Missbräuchliche Kündigungen

Wirtschaftsminister Parmelin lässt Arbeitnehmende fallen

Anne-Sophie Zbinden

Seit über zwanzig Jahren weigern sich die Arbeitgeber stur, den fehlenden Schutz für Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter zu verbessern. Jetzt ist die Einführung von Mindeststandards erneut gescheitert. Deshalb bereiten die Gewerkschaften eine Initiative für mehr Kündigungsschutz vor.

MEDIATION GESCHEITERT: Bundesrat Guy Parmelin (SVP) pfeift auf den Kündigungsschutz. (Foto: Keystone)

Es war ein vergiftetes Geschenk, das der Bundesrat in seiner letzten Sitzung vor Weihnachten den Lohnabhängigen in der Schweiz überbrachte: Der Kündigungsschutz soll nicht an internationale Mindeststandards angepasst werden. Offiziell heisst es zwar, Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP) habe die Mediation über die missbräuchliche Kündigung von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern «vorläufig sistiert». Faktisch bedeutet dies aber: Die Mediation ist gescheitert.     

Unia-Präsidentin Vania Alleva sagt: «Das Scheitern ist auf die unverantwortliche Haltung des Arbeitgeberverbandes und die Mutlosigkeit des Bundesrates zurückzuführen. Es ist skandalös, dass sie den Schutz der Arbeitnehmenden vor missbräuchlicher Kündigung nicht einmal auf das international anerkannte Minimum heben wollen.» Deshalb werden die Gewerkschaften rasch eine Volksinitiative ausarbeiten.

EINFACH SCHASSEN 

Seit über zwanzig Jahren weigern sich die Arbeitgeber stur, den fehlenden Schutz für gewerkschaftlich aktive Arbeitnehmende zu verbessern. So stur, dass der Gewerkschaftsbund 2003 eine Klage deponierte. Die Schweiz hat zwar die entsprechende Konvention Nr. 98 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ratifiziert, setzt sie aber nicht um. Das geht auf Dauer nicht. Deshalb setzte die ILO die Schweiz 2019 auf eine Schwarze Liste, weil sie die Arbeitnehmerrechte nur ungenügend schützt.   

Zum Beispiel beim Detailhändler Manor, wo die Verkäuferin Marisa Pralong entlassen wurde. Oder beim Medienkonzern Tamedia (heute TX Group), der den Journalisten Daniel Suter vor die Tür gestellt hatte.

Oder in der Uhrenfabrik Dubois & Dépraz, die den Uhrmacher Mickael Béday fristlos auf die Strasse stellte. Sein «Vergehen»: Er hatte sich dafür eingesetzt, dass der GAV eingehalten wird.

SKANDALÖS: Uhrmacher Mickael Béday wollte eine Betriebskommission auf die Beine stellen – und wurde entlassen. (Foto: Keystone)

 

Oder beim Päcklidienst DPD, der vier Fahrer schasste, weil sie eine Kampagne für bessere Jobs lanciert hatten.

Die DPD hat im Tessin vier Fahrer geschasst, weil sie sich gewerkschaftlich organisiert hatten. (Foto: Keystone)

 

Die Gerichte segnen viele dieser unfairen Rausschmisse ab. Das liegt am dürftigen Arbeitnehmerschutz im Schweizer Obligationenrecht (OR): Wenn ein Chef missbräuchlich kündigt, zahlt er in der Regel nur zwei bis drei Monatslöhne, maximal sechs. Und die Sache ist erledigt. Dieser zu schwache Schutz muss verbessert werden, sagt die ILO und fordert einen wirksamen Schutz von Vertrauensleuten der Gewerkschaften in den Betriebskommissionen, aber auch in den betrieblichen Pensionskassen.  

Der schwache Kündigungsschutz ist auch für Arbeitnehmende in verletzlichen Situationen unhaltbar: Personen, die krankheitsbedingt ausfallen, Frauen während der Schwangerschaft oder nach der Geburt und ältere Arbeitnehmende sind besonders oft von unfairen und missbräuchlichen Kündigungen betroffen.  

Pikant: Die ILO hat die Schweiz nur deshalb von der Schwarzen Liste der 40 bedenklichsten Fälle von Verletzungen der ILO-Konventionen gestrichen, weil sie in die Mediation eingewilligt hat. Kommt die Schweiz jetzt wieder auf die Schwarze Liste? work bleibt dran. 

 

 


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