Editorial

Noblesse oblige

Anne-Sophie Zbinden

Anne-Sophie Zbinden, Chefredaktorin

Schweizer Reichenclans sind der Adel in ­unserem an Prinzessinnen und Prinzen sonst so armen Land. Mehr als ein Drittel der 300 reichsten Schweizerinnen und Schweizer sind Familien, schreibt das Wirtschafts­magazin «Bilanz». Sie besitzen zusammen 346 Milliarden Franken. Sie engagieren sich, meist diskret im Hintergrund, für junge Musiktalente, für sportliche Nachwuchshoffnungen oder gar für die hungerleidende Bevölkerung Afrikas – Noblesse oblige.

TÜRME. So bescheiden sich viele dieser Familien gerne geben, so einflussreich sind sie. Manchmal dort, wo wir es am wenigsten erwarten. Zum Beispiel der Aponte-Clan. Über sein ­Privatleben ist wenig bekannt, geraunt wird über seine drei identischen Ferienhäuser im Luxus-Skiresort ­Megève. Die Familie besitzt die Reederei MSC, ist Weltspitze im Frachttransport (gerne auch mit Schrottkähnen) und auf Platz drei bei den Kreuzfahrtschiffen. Und hat kürzlich zusammen mit einem anderen schrecklich Reichen (Johann Rupert, Richemont) für 4,2 Milliarden Franken Mediclinic International gekauft, die Eigentümerin der Hirslanden-Gruppe. Unser Beinbruch, ihr Profit.

Ähnlich sieht es wohl Familie Hoffmann-La Roche-Oeri vom Pharmariesen Roche. Ihr Prunkschloss sind die beiden Türme in Basel, Rekordbauwerke als Zeichen ihrer Macht. Über einen Aktionärspool halten 15 Nachkommen des Firmengründers Fritz Hoffmann-La Roche 67,5 Prozent der Aktien. Dividenden 2022: 750 Millionen Franken. Da bleibt viel Zeit für Wohltätigkeit. Zum Beispiel bei einem Fussballclub, einem Zoo oder einem Onlinemedium.

Die reichsten Familien der Schweiz besitzen zusammen 346 Milliarden.

SCHLÖSSER. Dass sie einst Zeitungsverleger waren, haben die Coninx-Erbinnen und -Erben vergessen. Sonst würden sie wohl kaum ihre eigenen Zeitungen («Tages-Anzeiger», «20 Minuten» usw.) zu Tode sparen. Längst macht der TX-Konzern sein Geld nicht mehr mit Journalismus, sondern mit Homegate, Tutti & Co. Diese Marktplätze hat der Clan zusammen mit der anderen Grossverlegerfamilie ­Ringier unter der Swiss Marketplace Group zusammengefasst. Damit entstand eines der grössten Digitalunternehmen der Schweiz und ein willkommener Extrazustupf von 135 Millionen für die Familie. Diese hält 70 Prozent der ­Aktien. Am TX-Tropf hängen 26 Familien­mitglieder und warten auf Nachschub von Familienfirmenoberhaupt Pietro Supino. Unsere Schmalspur-Information, ihr Profit.

Profit macht auch der weniger medienscheue Blocher-Clan. Blochers Ems hatte zwar im letzten Jahr Börsenpech, doch das kümmert das Schwestern-Trio nicht, das 70 Prozent der Aktien hält. Haben Magdalena, Rahel und Miriam doch trotzdem 332 Millionen Franken Dividenden kassiert. Das ist mehr als die ­gesamten Personalkosten des Konzerns. Den Sorgen und Nöten der Ems-Mitarbeitenden, denen sie diesen Geldsegen verdanken, können sie sich in ihren Schlössern und Villen vornehm verschliessen.

DUELL. Eine schwerreiche Tochter mit wahrlich noblem Namen fordert ihresgleichen nun aber zum Duell: Marlene Engelhorn. Die Erbin des deutschen Chemiekonzerns BASF hat sich zum Ziel gesetzt, ihr Erbe nicht anzutreten, sondern zu verschenken. Und sie will nichts weniger als eine Revolution der Erbschafts- und Steuerpolitik – Noblesse oblige.

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