Romina Leucci schaufelt Feststoffe, kontrolliert riesige Tanks und misst Proteinwerte. Die 29jährige produziert beim Pharmariesen Roche Krebsmedikamente. Vor Schwierigkeiten krebst die Präsidentin der Personalkommission nicht zurück.
Als Chemietechnologin kontrolliert Romina Leucci (29) auch pH-Werte. Sauer wird sie aber nur bei Ungerechtigkeiten. (Foto: Stefan Bohrer)
Menschen in Regenjacken und Schirmen eilen an diesem Donnerstagmorgen über den Wettsteinplatz in Basel. Im Hintergrund ragen die Roche-Türme gegen den trüben Himmel. Mit über 200 Metern sind sie die höchsten Gebäude der Schweiz. Romina Leucci hat sie wachsen sehen. Meter für Meter. Seit 13 Jahren arbeitet die gebürtige Deutsche mit italienischen Wurzeln beim Pharmakonzern. Zuerst absolvierte sie dort die Lehre als Chemietechnologin, 2013 zog sie in den Glasbau an der Grenzacherstrasse. Heute ist dieser eingeklemmt zwischen den zwei Türmen.
Leucci stellt gemeinsam mit ihren Teamkollegen die Krebsmedikamente Avastin und Tecentriq her. Die Produktion läuft 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Ihre nächste Schicht fängt um 14 Uhr an. Vorher nimmt sie sich Zeit für ein Gespräch in einem nahe gelegenen Café. Sie schält sich aus ihren nassen Regenkleidern und wischt sich die Tropfen aus dem Gesicht. 20 Minuten ist sie von ihrer Wohnung in Riehen durch den Regen geradelt. Angst davor, nass zu werden, hat sie nicht. Auch nicht im Arbeitsleben: «Ich sage immer, was ich denke. Damit entspreche ich voll dem Klischee der temperamentvollen Italienerin», sagt sie lachend.
KÄMPFERIN. Früher stand ihr ihre impulsive und direkte Art oft im Weg. «Ich ging mit dem Kopf durch die Wand und eckte damit an», sagt sie. Heute nutzt sie ihren Mut und ihre Durchschlagskraft, um sich für die Mitarbeitenden einzusetzen. Seit 2019 sitzt sie in der Personalkommission (Peko) von Roche. Dort vertritt sie die Interessen von 900 Leuten – all jenen, die dem Gesamtarbeitsvertrag der chemisch-pharmazeutischen Industrie unterstehen. Seit diesem Jahr amtiert sie als Präsidentin. Für die Arbeit in der Peko wird sie von Roche 50 Prozent freigestellt.
Die Anliegen der Mitarbeitenden sind vielfältig: von ungerechtfertigten Verwarnungen über Unzufriedenheit mit der Lohnerhöhung bis hin zu Konflikten mit den Vorgesetzten. Manchmal tragen die Angestellten auch persönliche Probleme und Krisen zu Leucci. «Die Leute brauchen eine Vertrauensperson. Ich höre zu und versuche zu helfen. Wenn ich nicht die richtige Ansprechperson bin, dann vermittle ich sie zu einer anderen Stelle.» Von denen gibt es bei Roche einige: Psychologinnen, Sozialarbeiter oder Laufbahnberaterinnen, aber auch Ernährungsberater und Fitness-Instruktorinnen.
VERMITTLERIN. «Roche hat sehr viele Angebote. Doch die meisten kennen diese gar nicht.» Das ist ein Ziel, das sich Romina Leucci mit der Peko gesetzt hat – eine bessere Information und mehr Transparenz. Allgemein sieht Leucci in der Kommunikation einen wichtigen Hebel. Gerade bei einem Grosskonzern. Die Arbeit in der Kommission hat ihr geholfen, die Hintergründe und Zusammenhänge besser zu verstehen. «Das hilft, Entscheidungen von oben besser nachzuvollziehen», sagt Leucci. Energie verwendet sie auch darauf, die besten Konditionen für die Mitarbeitenden auszuhandeln. Auch lohntechnisch. «Es kann nicht sein , dass die Kaufkraft abnimmt», sagt sie kämpferisch.
Leucci schaut auf die Uhr. Es bleibt noch etwas Zeit. Zeit, um über ihre eigentliche Arbeit zu reden. In der Produktion für Krebsmedikamente. Die 29jährige arbeitet in der Aufreinigung. Aufreini- was? Leucci lacht. «Für Aussenstehende ist es kompliziert.» Sie kneift ihre Augen zusammen und überlegt. «Es lässt sich mit der Grundwasserreinigung vergleichen.» In verschiedenen Schritten reinigen sie den flüssigen Wirkstoff, bis er gänzlich rein und frei von Zusätzen wie Salzen oder Nährstoffen ist.
TEAMPLAYERIN. Dabei wird geklotzt und nicht gekleckert: Die zwei riesigen Kessel in der Anlage haben ein Fassungsvermögen von über 6000 Litern. Meterhohe Säulen sieben die unerwünschten Stoffe ab. Alles vollautomatisch. Alles steril. Bis Leucci überhaupt mit der Arbeit beginnt, muss sie durch zwei Schleusen. Schutzanzug, Schutzbrille und Sterilisationsmittel bestimmen ihren Alltag. Der ganze Vorbereitungsprozess wie das Umziehen wird der Arbeitszeit gutgeschrieben.
In jeder Schicht arbeiten sie zu zwölft. Zur Sicherheit – und zum Austausch. «Wir sind Teamplayer. Anders ginge es nicht.» Allein für das Abwiegen der benötigten Feststoffe sind mehrere Hände nötig. Oft wird tonnenweise Material verarbeitet. Nur im Labor, beim Messen des Proteingehalts, ist sie auf sich gestellt.
Langweilig wurde es der lebhaften Brünetten in den vergangenen Jahren noch nie. Sie schätzt den regen Austausch im Team. Die konzentrierte Arbeit im Labor. Sogar die Schichtarbeit. Dennoch ploppt in letzter Zeit ab und zu die Frage auf: Wie weiter? «Bei Roche gibt es die Möglichkeit eines Perspektivenwechsels. Da kann man für einige Monate in einen völlig anderen Bereich reinschnuppern. Vielleicht mache ich das mal», sagt sie. Dann steht sie auf. Verabschiedet sich und läuft raus in den Regen. Sie wird ihren Weg finden. Bei jeder Wetterlage.
Romina Leucci Vom Dorf in die Welt
Aufgewachsen ist Romina Leucci in einem kleinen Dorf in der Nähe von Lörrach in Deutschland. «Da hatte es doppelt so viele Kühe wie Menschen», sagt sie. Bis heute mag sie es beschaulich. Mit ihrem Partner lebt sie in Riehen. Sie geniesst die Ruhe. Das gegenseitige Grüssen auf der Strasse. Und den direkten Austausch mit den Nachbarinnen. «Es ist ein Privileg, so zu wohnen. Das schätze ich sehr!»
FERNWEH. Dennoch zieht es Leucci jedes Jahr weg. Mindestens drei Mal. «Das Reisen ist meine grosse Leidenschaft!» Ihr Herz verloren hat sie an Budapest; ihrer absoluten Lieblingsstadt. Freundlich, unkompliziert, günstig – und einfach schön mit der Donau, den vielen Thermalbädern, den Brücken und der Altstadt.
Romina Leucci ist Unia-Mitglied. Ihr Monatslohn beträgt für ein 100-Prozent-Pensum brutto knapp 7100 Franken, plus Schichtzulagen.
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Seit zwanzig Jahren bin ich im Verkauf und habe einiges an sexueller Belästigung von Kunden und Arbeitskollegen erlebt. Eine Geschichte hat mich besonders geprägt.
Bei uns hat man früher amigs auch gesagt, die «Tschingge» würden unsere Katzen fressen. Krass oder? Ich liebe Büsi. Ich habe keine Kinder, aber zwei Büsi.
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