Bärtschi-Post
Katrin Bärtschi ist Briefträgerin in Bern, Gewerkschafterin und work-Kolumnistin.
— Es gibt solche Fehler und solche. Neulich war hier von Zustellfehlern die Rede. Diesmal ist die Angelegenheit komplexer, um nicht zu sagen unüberschaubar. Unabdingbar gewordenes Attribut der Zustellenden ist der Scanner. Ein tönender Schussapparat. Der Scanner piepst. Oder schreit. Je nach Hörart. mehr zu «Die Briefträgerin & die Systembefriedigung»
— Früher hat die Briefträgerin bei der Volkszählung die Auskunft verweigert. Heute sammelt sie Daten. AMP heisst «Adressmanagement Post». Die Post erfasst jeden an einem Briefkasten in der Schweiz angeschriebenen Namen. Manchmal auch solche, die nicht angeschrieben sind. Bei c/o-Adressen. Die Post weiss, wer mit wem wohnt. Die Post weiss, wer mit wem nicht mehr wohnt. mehr zu «Die Briefträgerin & das AMP»
— Wo gehobelt wird, fallen Späne. Wo gearbeitet wird, werden auch Fehler gemacht. Einige sind un-, andere schwerverzeihlich. Viele entpuppen sich bei entspanntem Hinsehen als Bagatellen. Es gibt bei der Postzustellung etliche mögliche Fehler wie bei jeder Arbeit und in jedem Beruf. Je mehr Zeit und Ruhe den Arbeitenden gewährt wird, je mehr Spielraum, die eigene Arbeitsweise anzuwenden, desto kleiner ist die Fehlergefahr. Davon bleibt die Briefträgerin überzeugt. mehr zu «Die Briefträgerin & die Reklamationen»
— Äs mönschelet» – diese Floskel konnte die Briefträgerin schon als Jugendliche nicht leiden. Und sie mag sie auch heute nicht. «Äs mönschelet» – was soll das heissen? «‹Äs mönschelet› ist eine nichtssagende, faule Antwort.» mehr zu «Die Briefträgerin & der Spielraum»
— Neulich war der Tierarzt da. Die Katze musste entwurmt werden, und einer Katze eine Tablette einzugeben ist ein schwieriges Unterfangen. Der Tierarzt und die Briefträgerin sind befreundet, drum macht er bei ihr Hausbesuche, wenn den Tieren etwas fehlt. Und manchmal verarztet er die Briefträgerin gleich mit. mehr zu «Die Briefträgerin & das Händchen»
— Kürzlich war die Briefträgerin auf der Post. In der Hand das gelbe Büchlein. Am Leib noch die Uniform. Sie war auf dem Heimweg von der Arbeit. Die Kollegin am Schalter duzte sie bei der Begrüssung. «Wir gehören ja zum gleichen Betrieb.» Diese Meinung teilt die Briefträgerin. Erst recht, seit die Aufsplitterung des Konzerns in verschiedene rivalisierende Bereiche die Konkurrenz beton. mehr zu «Die Briefträgerin & das Dolce far niente»
— Manchmal reicht ein Bild oder eine Erinnerung, und mitten im Sommer wird der Winter lebendig. Und umgekehrt. Oft verbunden mit einer Prise Längizyti. Jedenfalls ist es ein heisser Sommertag, als der Briefträgerin plötzlich ein eisiger Winterabend in den Sinn kommt. mehr zu «Die Briefträgerin & die Briefeinwürfe»
— Der 14. Juni 2019 ist Geschichte. Er ist Geschichte! Die Briefträgerin hatte in der Bude im Vorfeld nicht gross agitiert und diskutiert. Sie hatte den Ansteckknopf getragen, und sie hatte die Plakate mit der violetten Dreifaltigkeit aufgehängt. Und Flugblätter im Pausenraum verstreut. Am Montag danach hingen die Plakate noch. Und am Dienstag auch. Und auch bei Redaktionsschluss immer noch mehr zu «Die Briefträgerin & der Frauenstreik»
— Ein Vormittag im Bus. «Den kenne ich», denkt die Briefträgerin und schaut in das Gesicht des stummen, allein sitzenden Fahrgasts mit der Weissweinflasche in der Hand. «Rosenweg 21, zweiter Kasten von links – aber wie heisst er schon wieder?» Die Briefträgerin sieht den Hauszugang vor sich, die Kastenanlage, die Anordnung der Kästen. Sie weiss, dass er einen Stop-Kleber hat. Doch sein Name fällt ihr nicht ein. «Es ist der Mann, der selten Post bekommt und nie ein Wort redet.» mehr zu «Die Briefträgerin & die Namen»
— Die Briefträgerin hat einen Stop-Kleber am Kasten. Den sieht die Post begreiflicherweise gerade bei ihren Mitarbeitenden nicht gern, bringt das Verteilen von Werbung doch viel Geld ein. Tatsächlich dachte die Briefträgerin in letzter Zeit öfter, sie sei eine eigentliche Werbeträgerin. Sie versuchte, den zuständigen Teamleader zu besänftigen, indem sie auf ihren Briefmarkenverbrauch hinwies. Damit kompensiere sie den durch den Stop-Kleber verursachten Schaden. Der Teamleader war mässig überzeugt. mehr zu «Die Briefträgerin & die Stop-Kleber»
— Es ist schon einige Zeit her, also sozusagen verjährt. Deshalb kann die Briefträgerin die Geschichte heute erzählen. Es war bei den grossen Blöcken neben dem Supermarkt. Bei denen mit den 50er-Jahre-Kastenanlagen, wo die Briefträgerin mit der Post, die nicht schon von der Maschine vorsortiert wurde, hin und her hastete auf der Suche nach dem richtigen Einwurf. mehr zu «Die Briefträgerin & der Spezialtransport»
— Herr S. sei gestorben. Die Briefträgerin erfährt es von einem Kollegen und merkt überrascht, dass sie dem alten Mann nachtrauert. Seiner Freundlichkeit und Aufmerksamkeit. Trotz dem SVP-Heftli, das sie ihm regelmässig bringen musste, trotz seinen faulen Sprüchen über die Frauen. Sprüche, die nie anzüglich waren, eher Ausdruck anhaltender Verwunderung über das andere Geschlecht. mehr zu «Die Briefträgerin & Herr S.»
— Die Distributionsbasis ist schliesslich doch am alten Ort geblieben. Hier bereiten die Briefträgerinnen und Briefträger die Post vor und nach. Die Ökonomie gab den Ausschlag. «Geographisch ist alles beim alten», denkt die Briefträgerin. «Aber sonst blieb kein Stein auf dem gewohnten.» Reorganisation. Die Teams wurden neu zusammengesetzt, viele sprachen erschrocken von «Fleischmarkt». D mehr zu «Die Briefträgerin & die Reorganisation»
— «Verdammt!» denkt die Briefträgerin. Ein Brief hat sich zwischen die andern im Kistli verkrochen. Einen A-Post-Brief, erst noch einen von Hand adressierten und mit einer Marke beklebten, zur Zeit zuzustellen ist Ehrensache. Dem Zeitteufel zum Trotz. Der Weg ist schmal, die Briefträgerin kann das Fahrzeug nicht wenden. Zu Fuss trabt sie, den Brief in der Hand, zurück zum letzten Haus – und sieht im Fenster den Affen. Ganz klassisch hängt er an einem Ast, mit der linken Hand hält er sich fest, seine Rechte fasst eine Banane. Ein grosses Fensterfarbenbild! mehr zu «Die Briefträgerin & der Affe im Fenster»
— Tagsüber ist es jetzt wieder warm. Zu warm. Nach eiskalten frühen Morgen. Februar, es kann noch einmal schneien bis herab in die Niederungen, wo an schattigen Stellen noch die Reste vom letzten Mal liegen. Wäre heute früher, viel früher, würde alles einfach ein wenig länger dauern, wenn auf den Strassen Schnee liegt. «Wäre das Arbeitsleben gemütlich, würden wir in der Winterzauberwelt einen sicheren Schritt nach dem andern tun», denkt die Briefträgerin. Aber heute ist nicht früher, und das Arbeitsleben war kaum je gemütlich. mehr zu «Die Briefträgerin & der Schnee»
— Katrin Bärtschi ist Briefträgerin in Bern und Gewerkschafterin. Die Milchkästen heissen heute nicht mehr Milchkästen. Nur ältere Pöstlerinnen und Pöstler nennen den Teil der Briefkästen, in den Pakete abgelegt werden können, heute noch so. Die Briefträgerin ist in einer Kleinstadt beziehungsweise einem Grossdorf aufgewachsen. Sie hat noch erlebt, wie der Milchmann jeden Morgen in aller Frühe mit dem VW-Bus durch... mehr zu «Die Briefträgerin & die Milchkästen»
— er Post-Verwaltungsrat hat einen neuen Chef gewählt. Nicht den Mann, auf den sich die «NZZ am Sonntag» bereits kurz nach dem Abgang der Chefin so freute: «Aufräumer Thomas Baur wird schon als künftiger Post-Chef gehandelt.» Nein, es ist ein gewisser Roberto Cirillo. mehr zu «Die Briefträgerin & McKinsey»