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Marlene Engelhorn ist eine Millionenerbin, die mehr Steuern zahlen will

Darija Knežević

Geld verleiht Recht, Macht und Ressourcen. Die Millionenerbin Marlene Engelhorn (31) weiss, wovon sie spricht. Ein Buch aus der Sicht einer Überreichen und ihrer Mission, ihr Vermögen in die Gesellschaft zurückzuverteilen.

REICH GEBOREN: Marlene Engelhorn kämpft dafür, dass ihr Erbe höher besteuert und somit gerecht verteilt wird. Denn was sie sicher nicht will, ist, superreich zu sterben. (Foto: Imago Images)

«Die Menschen rennen mehrheitlich im Hamsterrad des Turbokapitalismus einer Geld-Karotte hinterher.» So sieht die Welt in den Augen der ­Millionenerbin Marlene Engelhorn aus. Die rennenden Hamster sind die Arbeiterinnen und Arbeiter, das Hamsterrad unser Wirtschaftssystem und die Karotte das Geld. Und die überreichen Hamster, etwa 1 Prozent unserer Gesellschaft, sitzen fett und faul herum. Denn Rüebli, also Geld, haben sie im Überfluss.

Zu den faulen Hamstern gehört auch Marlene Engelhorn. Sie wurde in eine schwerreiche österreichische Familie geboren, die erst beim grossen Chemiekonzern BASF mitmischte, zur Jahrhundertwende dann beim Pharmariesen Boehringer Mannheim. Doch die Autorin blickt kritisch auf ihr Erbe: «Beide Unternehmen schafften es gut durch den Zweiten Weltkrieg. Kein Mensch fragt, wie.» In ihrem Buch schreibt die Erbin über das Konstrukt «Geld», was es mit Menschen macht, die zu viel davon haben, und wie ihre Idealvorstellung aussieht, damit alle genug davon haben.

Für Engelhorn ist klar, dass Reichsein kein Schicksal ist.

LEERE VERSPRECHEN

«Wenn ich ohne Arbeit so leben kann, wie es die wenigsten mit harter Arbeit können, zeigt sich eine Ungerechtigkeit sehr konkret.» Das ist der zentrale Punkt von Engelhorn in ihrem Buch: die Ungerechtigkeit zwischen Arm und Reich. Während die meisten arbeiten müssen, ist die Ausgangslage bei den Superreichen eine ganz andere. Gearbeitet wird in diesen Kreisen nur aus moralischen Gründen oder um Teil der Gesellschaft zu sein. Sie spenden oder gründen Stiftungen – alles fürs gute Gewissen.

Für Engelhorn ist aber glasklar, dass Reich­sein kein Schicksal ist. Nur wenige Menschen werden überreich geboren. Aber keine Menschen werden dazu gezwungen, überreich zu sterben. Deshalb engagiert sich Engelhorn für die Steuer- und Verteilungsgerechtigkeit (mehr dazu in der Box). Statt miteinander über Geld zu sprechen, wird geschwiegen. Und das führe zu Stigma. «Arm sei nur, wer sich nicht anstrenge. Das ist eine dreiste Lüge», so Engelhorn. Gleich danach komme die Lüge, dass Arbeit reich mache. Ein leeres Versprechen. Und so fragt sich Engelhorn, war­um es eine Armutsgrenze gibt, aber keine Reichtumsgrenze.

ALLE TÜREN STEHEN OFFEN

Wie absurd reich Engelhorns Familie ist und wie anders ihr Leben war, schimmert im Buch immer wieder durch. Engelhorn schreibt: «Wie viel Geld genug ist, ist für Überreiche keine Frage, sondern eine Entscheidung.» Und so zeigt sie besonders im Kapitel «Geld macht neurotisch» immer wieder auf, welche Türen für so reiche Menschen wie sie offenstehen – nämlich alle. Geld verleiht Macht, Recht, Ressourcen und entscheidet über Bildung, Erziehung sowie politische Teilhabe.

Exotin: Eine Reiche, die mehr Steuern zahlen will

Marlene Engelhorn (31) wurde 1992 in eine schwerreiche Familie geboren. Das Vermögen ­ihrer Grossmutter Traudl Engelhorn wird auf über 4 Milliarden Euro geschätzt. Geboren und aufgewachsen in Wien, besuchte sie dort Privatschulen, bis sie an der Universität Wien Germanistik studierte. Seit Engelhorn über ihr hohes Erbvermögen weiss, setzt sie sich für Steuer- und Verteilungsgerechtigkeit ein. In diesem Zuge wurde sie zur Mitgründerin der Initiative «tax me now». Ein Zusammenschluss von ­vermögenden Personen aus dem deutschsprachigen Raum, der sich aktiv für Steuergerechtigkeit einsetzt. (dak)

Engelhorn gibt einen tiefen Einblick in ihr Dilemma, reich zu sein, aber das Erbe kritisch zu hinterfragen. Teilweise wird die 31jährige auch philosophisch, besonders wenn sie das ganze Wirtschaftssystem und das Konstrukt «Geld» hinterfragt: «Die Menschen müssen an das Märchen vom Hamsterrad glauben. Sie brauchen eine Karotte und das Versprechen, dass sie ausschliesslich aus eigener Rennerei diese Karotte erreichen.»

Marlene Engelhorn: Geld. 176 Seiten. Erschienen beim Verlag Kreymar & Scheriau, September 2022, Preis: ca. Fr. 32.–.

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