Editorial

O sole mio!

Anne-Sophie Zbinden

Anne-Sophie Zbinden, Chefredaktorin

In der Not frisst der Teufel Fliegen. Oder Holz. Nur so lässt sich der Boom der Holzgas-Autos in den 1940er Jahren erklären. Weil im Zweiten Weltkrieg Benzin rar und teuer war und E-Autos noch in weiter Ferne, wurden Holzvergaser an Carrosserie oder Anhänger befestigt und an Holztankstellen aufgefüllt. In der Nachkriegszeit, als das Öl wieder reichlich und billig floss, war’s dann wieder vorbei mit diesem erneuerbaren Antrieb. Vielleicht auch, weil er sonst noch so einige Tücken hatte …

Die Stromkrise lässt sich nicht einfach ausknipsen.

GANZ KLAR SOLAR. Krisen lassen sich nicht schönreden, aber manchmal wird durch sie Undenkbares machbar. Zum Beispiel bei der Solarenergie. Das Bundesamt für Energie ist optimistisch, dass sich das starke Wachstum der Photo­voltaik-Leistung auch im laufenden Jahr fortsetzen wird. Und natürlich: Grengiols Solar. Gemeindepräsident Armin Zeiter hat work hoch hinauf ins Saflischtal geführt, wo das erste alpine Solarkraftwerk entstehen soll (s. Hier entsteht Grengiols Solar). Das Megaprojekt, lanciert vom work-Kolumnisten und Hotelier Peter Bodenmann, wird jetzt ganz heiss gehandelt. Plötzlich ist auch FDP-Nationalrat Ruedi Noser ganz solar. Die Stromkonzerne wittern Gewinne, und die Energiekommission des Ständerates ebnet dem alpinen Solarpark den Weg. Schon 2023 könnte der Bau beginnen. Plötzlich geht ganz schnell, was vorher nie ging. Vielleicht zu schnell, wie Landschaftsschützer kritisieren.

Gemächlicher geht’s der Bundesrat an. Umweltministerin Simonetta Sommaruga gibt sich zuversichtlich, dass wir mit Duschen statt Baden unbescholten durch den Winter kommen. Wirtschaftsminister Guy Parmelin propagiert etwas mutlos: Lichter löschen! Weil: jede Kilowattstunde zählt! Das ist nicht falsch, nur leider lässt sich die Stromkrise nicht einfach ausknipsen. Und wenn schon die Konsumentinnen und Konsumenten für die Versäumnisse in der Energiepolitik geradestehen sollen, dann braucht’s wenigstens sinnvolle Tipps, die nicht nur Strom sparen, sondern auch noch das Portemonnaie schonen. Solche, wie sie work-Ratgeber-Autor Martin Jakob gibt (s. Strom sparen. Strom sparen? Strom sparen!).

GANZ KLAR TEURER. Ob’s tatsächlich kalt und düster wird in unseren Stuben, wissen wir noch nicht. Mit Sicherheit werden aber die Öl-, Gas- und Strompreise steigen. Haushalten mit kleinen und mittleren Einkommen könnte es schon bald noch mehr ans Läbige gehen. Der Bundesrat sieht hier jedoch keinen Handlungsbedarf. Für Atomenergie- und Wasserkraftkonzerne sieht die Zukunft hingegen rosig aus. Sie sind die eigentlichen Krisengewinnler. Deshalb wird zum Beispiel in Deutschland ein Übergewinnsteuer-Modell diskutiert. Das neue Steuergeld soll an kleine und mittlere Einkommen rückverteilt werden (s. Geht der Schweiz ein Licht auf).

Nicht alles, was lange schon im Stillen gedacht und jetzt plötzlich laut gesagt wird, ist auch sinnvoll: Strom aus Ölkraftwerken (Somma­ruga), neue Atomkraftwerke (Initiative des SVPhörigen Energie Clubs Schweiz), endlich flexible Arbeitszeiten, sprich: Arbeiten rund um die Uhr (Economiesuisse). Oder: Schwimmbad-Betreiberinnen und die Fitnessbranche, die aus der Coronakrise gelernt haben und sich schon mal prophylaktisch für systemrelevant erklären.

Auch in der Not sollte der Teufel eben nicht alles fressen. Sonst gerät er auf den Holzweg.

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