OECD-Mindeststeuer
Bürgerlicher Kniefall vor dem handelspolitischen Hooligan im Weissen Haus 

Zuerst den internationalen Prozess verzögern, dann mit faktenfernen Drohungen im Inland aufs Tempo drücken und jetzt vor Trump einknicken: Der Umgang der Schweiz mit der OECD-Mindeststeuer ist ein Lehrstück bürgerlicher Steuerpolitik.

TRUMP HULDIGEN: Die FDP möchte die OECD-Mindeststeuer dem US-Präsidenten devot vor die Füsse legen. (Bild: Keystone / Montage: work)

Seit Jahrzehnten unterbieten sich Länder mit immer tieferen Steuersätzen. Weltweit haben sich die Steuersätze für Konzerne seit 1980 im Durchschnitt von rund 50 auf etwa 22 Prozent mehr als halbiert. Diese Entwicklung wurde auch ermöglicht, weil Konzerne dort ihre Steuern zahlen können, wo die Steuersätze am tiefsten sind – und nicht dort, wo produziert wird. Resultat dieser Abwärtsspirale bei Steuersätzen sind wegfallende Steuereinnahmen und ein Flickenteppich an nationalen Steuergesetzen.

Diese Verschiebung ist nicht ohne Folge, denn sie führt zu einer stetigen Umverteilung der Vermögen. Konzerne und Reiche haben profitiert, während die Kaufkraft der breiten Bevölkerung immer mehr unter Druck kommt. Ganz vorne bei diesem Steuer-Dumper-Spiel spielt die Schweiz mit.

Ein Durchbruch

Nach jahrzehntelangem Ignorieren haben die OECD-Staaten verstanden, dass der internationale Steuerdumping-Wettbewerb ein Irrweg ist. Daher haben sie eine Reform des internationalen Steuerregimes beschlossen, die aus zwei Säulen besteht. Die erste soll Steuereinnahmen von den Sitzländern der Konzerne zu jenen Ländern umverteilen, in denen die Gewinne tatsächlich erzielt werden. In der Schweiz wären davon nur wenige Konzerne wie Nestlé, Novartis und Roche betroffen sowie einige Dutzend Schweizer Ableger ausländischer Unternehmen. Die zweite Säule ist eine weltweite Mindeststeuer: Konzerne mit einem Jahresumsatz ab 750 Millionen Euro müssen mindestens 15 Prozent Steuern auf ihre Gewinne zahlen. Zahlt eine ausländische Konzerntochter weniger, muss der Konzern die Differenz im Heimatland nachzahlen. Davon wären einige Hundert Schweizer Konzerne und Tausende Ableger ausländischer Multis betroffen.

Gebremst von der Schweiz

Die offizielle Schweiz hat bei den OECD-Verhandlungen dafür gesorgt, dass die Mindeststeuer nur 15 Prozent beträgt, obwohl die USA ursprünglich 21 Prozent vorgeschlagen hatten. Ganz verhindern konnten die Steuerdumper-Länder – zu denen die Schweiz gehört – die Reform allerdings nicht. Aber sie möglichst im Interesse der betroffenen Multis umsetzen, das konnten sie schon. Und das hat die bürgerliche Parlamentsmehrheit dann auch gemacht. Geschrieben wurde die von ihr durchgesetzte Vorlage im wesentlichen in den Büros der Multis und ihrer Verbände.

Der ausführliche Artikel zum Thema aus dem work-Archiv:

OECD-Steuer: So nicht!

Perfekt ist die OECD-Mindeststeuer nicht. Aber ein Schritt in die richtige Richtung. Ihre geplante Schweizer Um­setzung hingegen ist schlecht und ein Schritt in die falsche Richtung.

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Was rausgekommen ist: Die Mehreinnahmen fliessen zu 75 Prozent an die Kantone und nur zu 25 Prozent an den Bund. Dies begünstigt Tiefsteuerkantone wie Zug und Basel erheblich.

PROFITEURE: Zug und Basel. (Grafik: SP Schweiz)

Gewerkschaften und fortschrittliche Parteien forderten stattdessen eine Fifty-fifty-Aufteilung. Mit gutem Grund: Denn den Kantonen geht es finanziell gut. Sie rechnen sich bei den Budgets grundsätzlich arm, um Anliegen der Bevölkerung als «zu teuer» und «nicht finanzierbar» abzutun. Und schliessen ihre Rechnungen regelmässig mit Milliardengewinnen ab, die sie dann bunkern oder für Steuersenkungen bei den oberen Zehntausend verwenden (mehr dazu in diesem Beitrag).

Keller-Sutter im Schweinsgalopp

Die Gewerkschaften und die fortschrittlichen Parteien ergriffen das Referendum. Doch die Parole «Ein Nein zu dieser Vorlage ist das bessere Ja zur OECD-Mindeststeuer» kam bei den Stimmenden nicht an. Auch deshalb nicht, weil FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter und die bürgerlichen Parteien frech und faktenbiegend behaupteten: Bei einem Nein reiche die Zeit nicht für eine bessere Vorlage, und statt Steuern in der Schweiz zu zahlen, würden die Multis Geld im Ausland zahlen.

ABSTIMMUNGSKAMPAGNE: So bekämpfte der Schweizerische Gewerkschaftsbund die OECD-Steuerreform. (Bild: SGB)

Jetzt hat die Schweiz ihre multifreundliche Version der Mindeststeuer eingeführt. Ebenso die OECD-Regeln eingeführt haben unterdessen gut 50 Länder, darunter alle EU-Länder, Grossbritannien, Japan und Australien. Aber nicht die USA – denn dort ist jetzt Oligarchen-Freund Donald Trump am Ruder.

Trump-Freunde rufen Stop

Und plötzlich tauchen aus den Tiefen der bürgerlichen Fraktionen Figuren auf, die eine Sistierung oder gar Abschaffung der Mindestbesteuerung verlangen. Hans-Peter Portmann zum Beispiel, Zürcher FDP-Nationalrat und Banker im Dienste des Fürsten von Liechtenstein, möchte die OECD-Mindeststeuer Trump devot vor die Füsse legen, um den handelspolitischen Hooligan im Weissen Haus zu besänftigen. Und Elisabeth Schneider-Schneiter, Mitte-Nationalrätin aus dem Baselbiet, unkte vor der Abstimmung ganz im Sinne von Keller-Sutter:

Wir würden (bei einem Nein) substantielles Steuersubstrat verschenken.

Dringend müsse «die Kuh vom Eis». Jetzt tönt sie in den TX-Blättern ganz anders:

Wir müssen die Einführung der OECD-Mindeststeuer umgehend rückgängig machen.

KEHRTWENDE: Nationalrätin Schneider-Schneiter weibelte 2023 für die OECD-Mindeststeuer, jetzt schlägt sie ganz andere Töne an. (Foto: Keystone)

Und Elisabeth Schneider-Schneiter greift ihre ehemalige Sister-in-crime Karin Keller-Sutter an. Diese habe einen «zentralen Fehler» gemacht mit ihrer Tempobolzerei. So wie es die Gewerkschaften immer gesagt haben. Gleichzeitig weibelt die Baselbieterin Schneider-Schneiter für die Stadtbasler Steuervorlage. Diese will die Mehreinnahmen aus der Mindeststeuer gleich wieder an die Multis zurückverteilen.

Wie das genau funktionieren soll, lesen Sie in diesem Artikel:

Von Basel bis Thurgau: Volk soll für Reiche und Konzerne blechen

Seit Jahren verteilen bürgerliche Kantone massiv von unten nach oben um. Am 18. Mai kann das Volk dank gewerkschaftlichen Referenden gleich in mehreren Kantonen die nächsten Steuergeschenke an Reiche und Konzerne stoppen.

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