Rosa Zukunft ‒ Technik, Umwelt, Politik

Dürfen wir bald wieder heiss duschen? Alleine und beliebig lange?

Bisher mussten Geothermie-Bohrungen hierzulande immer wieder abgebrochen werden. Jetzt glauben Innerschweizer  Ingenieure, die Lösung für die Zukunft gefunden zu haben.  Drücken wir ihnen die Daumen!

ERDWÄRME NUTZEN: Mit dem Hammerdrum-System sollen Geothermiebohrungen auch in Städten möglich sein und nur wenige Hunderttausend Franken kosten. (Foto: PD)

Beim Bau des Simplontunnels zu Beginn des 20. Jahrhunderts stiegen die Temperaturen im Innern des Berges massiv. Der Grund: Die Überdeckung betrug bis zu 2000 Meter. Und pro hundert Meter steigt die Felstemperatur durchschnittlich um 3 Grad an.

Die Zustände im Tunnel waren für die Arbeiter unerträglich. Und dies trotz kaltem Wasser, das den Tunnel kühlen sollte. Es kam zu Wassereinbrüchen mit mehr als 55 Grad heissen Quellen.

Inzwischen haben die Wasser des Naturparks «Alpe Veglia» in Oberitalien den Berg auskühlen lassen. Von unten wärmt die Mutter Erde den Berg, und von oben kühlen ihn die Wasser der Gletscher. Dank diesem künst­lichen Gleichgewicht ist der Fels in der Mitte des einst längsten Eisenbahntunnels der Welt «nur» 30 Grad warm.

RIESIGES POTENTIAL. 99 Prozent der Masse unserer Erde sind mehr als 1000 Grad heiss. Wir leben auf einer Erdkruste. Diese ist verdammt dünn. Darunter brodelt und zischt es Tag und Nacht.

Heizen sollte daher eigentlich kein Problem sein, wenn es uns gelänge, einen Mini-Pfupfi-Teil dieser Erdwärme zu nutzen. Bislang sind in der Schweiz jedoch alle Ver­suche, diese Energiequelle zu erschliessen, gescheitert. Grossprojekte mussten abgebrochen und Millionen von Franken abgeschrieben werden. Diese Fehlschläge waren frustrierend, haben jedoch wichtige Erkenntnisse für künftige Projekte geliefert. Denn das Potential der Geothermie bleibt unbestritten riesig. Die Entwicklung von neuen Technologien in diesem Bereich sind sinnvoll und zentral für die Schweiz, um CO2-neutral zu werden.

Nicola Nyffeler ist Ingenieur. Oliver Rau ist Betriebswirtschafter. Mit ihrer Firma Hammerdrum wollen sie die Schlüsseltechnologie für die Geothermie entwickeln. Es handelt sich um ein komplett neues Bohrverfahren. Mit dem Ziel, kostengünstig und platzsparend den Untergrund erschliessen zu können. Die Vorteile ihres in Entwicklung begriffenen Systems:

Vorteil 1: Wer bohrt, braucht nicht mehr einen Bauplatz von 5000 Qua­dratmetern. Eine Fläche von 25 Qua­dratmetern reicht aus. Auch in dichtbesiedeltem Gebiet können wir so in die Tiefe bohren.

Vorteil 2: Ihre Tiefenbohr-Fräs­maschine funktioniert vollautomatisch. Nirgends ist das wichtiger als in der Schweiz, weil wir nämlich einen Facharbeitermangel haben.

Vorteil 3: In einer Röhre lässt man das Wasser nach unten strömen. Bis es in 3000 Metern Tiefe 70 Grad warm ist. Und in einer isolierten Röhre wird das erwärmte Wasser dann mit wenig Pumpaufwand nach oben gepresst. Der geschlossene Kreislauf löst keine Erdbeben aus und lässt die Grund­wasserströme in Ruhe.

Vorteil 4: Das Hammerdrum-System soll bei jedem Untergrund funktionieren. Weil überall in der Schweiz und bei jedem Untergrund die Temperatur des Erdreiches pro hundert Meter zusätzlicher Tiefe um durchschnittlich 3 Grad zunimmt.

Vorteil 5: Eine Bohrung soll nur wenige Hunderttausend Franken kosten. Es gibt in der Schweiz eine halbe Million Gebäude, die wir so versorgen könnten. Das System braucht absehbar pro 100 Kilowattstunden Winterwärme nur 8 Kilowattstunden Winterstrom. Seine Jahresarbeitszahl wäre ökologisch und ökonomisch betrachtet unschlagbar.

Obwohl das Verfahren und die dazugehörige Hardware bereits patentiert sind, wollen die «Hammer-Drummer» noch nicht alle Katzen aus dem Sack lassen. Mit ihrer Idee hat das Jungunternehmen aber schon mehrere Start-up-Preise in der Innerschweiz gewonnen. Wir bleiben dran.

Foto: PD

Links zum Thema:

  • rebrand.ly/hammerdrum
    Es lohnt sich, die Homepage dieses Start-up im Detail zu studieren. Wenn sie recht bekommen, dann brauchen wir viel weniger Winterstrom als bisher angenommen.
  • rebrand.ly/fehlschlag
    Vor gut drei Monaten berichtete das «Baublatt» über ein aktuelles Bohrprojekt in Lavey-les-Bains: «Die Temperatur am Grund des Bohrlochs sei zwar vorhanden und liege über den Erwartungen, aber aufgrund der fehlenden Verbindungen zu potentiellen Wasserquellen könne kein Strom erzeugt werden, teilte das Unternehmen Alpine Geothermal Power Production (AGEPP) am Montag mit.» Das kann den Hammer-Drummern nicht passieren.

 

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