Editorial

Rösstli auf dem Energiekarussell

Anne-Sophie Zbinden

Anne-Sophie Zbinden, Chefredaktorin

Auch Neo-Bundesrat Albert Rösti (SVP) durfte am Treffen der Reichen und Mächtigen in ­Davos dabei sein. Doch es lief nicht wie geschmiert: Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck benannte ihn kurzerhand um zu «Kollege Rösstli». Auch der Gasdeal mit Deutschland ging bachab. Wobei der Umweltminister ­Wasser nicht scheut, ist er doch auf der Website der Wasserkraftlobby (SWV) noch immer als ihr Präsident aufgeführt. Er war auch Präsident der Heizöllobby Swissoil, dazu jahrelang Atomlobbyist. Bis zu 16 Mandate brachte er unter einen Hut. Für weniger reich behutete eine schwindelerregende Anzahl von Rösstli-Drehungen.

Wenn es um trümmlige Wendungen geht, ist auf Röstis Parteikollege Christian Imark Verlass. Seine Antwort auf die Energiekrise: «Schweizer Erdgas fördern!» Seit den 1950er Jahren taucht diese Idee immer wieder auf, mit steigender Absurdität. Geologisch betrachtet ist es relativ einfach: Ja, das schweizerische Mittelland erfüllt alle Voraussetzungen für Erdöl- oder Erdgasvorkommen. Aber nein, wir wissen nicht genau, wie gross die Vorkommen sind. Bei Probebohrungen stiess man zwar immer wieder auf Gas und Öl. Doch einzig im luzernischen Entlebuch wurde in den 1980er Jahren in sehr bescheidenen Mengen Erdgas gefördert. Politisch ist die Sache etwas komplizierter.

Für trümmlige Wendungen ist auf die SVP Verlass.

LEGENDEN. In den 1950er Jahren wurden die Kantone regelrecht überschwemmt von Konzessionsgesuchen der Ölmultis, allen voran von Shell. Damals wie heute liessen diese Konzerne keinen Fleck der Welt aus, um nach fossilen Brennstoffen zu suchen. Bundesrat Max Petitpierre (FDP) sah diesen Run auf Schweizer Konzessionen skeptisch. Unter dem Eindruck des Kalten Krieges war er der Meinung, dass nur schon eine «Legende über Erdölvorkommen» die Schweiz gefährde, denn dadurch würde das Land eine «neue Bedeutung in der strategischen Planung der Grossmächte er­halten». Die Suezkrise von 1956 führte der Schweiz jedoch ihre Abhängigkeit von Öl­importen vor Augen. Das schmälerte die Vor­behalte gegenüber der heimatlichen Öl- und Gassuche erheblich.

ZAUBERHUT. Nach wie vor lehnte der Bundesrat jedoch eine Zusammenarbeit mit den Ölmultis ab. Er sah die Schweizer Neutralität und Unabhängigkeit in Gefahr. Die Wirtschaftsvertreter brachten die gleichen Argumente vor, fürchteten jedoch hauptsächlich um ihre Gewinne. An den Widersprüchen schien sich aber niemand zu stören: Erstens war in der Schweiz niemand bereit, in dieses Risikogeschäft zu investieren. Zweitens war die Schweiz bei den Erdölimporten zu hundert Prozent von genau diesen Ölmultis abhängig. Und selbst als längst bekannt war, dass unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen auch für das Klima ein Desaster ist, liess sich immer wieder ein «Imark» finden, der die Idee des Schweizer Erdöls oder Erdgases aus dem Hut zauberte.

Zum Glück sind wir doch schon etwas weiter: Schweizerinnen und Schweizer haben 2022 ein zusätzliches Gigawatt Solarenergie installiert, schreibt der «Blick». Das entspricht der Leistung des AKW Gösgen. Oder sie entwickeln Technologien für Geothermie-Bohrungen ohne Erdbeben. Damit lassen sie Imark mit seinem Schweizer Gas und Rösti auf seinem Energiekarussell links liegen.

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