Anne-Sophie Zbinden

Editorial

Lang lebe die Umverteilungsmaschinerie

Anne-Sophie Zbinden, — Terroristen, Extremisten, Kriminelle. Das sind noch die anständigeren Bezeichnungen für Leute, die in den vergangenen Monaten Autobahnen blockierten: mit ihren blossen Händen, für das Überleben der Menschheit, für mehr Klimaschutz. BLOCKADE. Ganz anders das Echo auf die deutschen Bauern: Mit Traktoren, begleitet von Galgen und rechten Parolen, blockierten sie ebenfalls Autobahnen. Für ihr persönliches Überleben, für weniger Klimaschutz. Doch niemand empörte sich über die eingeschränkte Fahrt für freie Bürger, ganz im­ Gegenteil. Unmut, der sich in Protesten und Aktionen niederschlägt, gehört zur Demokratie. Deshalb sind auch die Bauernproteste legitim. Ziviler Ungehorsam wird jedoch mit unterschiedlichen Ellen gemessen. Dieselben Politiker und Medien, die gegen die Klimakleber hetzten und sie als Gefahr für die Demokratie bezeichneten, zeigen jetzt Gleichmut oder gar Verständnis für viel aggressiveres Gedankengut. GEFAHR. Zum Beispiel für den Mythos der «Eliten», die uns verraten hätten. Solches Gedankengut führte in den USA zum Sturm der Trump-Anhänger auf das Capitol. Noch schlimmer: die Idee der «Remigration», die zuletzt an einem Geheimtreffen in Potsdam diskutiert wurde. Die millionenfache Ausschaffung von Migrantinnen und Migranten als Lösung aller Probleme. Unmut zu nutzen für eine falsche Skandalisierung von Migration ist brandgefährlich und eine Gefahr für die Demokratie. mehr zu «Lang lebe die Umverteilungsmaschinerie»

Editorial

Jetzt wird’s zu bunt!

Anne-Sophie Zbinden, — Wie die Bäume ihr verdorrtes Laub, verlieren die Versicherten langsam, aber sicher die Nerven. Denn sie geht wieder los, diese ohnmächtige Suche nach dem «besseren» Angebot, im Namen eines verordneten Glaubens an die «Marktkräfte». Dabei müssen die 49 Krankenversicherer im Obligatorium per Gesetz alle dasselbe anbieten. Zugegeben, die schiere Menge an Anbietern war auch schon mal schlimmer: 1903 waren es über 2000, 2014 immerhin noch 60. Doch die Bemühungen um eine Einheitskrankenkasse sind schon zweimal an der Krankenkassenlobby mit ihren Werbemillionen gescheitert. Deshalb ist und bleibt es nervenaufreibend. Und treibt die Kosten zusätzlich in die Höhe: Nach der letztjährigen Ankündigung der steigenden Prämien sind die Werbekosten der Kran­kenkassen von ungefähr 62 Millionen auf 100 Millionen gestiegen. Obendrauf kommt der Schock über die Prämienerhöhung von durchschnittlich 8,7 Prozent. NONSENS. Offiziell begründet der Krankenkassenverband Curafutura diesen massiven Anstieg damit, dass die Prämien die Kosten nicht mehr decken würden. Die Zahlen zeigen aber: 2022 flossen durchschnittlich 3760 Prämienfranken pro Kopf an die Kassen. Für die Leistungen gaben sie jedoch nur 3707 Franken pro Kopf aus. Anders ausgedrückt: Die Bevölkerung bezahlte mehr, als ihre medizinische Versorgung tatsächlich kostete. Ähnlich 2021: Die Kassen bezahlten Kosten von 3627 Franken pro Kopf, nahmen aber mit den Prämien 3788 Franken ein. Und ab mindestens 2011 zeichnen die Zahlen vom Bundesamt für Statistik dasselbe Bild. mehr zu «Jetzt wird’s zu bunt!»