Nationalratskommission will 17-Stunden-Tage, Nachtarbeit auf Abruf und bewilligungslose Sonntagsarbeit

Sie sagen: für die im Homeoffice. Und meinen: für alle!

Clemens Studer

Und wieder greifen die Arbeitgeberparteien den Gesundheitsschutz der Arbeitenden an.  Diesmal haben sich die Bürgerlichen nicht einmal die Mühe eines neuen Vorstosses gemacht. Sondern einfach einen alten ausgegraben.

DER URHEBER: Für ihren erneuten Angriff auf das Arbeitsgesetz haben die Bürgerlichen einfach einen alten Vorstoss des heutigen FDP-Präsidenten Thierry Burkart aufgewärmt. (Foto: Keystone)

Wären eingewachsene Zehennägel Objekt der Gesetzgebung, die Arbeitgeberverbände kämen sicher auf die Idee: «Arbeitszeit liberalisieren, damit alle nach eigenen Bedürfnissen und selbstbestimmt zur Podologin können.» Denn es gibt kaum ein Thema, mit dem SVP, FDP, GLP und Mitte nicht über kurz oder lang einen Angriff auf den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmenden lancieren. Obwohl die Schweiz bereits die längsten Arbeitswochen und flexibelsten Arbeitsbedingungen in Europa hat.

Digitalisierung, Firmengründungen, Fachkräftemangel, Einkaufen im Internet, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und selbst die Befürchtung einer Energiemangellage – alles hat schon dazu gedient, Angriffe auf den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmenden zu lancieren. Die Arbeitgeber wollen Nacht- und Sonntagsarbeit ausweiten und die Ladenöffnungszeiten sowieso. Alles natürlich möglichst ohne Lohnzuschläge.

JETZT DAS HOMEOFFICE

Homeoffice hat in den Zeiten der Pandemie ein bisher nicht gekanntes Ausmass angenommen. Und das «Arbeiten zu Hause» bleibt ein Thema. Darum nehmen es jetzt die bürgerlichen Parteien zum Anlass, einen neuen Frontalangriff auf das Arbeitsgesetz zu lancieren. Wobei: So richtig neu ist der Vorstoss nicht, und er hat auch nichts mit den Entwicklungen der letzten Jahre zu tun. Die Wirtschaftskommission (WAK) des Nationalrates hat nämlich einfach einen acht Jahre alten Vorstoss des jetzigen FDP-Präsidenten Thierry Burkart aus der Schublade geholt, mal kurz den Staub weggeblasen und die parlamentarische Initiative zustimmend in den Rat geschickt. Kommt sie durch das Parlament, würde der arbeitsrechtliche Schutz im Homeoffice praktisch abgeschafft.

ALLE BETROFFEN

Angeblich geht es «nur» um die Arbeitnehmenden im Homeoffice. Tatsächlich wären aber alle Arbeitnehmenden betroffen von der drastischen Verschlechterung der Arbeitsbedingungen.

Die bürgerliche WAK-Mehrheit will:

  • Arbeitnehmende (offenbar nicht nur solche im Homeoffice) bis zu 17 Stunden pro Tag arbeiten lassen;
  • gesetzliche Bestimmungen zu Pausen und Ruhezeiten nicht mehr einhalten;
  • dass Arbeitgeber kurzfristig Nachtarbeit anordnen lassen könnten;
  • dass Arbeitgeber ohne Bewilligung und Kontrolle durch die Behörden Sonntagsarbeit im Homeoffice befehlen lassen könnten.

«WILDWESTVERHÄLTNISSE»

Für den Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) ist das inakzeptabel. SGB-Zentralsekretär Luca Cirigliano: «Die Folgen dieses Vorstosses wären Gratisarbeit, Stress und Burnout. Wir werden solche Wildwestverhältnisse bekämpfen!»

Und tatsächlich müsste es in die Gegenrichtung des Burkart-Vorstosses gehen. Denn die Anzahl Arbeitnehmender, die wegen Stress und Vermischung von Arbeit und Freizeit einen Burnout erleiden, steigt dramatisch. Für Cirigliano steht ausser Frage: «Statt Abbau braucht es besseren Schutz für alle Arbeitnehmenden, auch im Homeoffice. Dieser Schutz hat Gesundheits- und Datenschutz, Haftungsfragen sowie die Übernahme der Kosten des Materials zu umfassen.»


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