Monopoly feiert in diesem Januar sein wahres 120-Jahre-Jubiläum

Am Anfang war die Feministin

Clemens Studer

Elisabeth Magie wollte den Boden-Kapitalismus entlarven. Und geriet unter die Räder des Konzern-Kapitalismus. Diesen Monat feiert das von ihr erfundene Spiel unter dem Namen «Monopoly» seinen 120. Geburtstag.

GROSSERFOLG: Monopoly blieb über Jahrzehnte ein beliebtes Gesellschaftsspiel. Auch in den 1950er Jahren – aus dieser Epoche stammt die Aufnahme – gehörte es in jedes Wohnzimmer. (Foto: Getty Images)

Die Geschichte der Sieger geht so: Ein arbeitsloser Mann aus Pennsylvania erfindet 1933 mitten in der Weltwirtschaftskrise in endlosen Stunden in seinem Keller ein Spiel, bei dem jede Frau und jeder Mann mit Immobilienspekulation enorm reich werden kann. So hofft er, ein Auskommen für sich, seine Frau und seine zwei Kinder zu finden. Der Mann heisst Charles Darrow, verkauft sein Patent 1935 an einen Spieleherstellerkonzern und stirbt nach einem glücklichen Leben 1966 enorm reich. Es ist eine durch und durch kapitalistische Schöpfungsgeschichte. Natürlich ist sie falsch.

ORIGINAL: Das Brettspiel «Landlord’s Game» ist das Ur-Monopoly. Es wurde leicht angepasst und unter neuem Namen auf den Markt gebracht. (Foto: Wikipedia)

DIE ERFINDERIN

Die richtige Geschichte geht ein bisschen länger und beginnt so: Zu Beginn der 1920er Jahre erfindet Elizabeth «Lizzie» Magie ein Spiel. Magie ist Stenotypistin, Feministin und Anti-Monopol-Kämpferin. Sie meldet ihr Spiel «The Landlord’s Game» («Das Spiel des Hausbesitzers») im Frühjahr 1903 zum Patent an. Wobei ihr empfohlen wird, das Patent doch besser nicht als Frau anzumelden, es würde sonst nicht ernst genommen. Lizzie beharrt jedoch – und bekommt am Dienstag, 4. Januar 1924, ihr Patent. Es trägt die Nummer 748 626. Und es sollte ihr zeit ihres Lebens – sie starb 1948 – ganze 500 Dollar einbringen.

Im «Landlord’s Game» pachteten und erwarben die Spielenden Grundstücke, handelten mit ihnen, nahmen Hypotheken auf und zahlten Steuern und andere Abgaben. Sieger wurde, wer das grösste Vermögen anhäufte und dabei seine Mitspielenden in den Ruin trieb. Und es gab eine zweite Variante: Da bezahlten die Spielerinnen und Spieler in einen gemeinsamen Topf die Bodenrente – und wurden gemeinsam wohlhabender. Die zweite Variante interessierte den Spielekonzern Parker Brothers noch weniger als die erste. Aber sie war näher am Ziel von Lizzie Magie. Denn sie hatte eine Mission. Gesellschaftsspiele waren damals ein «Massenmedium». Darum wollte Magie mit einem Spiel die Ideen des politischen US-Ökonomen Henry George unter die Leute bringen.

GEORGE UND MARX

Henry George (1839–1897) war ein US-Sozialphilosoph und Ökonom, der mit einer Steuer auf dem «unverbesserten Wert» des Landes der Monopolisierung des Bodens entgegenwirken und damit den Wohlstand gerechter verteilen wollte. Seine Überlegungen: Land lässt sich nicht vermehren. Sein Wert steigt durch Leistungen der Gemeinschaft und des Staates. Jedoch schöpfen private Grundeigentümer die Bodenrente ab und vermehren so ohne eigenes Zutun ihr Vermögen. Würde hingegen der Staat die Bodenrente abschöpfen, könnte er daraus alle staatlichen Leistungen finanzieren. Am Privateigentum an Produktionsmitteln wollte George allerdings auf keinen Fall rütteln. Entsprechend wenig hielt er vom Sozialismus im allgemeinen und von Karl Marx im besonderen. Was durchaus auf Gegenseitigkeit beruhte.

DER HEIZUNGSVERTRETER

«The Landlord’s Game» verbreitet sich in den ­folgenden Jahrzehnten in linksliberalen Kreisen. Es entstanden etliche Adaptionen, vor allem, was die Strassennamen betraf. Doch der kommerzielle Durchbruch blieb aus. Das änderte sich 1934, als der arbeitslose Heizungsverkäufer Charles Darrow seine Variante patentieren liess und in einer kleinen Auflage in einem Warenhaus in Philadelphia zum Verkauf anbot. Darrows Beitrag bestand darin, das Wachstuch des Spielbrettes durch Karton zu ersetzen, das Wort «Monopoly» auf das Spielbrett zu schrei­ben und einen Grafiker den Schnurrbart-Kapitalisten zeichnen zu lassen. Als Vorbild diente dafür der Legende nach der deutsch-britische Bankier Otto Hermann Kahn, der in den 1920er Jahren zu den bekanntesten Persönlichkeiten der USA gehörte.

DER KONZERN

Die kleine erste Auflage von Monopoly verkaufte sich gut. Und die Parker Brothers fanden das Spiel jetzt doch interessant. Sie bezahlten Plagiator Darrow 7000 Dollar und sagten ihm eine Erfolgsbeteiligung zu. Parker Brothers stiegen mit Monopoly in das Weihnachtsgeschäft 1935 ein. Und die Verkaufszahlen gingen durch die Decke. Pro Woche wurden im ersten Jahr 35 000 Spiele verkauft. Preis: 2 Dollar. Dafür bekam man auch 50 Kilogramm Kartoffeln. Heute gehört Monopoly zum US-Konzern Hasbro. Dieser bietet Monopoly in unzähligen Varianten an. Eine Schweizer Ausgabe gibt es seit 1940.

GERECHTIGKEIT FÜR LIZZY

Ein bisschen unwohl war es den Parker Brothers beim Geschäft mit Darrow wohl schon. Auf jeden Fall kauften sie 1935 der unterdessen siebzigjährigen Lizzie Magie das Patent für «The Landlord’s Game» doch noch ab. Für mickrige 500 Dollar.

Wenn heute wieder mehr Menschen die wahre Geschichte hinter Monopoly kennen, ist dies – eine List der Geschichte – der Profitgier des Spielekonzerns geschuldet. Der verklagte nämlich in den 1970er Jahren den US-Wirtschaftsprofessor Ralph Anspach wegen Patentverletzung, weil er ein «Anti-Monopoly» herausgegeben hatte. Ans­pach gab allerdings nicht klein bei – und überführte die Parker Brothers in einem jahrelangen juristischen Tauziehen des Patentklaus an Lizzie Magie. Doch wie es eben so ist: Geschichte wird von den Siegern geschrieben. Und so feiert Hasbro denn auch den kommenden 19. März als Monopoly-Geburtstag. Es ist das Datum, an dem Parker Brothers das Patent von Plagiator Darrow kaufte.

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