Rechts blinken, links abbiegen
Die Schweiz wählt mehrheitlich rechts. Das zeigt sich an der mal mehr, mal weniger deutlichen rechtsbürgerlichen Mehrheit im Bundesparlament. Und wenn immer mal wieder das «linke Parlament da oben in...
Ein Foto in Schwarzweiss: ein langer Tresen mit Kisten und Kistchen, gefüllt mit Weihnachtskugeln, strassverzierte Weihnachtsbaumspitzen am Laufmeter, Glitzerfäden überall. Vor dem Verkaufstisch steht eine Kundin. Sie trägt ein kokettes Hütchen mit Netz vor dem feinen Gesicht, einen schicken Mantel im Leopardenmuster, die schwarze Handtasche eingeklemmt unter dem Arm. Eine Hand steckt im Lederhandschuh, die andere hält einen glänzenden Tannenzapfen. Diesen streckt sie der Verkäuferin entgegen, der Gesichtsausdruck skeptisch, eine Spur herablassend. Die Verkäuferin, in feinkarierter Bluse und Strickjacke, hält ebenfalls einen dieser glitzernden Zapfen, der Blick gesenkt, leicht vornübergeneigt, leicht devot.
Heute sind die Verkäuferinnen selbstbewusster. Sie haben Mut, Verve und Ausdauer.
PROFITGIER. Das Bild stammt aus dem Kaufhaus Jelmoli, aufgenommen 1940, in einer Zeit, in der die Kundinnen veritable Königinnen waren und die Verkäuferinnen stets zu Diensten. Das Traditionshaus wurde 1833 vom Italiener Giovanni Pietro Guglielmoli – eingeschweizert Jelmoli – gegründet. Sein Erfolgsrezept: Kein Feilschen mehr, sondern fixe Preise. Und der Versandhandel: Der legendäre Jelmoli-Katalog beglückte später über Jahrzehnte hinweg die Schweizer Haushalte. Jetzt schliesst das Kaufhaus seine Glastüren für immer, und 850 Menschen verlieren ihren Job. Jelmoli fällt der Profitgier des Immobilienkonzerns Swiss Prime Site zum Opfer. Und nicht etwa den fehlenden Sonntagsverkäufen, wie von bürgerlicher Seite re-
flexartig behauptet wird.
Bereits 2016 ereilte das Modehaus Vögele das gleiche Schicksal. 1955 vom Autorennfahrer Charles Vögele gegründet, wird Vögele bald zu einer der grössten Kleiderketten in Europa, mit 8000 Mitarbeitenden in 800 Filialen. Doch ab 2010 geht’s abwärts. 2016 kauft der italienische Kleiderkonzern OVS Vögele für läppische 56 Millionen Franken. Trotz Konkurrenz durch den Online-Handel verspricht sich OVS-Chef Stefano Beraldo satte Gewinne. Eine katastrophale Fehleinschätzung. Bereits zwei Jahre später lässt er Vögele Konkurs gehen, 1180 Mitarbeitende verlieren ihren Job. Zunächst ohne Sozialplan. Es ist die grösste Massenentlassung in der Geschichte des Schweizer Detailhandels.
NEI! Doch diese ist nicht nur düster und schwarzweiss. Die heutigen Bilder sind farbig bis bewegt. Die Verkäuferinnen selbstbewusster, auch ohne kokette Hütchen und Leopardenfell, dafür mit Mut, Verve und Ausdauer. So erkämpften Zorana Jovanovic (64) und Susanna Isler (64) für sich und die anderen 1178 OVS-Entlassenen eine hundertprozentige Lohnentschädigung. Und unsere neue work-Kolumnistin, Verkäuferin Laura Gonzalez Martinez (39), wehrt sich gegen die nie enden wollende To-do-Liste und sagt ihrer Chefin klipp und klar: «Nei, das liit jetzt nüm drin.»