Riegers Europa
Andreas Rieger ist Unia-Sekretär und vertritt den SGB im Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB).
— Gewerkschafterin Linda Vermeulen will den Tieflohnskandal in den Niederlanden beenden. Sie sagt: «Jetzt geht es nicht mehr nur um einige Cents. Jetzt wollen wir eine Lohnwende erreichen!» Vermeulen arbeitet bei der grössten niederländischen Gewerkschaft FNV und ist verantwortlich für den Detailhandel. Sie sagt selbstkritisch: «Zu lange haben sich die Gewerkschaften in Lohnmässigung geübt.» Und tatsächlich: in den Gesamtarbeitsverträgen wurde meist noch knapp die Teuerung ausgeglichen. mehr zu «Niederlande & Deutschland: Mindestlöhne rauf!»
— Die österreichischen Gewerkschaften überraschen derzeit gleich mehrfach: Sie streiken im privaten Gesundheits- und Sozialbereich, und zwar für die Einführung der 35-Stunden-Woche. Und die Tausende von Streikenden sind mehrheitlich junge Pflegerinnen. Wie kommt das? mehr zu «Pflegerinnen in Österreich: Streik für 35-Stunden-Woche»
— Jüngst witzelte der Innenminister von Estland über die neue Regierung des Nachbarlandes Finnland: «Schaut euch das an!» sagte der 70jährige Mann: «In Finnland wird eine Verkäuferin Ministerpräsidentin, und andere Strassenaktivisten und Ungebildete bilden das Kabinett!» Kein Wunder, echauffiert sich der Rechtsaussen-Macho, denn Finnland hat neu eine Frau als Ministerpräsidentin. Die jüngste Regierungschefin der Welt! mehr zu «Neue grün-soziale Regierung: Finnische Frauenpower»
— Britanniens Brexit ist Gift. Lange bevor er beschlossen war, hatte er schon die britische Gesellschaft gespalten. Der rechtsextremen Partei UKIP war es gelungen, die EU zum grossen Sündenbock zu machen. Und die brennenden sozialen Fragen, die weit verbreitete Armut und Grossbritanniens Misere im Gesundheitswesen waren plötzlich kein Thema mehr. Stattdessen wiegten sich viele in der Illusion, das Königreich könne im Alleingang wieder zu alter Grösse finden. mehr zu «Am 1. Februar ist Brexit: Und jetzt?»
— Die neue EU-Kommission hat am 1. Dezember ihre Arbeit aufgenommen. Wird sie sich weiter durch die Probleme wursteln wie die abgetretene Kommission? Oder sind die Probleme so dringlich und offensichtlich geworden, dass die EU zum Handeln gezwungen ist? mehr zu «Neue EU-Kommission: Ein Europa, das schützt»
— Kaum waren die Wahlen vorbei, drängten sie wieder, die Rahmenabkommen-Turbos: Der Vertrag zwischen der Schweiz und der EU müsse schnell abgeschlossen werden, fordern sie. Ausgehandelt hatte diesen vor mehr als einem Jahr Bundesrat Ignazio Cassis. Er gab dabei unter anderem den Lohnschutz zum Abbau frei – entgegen der Position des Bundesrates. mehr zu «Rahmenabkommen EU – Schweiz: Die Turbos begreifen’s nicht»
— Die spanische Linke bot in den letzten Monaten ein Trauerspiel. Zwischen den Sozialisten und der linkeren Podemos gab es ein monatelanges Gezerre um Pöstchen und Positionen. Die Chefs, Pedro Sánchez und Pablo Iglesias, benahmen sich wie Hund und Katz. So peinlich, dass die Gewerkschaften beide Parteien auffordern mussten, endlich einen Pakt zu schliessen und die Probleme der Arbeitenden und Pensionierten anzupacken. mehr zu «Spanien: Russisch Roulette»
— ür die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (FAZ) sind die flankierenden Massnahmen (FlaM) der Schweiz «Folterinstrumente». Was treibt das sonst staubtrockene Sprachrohr der deutschen Wirtschaft bloss zu diesem Wahnsinnsvergleich? Es sind die süddeutschen Unternehmer. mehr zu «Schweizer Lohnschutz: FAZ-Folter»
— Jean-Claude Junckers Tage sind gezählt. Der Präsident der EU-Kommission tritt nach fünf Jahren ab. Ein Grund zur Freude? Den Abgang seines Vorgängers, José Manuel Barroso, begleiteten die Gewerkschaften mit lautem Schimpfen. Er hatte Portugal, Irland und Griechenland in die Schuldknechtschaft gejagt. Er trieb die Deregulierung der Arbeitsbeziehungen voran und den Sozialabbau. 20 Millionen Menschen wurden arbeitslos. mehr zu «EU-Kommission: Hält Ursula, was sie verspricht?»
— Anfang Sommer sagte Frank Bsirske: «Wer kann, der soll ausstempeln und an den Klimademos teilnehmen.» Der Vorsitzende der deutschen Gewerkschaft Verdi sprach von den allfreitäglichen Klimademonstrationen. Sein Aufruf ging durch die europäischen Medien – er war alles andere als selbstverständlich. mehr zu «Gewerkschaft Verdi: Bsirske geht»
— 300'000 Französinnen und Franzosen, die in London leben, haben langsam, aber sicher Panik vor dem harten Brexit. Zehn Prozent von ihnen planen nun ihre Heimkehr. «Brexode» nennen sie es. Und nicht nur die Franzosen bangen. mehr zu «Harter Brexit: Wie auf Kohlen sitzen»
— Sagten Asterix und Obelix einst: «Die spinnen, die Römer!» Politisch etwas korrekter könnte man heute sagen: Ein grosser Teil des italienischen Wahlvolks spinnt. Erst lief es dem Rattenfänger Silvio Berlusconi nach, dem gelifteten Medien- und Immobilienmogul. Jetzt wurde die schillernde 5-Sterne-Bewegung des Komikers Pepe Grillo zum Auffangbecken für Frustrierte aller Art. mehr zu «Kriselndes Italien: Spinnen die Römer?»
— «Spektakulär». So titelte der Deutschlandfunk den Lohnabschluss für den öffentlichen Dienst: Um mehr als drei Prozent steigen die gesamtarbeitsvertraglichen Bruttolöhne in Deutschland in diesem und auch im nächsten Jahr für rund eine Million Mitarbeitende der Bundesländer. mehr zu «Deutschland: Löhne rauf!»
— Die europäische Sozialdemokratie ist schon häufig totgesagt worden. In einzelnen Ländern liegt sie heute in der Tat am Boden. Die europäischen Wahlen straften die SP in mehreren Ländern ab. Aber gleichzeitig haben die Sozialisten in Spanien und Portugal mit einer starken sozialen Offensive zu einem eigentlichen Höhenflug angesetzt. mehr zu «Europaparlament: Wechselnde linke Bündnisse»
— Aufgeräumte Stimmung am Kongress des Europäischen Gewerkschaftsbunds (EGB) in Wien: «Wir haben wieder Boden unter den Füssen und Selbstvertrauen für neue Kämpfe», so beschrieb es ein Teilnehmer. Das war noch beim letzten und vorletzten Kongress ganz anders gewesen. 2011 hatten wir uns in Athen getroffen, als gerade die Megakrise im Gefolge des Finanzcrashs begann. mehr zu «EGB-Kongress in Wien: Neues Selbstvertrauen»
— Künftig sollen Chauffeure in Deutschland deutsche Löhne erhalten, wenn sie dort ein- und ausladen. Auch wenn sie aus Polen kommen. Und desgleichen in anderen EU-Ländern. Es gilt jetzt das Prinzip «Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort» im Transport. mehr zu «Europäische Demos: Schweizer Gewerkschaften in Brüssel»
— Soziale Reformen dank der EU? Das hat’s seit einem Jahrzehnt nicht mehr gegeben. Im Gegenteil, die EU förderte den Sozialabbau. Jetzt bringt das Europäische Parlament kurz vor Torschluss noch eine ganze Serie von Verbesserungen durch – im Mai sind Wahlen. mehr zu «Keine Wende, aber eine Kurve»
— Sind Sie für oder gegen Europa? Eine beliebte, aber zu simple Frage von Medien und Meinungsbefragerinnen. Die Antwort erfolgt je nachdem, an welchen Teil der EU-Politik die Befragten gerade denken: an die Asylpolitik, die Sparpolitik oder den Studentenaustausch. In der EU bleiben oder raus aus der EU? Auch diese Frage ist beliebt. mehr zu «Für oder gegen die EU? Darum geht es nicht»
— Gibt es überhaupt Gewerkschaften in Osteuropa? In der Tat sind dort mit dem Mauerfall nach 1990 meist auch die früheren Staatsgewerkschaften zusammengebrochen. Es blieben oft nur abhängige Hausverbände übrig. mehr zu «Gewerkschaften im Osten: Der Neubeginn»
— Der soziale Frühling dauerte in Spanien nur neun Monate: Die sozialistische Regierung von Pedro Sánchez erhöhte den Mindestlohn um 20 Prozent. Sie wollte die Arbeitnehmerrechte wieder stärken. Sie begann, die noch präsenten Symbole des Franquismus abzuräumen. Und sie war auch bereit, über Verbesserungen des katalanischen Autonomiestatuts zu reden. «Hochverrat», schrien die Reaktionäre und stachelten den Nationalismus an. mehr zu «Nationalismus: Gift für Europa»
— Überall in Europa wagen die Leute Arbeitskämpfe: in Spanien bei der Post; in Ungarn in der Audi-Fabrik; in Deutschland im Sicherheitsdienst der Flughäfen; in Belgien bei den Supermärkten Lidl und Carrefour und in Österreich im Gesundheits- und Sozialwesen. Das sind nur wenige Beispiele von vielen in den letzten zehn Monaten. mehr zu «Überall Streiks: Der neue Mut»
— Eine schöne Organisation mit vielen Leuten, die kämpfen wollen», so umschreibt Maurizio Landini (57) liebevoll seine Gewerkschaft. Eben hat ihn der Kongress der CGIL zu ihrem neuen Generalsekretär gewählt, zum Nachfolger von Susanna Camusso. Die Confederazione Generale Italiana del Lavoro, CGIL, ist mit über fünf Millionen Mitgliedern die grösste Gewerkschaft Europas. mehr zu «CGIL-Kongress: Landini, der Neue»
— Die bevorstehenden Wahlen des europäischen Parlaments sind für die Sozialdemokraten eine Zitterpartie. Bisher stellen sie mit 25 Prozent der Sitze die zweitgrösste Fraktion, doch nun drohen Verluste. In verschiedenen europäischen Ländern mussten sie schon für die Spar- und Deregulierungspolitik bezahlen, die sie nach der Krise von 2008 vertreten hatten. So wurde zum Beispiel in Italien der Partito Democratico unter dem Blender Matteo Renzi im Frühling 2018 abgestraft. Bei den europäischen Wahlen im Mai 2019 dürfte sich dieses Phänomen wiederholen. mehr zu «Europawahlen: Bangen und Hoffen»
— Im Mai 2019 wird das neue europäische Parlament gewählt. Die Rechtsaussen wittern Morgenluft und befeuern den Wahlkampf mit einem Kreuzzug gegen den Uno-Flüchtlingspakt. Stimmengewinne sind möglich mit der Lega in Italien, der FPÖ in Österreich oder der AfD in Deutschland. mehr zu «Europaparlaments-Wahlen: Schrecklich nette Familie»
— Jetzt ist die Katze aus dem Sack. Jetzt wissen wir, was die EU-Verhandler beim Rahmenabkommen von der Schweiz verlangen: Nicht nur die Verkürzung der Anmeldefrist bei Entsendungen und die Dezimierung der Kautionen, die vorsorglich hinterlegt werden müssen. Sondern auch eine Reduktion der Lohnkontrollen. Lange wollte man uns weismachen, dass es nur um eine modernere, effizientere Abwicklung von grenzüberschreitenden Aufträgen gehe. mehr zu «Rahmenabkommen CH – EU: Freie Bahn für Dumper»
— Wie gewinnt man Wahlen? Mit Ausländerfeindlichkeit. Christoph Blocher macht es seit Jahrzehnten vor. Mit schwarzen Schafen, Messerstechern, Masseneinwanderung. Andere sind gefolgt. Marine Le Pen in Frankreich, Viktor Orbán in Ungarn, Matteo Salvini in Italien. Nun stehen im Mai 2019 Wahlen zum Europäischen Parlament an. Die Rechtsaussenparteien bereiten sich seit langem darauf vor. mehr zu «Orbán, Le Pen & Co.: Halali gegen Migrationspakt»
— Wer hat das Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU vermasselt? Das wird die Frage sein, sollten die Verhandlungen für den wünschenswerten Staatsvertrag nun auf Eis gelegt werden. War es Paul Rechsteiner, der «sture» Gewerkschafter, wie viele Medien jetzt behaupten? Nein, denn er hat nur einen schlechten Deal verhindert, der den Lohnschutz abbauen wollte. Einen Deal, der überdies an der Urne gescheitert wäre. mehr zu «Verhandlungen CH – EU: Wer hat’s verbockt?»
— Für die Arbeitgeber scheint die Zeit für Lohnerhöhungen nie gut genug. Läuft die Wirtschaft schlecht, sollen die Lohnabhängigen warten. Gar Lohnsenkungen erwartet man von ihnen. Läuft dagegen die Wirtschaft heiss, gelten Lohnerhöhungen als schlecht, weil sie die Inflation anheizen würden. Seit zwei Jahren erleben wir einen Ausnahmezustand: Nachdem die EU-Spitze und die Zunft der Ökonomen jahrelang Lohnstillstand oder gar Abbau verlangt haben, rufen sie nun nach Lohnerhöhungen. mehr zu «Stagnierende Löhne: Ohne Druck geht gar nichts»