Warenhaus-Ikone Jelmoli muss schliessen – weil Besitzerin mehr Rendite will

27 Millionen Miete waren nicht genug

Christian Egg

Fertig mit Beauty, Bijouterie und Bettwaren, jetzt kommen Büros. Das ist das Ende von Jelmoli, dem ältesten Warenhaus der Schweiz. Die 850 Mitarbeitenden müssen eine neue Stelle suchen.

Jelmoli hatte keinen Aufwand gescheut. Das Parterre des sechsstöckigen Warenhauses wurde zum Festsaal, geschmückt mit weissen Orchideen. 500 Gäste schlürften Champagner und futterten Edel-Häppchen, es gab eine Opernaufführung und eine Modeschau. Das war 2008. Das Traditionshaus an der teuren Bahnhofstrasse feierte sein 175jähriges Bestehen.

Ein 200-Jahr-Jubiläum wird es nicht geben. Jelmoli schliesst auf Ende nächsten Jahres. Alle 850 Arbeitsplätze verschwinden. Entschieden hat das die Besitzerin: die grösste ­börsenkotierte Immobilienfirma der Schweiz, Swiss Prime Site (siehe Box).

Damit verschwindet eine Ikone. 1833 von einem italienischen Einwanderer gegründet, revolutionierte Jelmoli das Einkaufen: Es galten fixe Preise, auf Wunsch wurden die Kleider nach Hause geliefert. 1899 wurde in Zürich der Glaspalast eröffnet, der bis heute steht: das erste Warenhaus der Schweiz.

Swiss Prime Site: 770 Millionen Franken Gewinn

Drei Tage nachdem sie Jelmoli den Stecker gezogen hatte, gab die Swiss Prime Site bekannt: Im letzten Jahr machte sie 770 Millionen Franken Gewinn. Sie schlägt vor, die Divi­dende an die Aktionärinnen und Aktio­näre zu erhöhen. Das Wahr­zeichen der Firma ist das Hochhaus Prime Tower in Zürich. Das wert­vollste Stück im dicken Immobilien-Portfolio (total 13 Milliarden Franken) ist aber das Jelmoli-Haus an der Bahnhof­strasse mit 825 Millionen Franken. Die grössten Eigentümer der Firma kommen aus der Finanz­industrie: Dem US-Hedgefund Black Rock ge­hören knapp 10 Prozent von Swiss Prime Site, der Credit Suisse 8 und der UBS 4,5 Prozent.

IMMO-FIRMA GREIFT ZU

Nach vielen Besitzerwechseln (darunter die Verlegerfamilie Ringier, die heutige Credit Suisse und der Unternehmer Walter Fust) griff 2009 die Swiss Prime Site zu und kaufte Jelmoli. Da hatte die Firma ihre besten Zeiten schon hinter sich und alle Standorte, es waren mal über 200, geschlossen – ausser dem Zürcher Glaspalast. Sie besass aber noch Liegenschaften im Wert von vier Milliarden Franken, viele an guten Lagen. Das war es, was die Swiss Prime Site wollte. Der Betrieb des Warenhauses war nur Beifang.

Den die Swiss Prime Site nun über Bord wirft. Sie habe vergeblich einen Käufer gesucht, der den Betrieb – nicht aber das Gebäude – übernehmen wolle, so die Firma in einer Mitteilung. Nun will sie das Jelmoli-Haus umbauen. Danach soll es nur noch im Erd- und im Untergeschoss Läden geben, im Rest dagegen Büros. Diese sollen höhere Mieten abwerfen.

Swiss-Prime-CEO René Zahnd stellt in Interviews das Jelmoli-Ende als unausweichlich dar: Ein so grosses Warenhaus «lässt sich heutzutage einfach nicht mehr rentabel betreiben».

Doch so einfach ist das nicht. Denn bis 2003 schrieb Jelmoli durchaus Gewinn. Und lieferte dem Eigentümer Walter Fust 5 bis 7 Prozent des Umsatzes ab – eine «marktgerechte Miete», wie sich der damalige CEO ­Peter Leumann gegenüber der «Sonntagszeitung» erinnert. Heute dagegen zahlt Jelmoli jedes Jahr 27 Millionen Franken Miete an die Swiss Prime Site. Das sind 11 Prozent des Umsatzes. So viel sei für ein Warenhaus nicht tragbar, kritisiert Leumann.

SONNTAGS GESCHLOSSEN

Bei einigen rechten Ideologen triggerte die Nachricht den erwartbaren Reflex: Es brauche längere Öffnungszeiten! Die NZZ verwies in einem ausführlichen Kommentar auf berühmte Warenhäuser wie etwa «in Berlin das KaDeWe oder in London das Harrod’s». Das seien «Touristenattraktionen». Und weiter: «Das geht allerdings nur, wenn man seinen Laden dann öffnen darf, wenn die Touristen da sind.» Also auch jeden Sonntag. Dumm nur: Die Ladenöffnungszeiten waren aus Sicht der Swiss Prime Site, wie erwähnt, nicht das Problem. Und das KaDeWe in Berlin hat am Sonntag zu.

Wer work liest, weiss: Es hat die Deregulierungs-Turbos schon immer wenig gekümmert, ob ihre Argumente stichhaltig sind. Beispielhaft zeigte sich das in der Coronazeit – da mutierten die Begründungen für das immergleiche Rezept schneller als das Virus (nachzulesen unter: rebrand.ly/turbos).

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