnern, all diesem Abstand und der Desinfiziererei. mehr zu «Corona-Hirn»
Editorial Klassenunterschiede Marie-Josée Kuhn, 30. April 2020 — Jetzt haben wir weltweit wieder zwei Corona-Spezialisten mehr. Der eine ist Herr Doktor Donald Trump, der von sich sagt, er habe eine Begabung für medizinisches Wissen. Und der es «interessant» fände, wenn man Menschen direkt Desinfektionsmittel spritzen würde gegen Corona. Und der andere ist eine Spezialistin: Frau Doktor Magdalena Martullo-Blocher. Die sich selber zur maskierten Expertin kürt, wegen «ihrer Erfahrungen und Kontakte». Und jetzt den sofortigen Exit aus dem Lockdown fordert. Weil: Jeder Todesfall sei zwar «tragisch», aber nicht wirklich zu vermeiden. Trump & Martullo: zwei Führungspersönlichkeiten, die über Leichen gehen. mehr zu «Klassenunterschiede»
Editorial Ein winziger Virus Marie-Josée Kuhn, 9. April 2020 — Covid 19 ist nur ein Virus. Zehntausendmal kleiner als ein Mensch. Hat keinen Stoffwechsel, benötigt keine Nahrung, atmet nicht. Dennoch zittern wir vor ihm. Wir hier im hochindustrialisierten Norden, wir dachten, wir hätten Infektionskrankheiten längst im Griff. Jetzt belehrt uns dieser winzige Virus rabiat eines Besseren. Wir haben weder Medikamente noch einen Impfstoff. Bisher. Mehr noch: Die Pharmamultis Roche und Novartis haben ihre Impfstoff-Abteilungen verkauft: zu wenig rentabel. mehr zu «Ein winziger Virus»
Editorial Frühlingserwachen Marie-Josée Kuhn, 27. März 2020 — Frühling in Corona-Zeiten, ein seltsamer Kontrast. Hier neues Spriessen, Aufblühen und Wachsen. Das Leben, halt. Dort Angst, Krise und Krankheit. Der Tod. Und alles, was der Frühling so macht: einen rausziehen, einen ausziehen, einen ranziehen, sollten wir derzeit besser nicht tun. Doch träumen, das ist zwar auch ansteckend, aber das können wir. Der Kirschbaum im Garten ist jetzt noch schöner als andere Jahre. Der Blütenzauber noch zauberhafter. Augen mit Frühling füllen. Augen dann schliessen. Von diesem Frühlingserwachen handelt auch unsere Frontseite. Ein Bild gegen den Virus-Koller. Man sieht den Virus nicht, man riecht ihn nicht – und doch ist er da. Und dominiert alles. mehr zu «Frühlingserwachen»
Editorial Die Vergangenheit lebt immer noch Marie-Josée Kuhn, 28. Februar 2020 — «Ausgerechnet ich habe für den CIA gearbeitet!» Das sagt Franziska Flury * (61), ehemalige Programmiererin bei der Dechiffriermaschinenfabrik Crypto AG in Steinhausen ZG. «Es war ein super Job, es herrschte ein offener Umgang», erinnert sich die Gewerkschafterin, die damals auch als Kandidatin der Revolutionären Marxistischen Liga (RML) für den Zuger Regierungsrat kandidierte. Flury kann die Crypto-Affäre, die nun dank einem CIA-Papier definitiv aufgeflogen ist, immer noch nicht ganz fassen. Und sie ist nicht allein: work hat mit einem Dutzend Gewerkschaftsmitgliedern und ehemaligen Crypto-Mitarbeitenden geredet – und alle sind sie schockiert bis verärgert. mehr zu «Die Vergangenheit lebt immer noch»
Editorial Shopping-Harakiri Marie-Josée Kuhn, 14. Februar 2020 — Der Verkauf ist in der Krise. Manor schliesst Filialen. Und die Migros verkauft Globus an einen vorbestraften Tiroler Gewerkschaftsfresser. Derweil die Möbel-Pfister-Gruppe und ein Teil der Interio-Läden kürzlich vom österreichischen Möbelkonzern XXXLutz übernommen wurden. Der Schweizer Detailhandel hat richtig die Krise. So wie wir manchmal beim Shoppen. Zu heiss, zu eng, zu schrill: Joghurt-Türme, Kleiderberge, Parfuminvasionen und Black-Friday-Krieg. Ein kalter Schweissausbruch – und wir verlieren die Nerven. Und erst die Verkäuferinnen und Verkäufer! Sie müssen nicht nur uns aushalten, sondern chrampfen auch noch permanent am Limit. Weil die Chefs «Stunden sparen». Das zeigt die work-Umfrage bei 10 Verkäuferinnen von Aldi bis Migros. Und es ist gewollt. mehr zu «Shopping-Harakiri»
Editorial Laden des Lächelns Marie-Josée Kuhn, 31. Januar 2020 — Coop verstösst regelmässig gegen das Arbeitsgesetz. Und wird nicht gebüsst. Das enthüllte der «Blick», und work zeigt das interne Dokument, das den Skandal belegt (Seite 3). Und auch wenn Coop-Personalchef Luc Pillard nun alles runterspielt («Wir bewegen uns auf tiefem Niveau»), bleibt es doch ein Skandal. Denn work weiss: Bereits 2014 machte Coop in derselben Sache Negativschlagzeilen. Und versprach damals, künftig «Nulltoleranz» walten zu lassen. Offenbar ein leeres Versprechen. Mehr noch: Solche Verstösse werden wohl noch zunehmen. Nicht nur bei Coop. Denn die Ladenöffnungszeiten im Detailhandel werden immer länger, aber der Personalbestand wächst nicht mit. mehr zu «Laden des Lächelns»
Editorial Buschbrände und Brandstifter Marie-Josée Kuhn, 17. Januar 2020 — Das neue Jahr beginnt, wie das alte aufgehört hat: In Australien brennt das Buschland. Seit letztem Oktober frassen die Flammen in Down Under zweieinhalb Mal die Fläche der Schweiz. Und immer noch ist Australiens reaktionärer Premier Scott Morrison Klimaleugner. In bester Gesellschaft übrigens. Auch Bauer Marcel Dettling, der im Rennen ums SVP-Präsidium als Favorit gilt, nimmt das Wetter, wie es kommt: «Egal, ob es zu viel regnet oder zu wenig Schnee hat – immer soll gleich der Klimawandel verantwortlich sein!» So mault einer (in der NZZ), der schon vor zwei Jahren für Klima-Schlagzeilen sorgte. Weil er sagte, für die Klimaerwärmung sei «eine höhere Macht» verantwortlich. Glauben versetzt halt Berge. Blöd nur, dass sich diese tatsächlich bewegen: Obenabä! Denn schon droht im Aostatal am Mont-Blanc ein Gletscherabbruch. mehr zu «Buschbrände und Brandstifter»
Editorial Helvetisches Pathos-Theater Marie-Josée Kuhn, 13. Dezember 2019 — Das war wieder mal eine feine Machtdemonstration des Rechtsblocks von GLP über CVP bis FDP/SVP: diese Erneuerungswahl des Bundesrates ohne Erneuerung. Dafür mit umso mehr helvetischem Pathos-Theater vor der Wahl. Selbst die unsichere «geopolitische Lage» musste herhalten gegen die grüne Sprengkandidatin Regula Rytz (bei FDP-Fraktionschef Beat Walti). Und die Wirtschaftsprognosen, die bedrohlich eindunkeln (bei SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi). Geschweige denn unsere Compatriots aus der Schweizer Sonnenstube: Nein, mit der Abwahl des Tessiners Ignazio Cassis könne man diesen armen Grenzkanton jetzt nicht brüskieren! Konkordanz sei schliesslich keine «mathematische Grösse» (Walti again). Und deshalb zähle im Moment nur eins: Stabilität Stabilität Stabilität (alle im Chor). mehr zu «Helvetisches Pathos-Theater»
Editorial Zum ersten Mal Marie-Josée Kuhn, 29. November 2019 — Die Greta-Wahlen haben uns Frauen ganz schön viele Zum-ersten-Mal-Erlebnisse beschert: Zum ersten Mal haben wir im Nationalrat 84 von 200 Sitzen. Und 12 Ständerätinnen, davon 11 neue. Zum ersten Mal schicken sieben Kantone eine Frau nach Bundesbern. Obwalden und Zug hatten dort überhaupt noch nie eine. Baselland, Freiburg, Tessin, Wallis und Uri noch nie eine Ständerätin. Das ändert sich jetzt schlagartig. Dank der Schubkraft des Frauenstreiks. Mehr noch: Zum ersten Mal sind die Frauen in den Bundeshausfraktionen der Grünen und der SP in der Mehrheit. Und selbst die grösste Macho-Partei hat neuerdings einen Frauenanteil von 24 Prozent in ihrer Fraktion. Wiewohl die SVP im Stöckli zu 100 Prozent testosterongesteuert bleibt. mehr zu «Zum ersten Mal»
Editorial Wenn Mauern fallen Marie-Josée Kuhn, 15. November 2019 — Selbst Max Frisch hatten die Schlapphüte von der Schnüffelpolizei im Visier. Überwachen den Schriftsteller und notieren fleissig: wohin er reist, mit wem er verkehrt, was er unterschreibt und: dass sich seine Tochter «im Kreise der ‹Progressiven Mittelschüler CH›» tummelt. Selbst im grossen Frisch, diesem Patrioten und Demokraten, sieht der Schweizer Staatsschutz einen Staatsfeind. Es herrscht der Kalte Krieg. Und ätzender Antikommunismus. Auf dem rechten Auge blind, fichieren die Schnüffler blindwütig vor allem Linke, Gewerkschafterinnen, Journalisten, soziale Bewegungen und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International. Ein Drittel aller in der Schweiz lebenden Ausländerinnen und Ausländer sind erfasst, als der Fichenskandal 1989 auffliegt. Eine parlamentarische Untersuchungskommission war bei ihrer Arbeit auf ein bisher geheimes politisches Überwachungssystem bei der Bundesanwaltschaft gestossen. Diese hat Fichen von 900'000 Menschen angelegt. Die Schweiz erbebt im Schock. mehr zu «Wenn Mauern fallen»