St. Gallen stimmt über längere Ladenöffnungszeiten ab
Was die Betroffenen denken

FDP und SVP wollen die Ladenöffnungszeiten im Kanton St. Gallen deutlich ausweiten. Weil die Linken gegen diesen Shoppingwahn das Referendum ergriffen haben, stimmt das Volk am 18.  Mai darüber ab. Zwei Verkäuferinnen erklären, wieso ihnen die Vorlage nahegeht. 

RUND UM DIE UHR GEÖFFNET: Die Bürgerlichen wollen, dass Verkäuferinnen und Verkäufer noch länger chrampfen müssen. (Foto: Keystone)

Am 18.  Mai stimmt das St. Galler Stimmvolk (schon wieder) über die Ladenöffnungszeiten ab. Konkret sollen die Läden im Kanton täglich vier Stunden länger offen sein. Dabei sind ähnliche Abstimmungen in den Jahren 1996, 2003 und 2010 an der Urne gescheitert. Doch was die Mehrheit will, scheint die Bürgerlichen nicht zu interessieren. Vergangenen Dezember bremste ein linkes Referendum den Shoppingwahn der Turbolädeler in St. Gallen (work berichtete). Deren Idee lautete: Die Läden im ganzen Kanton sollen unter der Woche von 5 Uhr morgens bis 22 Uhr abends offen sein. Samstags bis 18 Uhr. Von SVP bis Mitte begrüssten die Parlamentsmitglieder dieses Vorhaben unter dem Deckmantel der «Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten».

Mit einem Referendum der Linken wurde dieser Vorschlag vergangenen Dezember abgelehnt. Jetzt entscheidet das St. Galler Stimmvolk Mitte Mai über die Ausdehnung der Ladenöffnungszeiten. Zwei St. Galler Verkäuferinnen erzählen hier, was sie vom Vorhaben der Bürgerlichen denken:

«Muss immer irgendwo ein Laden offen sein?»

Ich habe vor knapp fünf Jahren meine Lehre abgeschlossen und erlebe seither regelmässig, wie die Ladenöffnungszeiten immer wieder angegriffen werden. Wir stimmen hier in St. Gallen nicht das erste Mal über eine Erweiterung ab. Das macht micht hässig! Und es nervt! Im Verkauf zu arbeiten ist ein schöner Beruf, doch er wird gerade mit den Arbeitszeiten immer unattraktiver. Ich kenne es von meinen Berufskolleginnen und -kollegen: Sie suchen sich nach Möglichkeit Arbeitsplätze mit guten Arbeitszeiten. Das ist mittlerweile entscheidend. Ich musste auch schon sonntags arbeiten; gerade wenn sich das Jahr dem Ende zuneigt, gibt es einige Sonntagsverkäufe. Das ist bekanntlich die stressigste Zeit für uns. Aber die Öffnungszeiten generell immer weiter zu erweitern, das verstehe ich nicht. Muss wirklich immer irgendwo, am besten noch während 24 Stunden, ein Laden geöffnet sein? Die Kundschaft konnte es sich doch immer irgendwie einrichten, sich an die Ladenöffnungszeiten zu halten. Ich stimme am 18.  Mai natürlich NEIN. Weil ich mir wünsche, dass mein Beruf attraktiver wird. Und nicht noch das letzte bisschen Wertschätzung verloren geht.


«Anerkennung auf Augenhöhe!»

Ich bin schon 36 Jahre als Vollblutverkäuferin tätig und habe bereits etliche Abstimmungen erlebt, die die Arbeitszeiten für das Verkaufspersonal angreifen. Die Rede ist von Freiheit für die Wirtschaft und die Kundschaft. Aber wo bleibt die Freiheit für das Verkaufspersonal? Im Abstimmungskampf sprechen die Befürworter von neuen Geschäftsmodellen, doch über unsere Arbeit im Verkauf wird kein Wort verloren. Immer häufiger spriessen sogenannte Selbstbedienungsläden aus dem Boden. Sie werden als ‹personalfrei› verkauft. Doch wer putzt den Laden? Wer füllt die Regale auf? Wer schützt den Laden vor Diebstahl? So wird die Arbeit noch unsichtbarer, und das finde ich erniedrigend und beelendend. Ich arbeite im Stadtladen St. Gallen, wo wir als Kollektiv funktionieren. So können wir als Team über unsere Arbeit selbst entscheiden. Die Arbeit ist körperlich sehr anstrengend. Ich arbeite mit einem Pensum von 70 Prozent, mehr ist mir altersbedingt auch nicht möglich. Ich stimme am 18. Mai NEIN, weil alle im Verkauf mehr Anerkennung auf Augenhöhe verdienen. Denn ohne Wertschätzung und faire Arbeitsbedingungen kann dieser Beruf krank machen.

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