Umstrittener Genfer Schifferei-Konzern MSC will fast die Hälfte des Hafens kaufen

Hamburger Hafenbüezer wehren sich gegen Schweizer Superreiche

Clemens Studer

Die Hamburger Stadtregierung will dem Schweizer Konzern MSC fast die Hälfte des Hafens verkaufen. Die Hafenarbeiter und ihre Gewerkschaft wehren sich. Und ein anderer Super­reicher aus der Schweiz auch. Aus anderen Gründen.

EINE SCHRECKLICH REICHE FAMILIE: Das gemeinsame Vermögen von Gianluigi und Rafaela Aponte und den Kindern Diego und Alexa wird auf 19 bis 20 Milliarden Franken geschätzt. (Foto: Keystone /  ZVG / Montage: work)

Hafenarbeiter sind ein robustes Völklein. Und ohne sie geht nichts. Und gegen sie? Die rot-grüne Hamburger Regierung scheint es zu glauben – und will bis auf eine knappe Mehrheit die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) an den Schweizer Logistikmulti MSC verscherbeln. Die HHLA war bis 2007 im Besitz der Stadt. Dann wurde der Konzern an die Börse gebracht und «teilprivatisiert». So wie in der Schweiz die Swisscom. Davon hielten die Hafenarbeiter und ihre Gewerkschaft Verdi nichts. Und noch weniger davon, dass die Stadt jetzt bis auf eine knappste Mehrheit alle Aktien verkaufen will. Sie kündigten Widerstand an. Bei einer ersten Demo sorgten rund 2500 Arbeiterinnen und Arbeiter in der Hamburger Innenstadt für ein ohrenbetäubendes Pfeifkonzert. Vor dem Rathaus skandierten sie: «Kein Verkauf von Stadteigentum. Unser Hafen – nicht euer Casino!» Die Arbeiter befürchten weniger Mitbestimmungsrechte und noch grösseren Profitdruck auf ihrem Buckel.

Die MSC ist ein schillernder wie verschwiegener Multi.

HAUPTSITZ GENF

Die Mediterranean Shipping Company (MSC) mit Sitz in Genf ist ein überaus schillernder wie verschwiegener Multi. Gegründet wurde sie 1970 von Gianluigi Aponte. Der gelernte Seemann Aponte lernte als Kapitän eines Kreuzfahrtsschiffs die Genfer Bankierstochter Rafaela Diamant kennen. Er gab das Kapitänsein auf, zog zu seiner späteren Frau nach Genf, arbeitete dort beim skandalumwitterten Anlageunternehmen Investors Overseas Services (IOS) und gründete nach ihrem Zusammenbruch die MSC. Das Unternehmen wuchs rasant. Aus dem Ein-Kahn-Unternehmen wurde mit aktuell über 780 Schiffen die grösste Reederei der Welt. Und ist immer noch ein Familienbetrieb im wahrsten Sinne des Wortes. Die beiden Kinder von Gianluigi und Rafaela Aponte amten als CEO (Sohn Diego) und Finanzchefin (Tochter Alexa). Sie leben alle in Corsier bei Genf und haben auch sonst ein enges und gegen die Aussenwelt abgeschottetes Privatleben. Selbst die Skiferien verbringen sie am gleichen Ort: im französischen Megève. In identischen Häusern, wie Dorfbewohner berichten. Die «Bilanz» führt die Familie auf Platz 6 der 300 Reichsten in der Schweiz mit einem Vermögen von 19 bis 20 Milliarden.

SCHWEIGEN UND KASSIEREN

Abgeschottet sind auch die Geschäfte des Konzerns. Finanzielle Kennzahlen werden sehr rudimentär veröffentlicht. Immer wieder kamen schlechte Arbeitsbedingungen an Bord der Schiffe und in Häfen, die von MSC betrieben werden, ans Tageslicht. Kein Wunder, hält der Aponte-Clan nichts von Gewerkschaften. Und wohl auch wenig von den französischen Anti-Korruptionsbehörden, die auch schon ihre Geschäftsräume durchsuchten.

Den letzten Wachstumsschub legte die MSC hin, indem sie wild alle besonders umweltschädlichen Schiffe aufkaufte, die andere Konzerne aus Umweltschutz-(oder Image-)Gründen verkauften. Und diese während der Corona-Pandemie bestens und teuer füllen konnte. Getreu dem Firmenmotto: «Erde bedeckt einen Drittel unseres Planeten – wir bedecken den Rest.» Wie sehr die MSC-Schiffe die Luft auch an Land verpesten, zeigte unlängst eine eindrückliche Reportage über die MSC-Werft auf Malta im «Magazin» (nachzulesen hier).

NOCH EIN SUPERREICHER

Bis jetzt scheinen sich die Hamburger Stadtoberen nicht von ihrem Vorhaben abbringen zu lassen, dem umstrittenen Schweizer Konzern den Hafen faktisch in die Hände zu legen. Aber noch sind einige Hürden zu nehmen: Zustimmen müssen einem MSC-Einstieg bei der HHLA noch die Hamburger Parlamente. Die deutsche Finanzmarktaufsicht muss prüfen. Und auch die EU-Behörden müssten das Geschäft aus Wettbewerbssicht absegnen.

Unterdessen machen nicht nur die Lohnabhängigen Druck. Auch innerkapitalistisch laufen Auseinandersetzungen: Die Reederei Hapag-Lloyd ist eine der MSC-Konkurrentinnen. Sie ­befürchtet, mit den Servicegebühren die Konkurrenz zu finanzieren, und droht mit dem Abzug aus dem Hamburger Hafen. Bemerkenswert, wenn auch nicht erstaunlich: auch bei ­Hapag-Lloyd zieht ein Profiteur der Schweizer Steuergesetzgebung die Fäden. Der Deutsche ­Michael Kühne ist laut US-Magazin Forbes der reichste Einwohner der Schweiz (36 Milliarden Franken) und wohnt im ebenso idyllisch gelegenen wie steuerbilligen schwyzerischen Schindellegi. Vielleicht sollten die Hamburger Hafen­arbeiter mal den Rhein aufwärts schippern.

1 Kommentar

  1. Marcus

    Macht wirklich Spaß, dabei zuzuschauen, wie eine SOZIAL DEMOKRATISCHE Partei die SOLIDARITÄT zu Ihrer Zielgruppe eiskalt über die Klippe schubst.

    Es macht mich einfach nur sprachlos.
    Die gesamte Politik und die Wirtschaft haben offensichtlich komplett den Verstand verloren. Und unsere Justiz ist eh nur noch ein schickes Accessoire unserer DEMOKRATIE!

    Der Raubtier Kapitalismus er lebe hoch

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