Rechts blinken, links abbiegen
Die Schweiz wählt mehrheitlich rechts. Das zeigt sich an der mal mehr, mal weniger deutlichen rechtsbürgerlichen Mehrheit im Bundesparlament. Und wenn immer mal wieder das «linke Parlament da oben in...
Nervosität beruhigen, Panik verhindern, Vertrauen zurückgewinnen, Zuversicht vermitteln, freie Entfaltung zulassen. Was nach der Beschwichtigung trotziger Kinder klingt, ist der Jargon, mit dem die Finanzwelt über ihre Märkte spricht. Und sich damit gleich selbst demontiert. Denn diese Aussagen stehen im krassen Widerspruch zur traditionellen Sichtweise der Finanzmärkte: Nach der klassischen Theorie über die Kapitalmärkte kann es gar keine nervösen Märkte geben, weil der Markt ja vom Homo oeconomicus dominiert wird, vom stets logisch handelnden Menschen, der immer nach dem maximalen Nutzen strebt.
Regieren per Notrecht gehört seit 100 Jahren zum bürgerlichen Staatsverständnis.
GÖTTER. Seit Jahrzehnten wird zwar auch in den Wirtschaftswissenschaften Kritik an dieser Sichtweise geübt – aber offenbar nur mit mässigem Erfolg. Stattdessen erscheinen die «Märkte» als von menschlichem Handeln losgelöste Götter, die es zu besänftigen gilt. Notfalls auch per Aushebelung der Demokratie. Und dies nicht erst seit dem Untergang der Credit Suisse. Denn das Regieren per Notrecht gehöre angesichts grosser Finanzkrisen seit bald 100 Jahren zum Staatsverständnis der bürgerlichen Politik, schreibt Philipp Müller in seiner historischen Einordnung des jüngsten Bankenfiaskos. Und er widerlegt die reine liberale Lehre anhand der bürgerlichen Parteien, die staatliche Eingriffe immer ablehnen – ausser sie dienen direkt den Interessen des Kapitals.
LINDENPLATZ. Dass zu viel Marktgläubigkeit widerspruchsblind macht, zeigt auch der Banker, den work auf dem Zürcher Paradeplatz trifft. Obwohl er selbst keine 23 Franken 90 pro Stunde verdient, ist er gegen einen städtischen Mindestlohn, über den die Zürcherinnen und Zürcher im Juni abstimmen. Er arbeite bei einem Vermögensverwalter, da sei er «quasi selbständig, am Anfang verdient man fast nichts». Aber er habe vorgesorgt, und wer zu wenig verdiene, solle halt die Stelle wechseln. So einfach klingt das am Paradeplatz. Am Lindenplatz in Altstetten tönt’s etwas anders. Die drei Büezer mussten sich mit Löhnen weit unter 23 Franken 90 durchschlagen, und finden deshalb: «Egal, welchen Job du hast: Der Lohn soll zum Leben reichen. Auch hier in der Stadt!»
FEHL AM PLATZ. Auf dem Land wiederum geht’s hoch zu und her. In Widnau SG macht SVP-Programmchefin Esther Friedli Wahlkampf, mit Schwyzerörgeli und SVP-Prominenz. Friedli will im Ständerat den Sitz von Gewerkschafter und SP-Mann Paul Rechsteiner übernehmen. Ausgerechnet! Sie, das nette Gesicht der Partei, aber stramm auf Sozialabbau-Kurs. Friedli stimmte für die Aushebelung kantonaler Mindestlöhne, für Steuergeschenke an Konzerne und für den leichteren Rauswurf von Mietenden bei «Eigenbedarf». Sie war gegen eine Deckelung der Krankenkassenprämien, gegen die Pflegeinitiative, gegen eine 13. AHV-Rente und sogar gegen den AHV-Teuerungsausgleich. Gopf Friedli!