Crypto-Skandal-Bericht: Die Aufklärung, die keine ist

Die Weisswäscher von der «Aufsicht»

Clemens Studer

Die Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments hat im Crypto-Skandal geliefert wie bestellt: Sie entlastet die alten kalten Krieger. Glaubwürdig ist das nicht, dafür erhellend.

CODIERT: Bei den Chiffriermaschinen der Crypto AG lasen die US-Geheimdienste mit. Die Politik wusste und duldete dies. (Screenshot Tele M1)

Darum geht’s: Die Zuger Crypto AG verkaufte Chiffriergeräte mit einer «Hintertür». US-Geheimdienste und der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) lasen mit. Und besassen die Firma gar – über eine Briefkastenfirma in Liechtenstein. Die «Hintertür» der Crypto-Geräte bestand aus absichtlich in den ­Verschlüsselungs-Algorithmus eingebauten Schwachstellen. Das machte die vermeintlich sicher verschlüsselten Texte für die Geheimdienste CIA und BND offen lesbar. Und die Schweizer Behörden und auch Bundesräte waren spätestens ab 1977 über die Vorgänge informiert. All das steht in den sogenannten Cryptoleaks-Papieren. Mehrere Tausend Dokumente, die dem deutschen Recherchejournalisten Peter F. Müller zugespielt wurden. Er hat sie für das ZDF ausgewertet und sie mit der SRF-Rundschau und der «Washington Post» ­geteilt. Und im Februar publik gemacht. Bereits 2015 hatte der Journalist und Geheimdienstexperte Frank Garbely im Oberwalliser Oppositionsmagazin «Rote Anneliese» den Fall bis in die heute aktuellen Verästelungen dargestellt.

Auch Teflon-FDP-Mann Kaspar Villiger wird rein­gewaschen,
eigentlich ein Skandal!

WAS DANN GESCHAH: Nach den Enthüllungen vom Februar war die Sache nicht weiter zu verheimlichen. So wie das in den Jahrzehnten davor immer wieder gelang. Parteien von links bis rechts verlangten jetzt Aufklärung. Sogar eine parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) stand im Raum. Auch FDP-Präsidentin Petra Gössi zeigte sich dafür offen. Bis sie offenbar gewahr wurde, dass die zentralen «üblichen Verdächtigen» in der Crypto-Affäre zu ihrer Partei gehören: Ex-Bundesrat Kaspar Villiger. Ex-Nationalrat Georg Stucky. Ex-Geheimdienstchef Peter Regli. Alle auch aus anderen Skandalen bekannten Mitglieder des militärisch-industriellen Komplexes der Schweiz, also der engen Verflechtung von Militärapparat, Rüstungsindustrie, staatlicher Verwaltung und Politik. Darum war schon bald keine Rede mehr von einer PUK. Einzig die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) sollte sich mit dem Crypto-Skandal beschäftigen. Also ausgerechnet jene Geheimdienst-«Aufsicht», die nie etwas gemerkt hat. Und wohl vor allem: nichts merken wollte. Weil sie Teil des Systems war und ist. Als eine der ersten Amtshandlungen entzog die GPDel dem vom Bundesrat zur Aufarbeitung eingesetzten Alt-Bundesrichter Niklaus Oberholzer die Ermittlungsermächtigung. Um ihn danach als Mitarbeiter wieder zu mandatieren. Folge: Der Bericht des erfahrenen Sumpfaufklärers bleibt geheim.

WAS JETZT GESCHEHEN IST: Die GPDel hat geliefert wie bestellt. Ein dünnes Berichtli, das eigentlich alles bestätigt, was über Jahrzehnte enthüllt wurde – zum Beispiel auch von der oppositionellen Linken im Kanton Zug. Und das alles gesundbetet:

  • verschwundene Akten,
  • vernichtete Akten,
  • Mitwisser- und Mittäterschaft der Schweizer Geheimdienste,
  • Mitwisserschaft der Politik,
  • sabotierte Aufklärung während Jahrzehnten und so weiter und so fort.

Und selbstverständlich wird Teflon-Mann Villiger ebenfalls reingewaschen. Eigentlich ein Skandal! Kritik übt die GPDel dafür ausgerechnet am wackeren Weinbauern und SVP-Volkswirtschaftsminister Guy Parmelin. Er hatte der Crypto-Nachfolgefirma die Ausfuhrerlaubnis für ihre Geräte entzogen. Kritisiert wird auch die aktuelle VBS-Chefin ­Viola Amherd. Die hat offensichtlich ein bisschen zu viel auf ihre Schlapphüte gehört. Aber, und das dürfte wohl eher der nicht ausgesprochene Grund für die ­GPDel-Schelte sein: Amherd hatte bereits am 17. Dezember 2019 den Bundesrat darüber informiert, dass man in ihrem Departement in einem alten Archiv Unterlagen zur Crypto AG gefunden habe. Diese wiesen darauf hin, «dass der ehemalige EMD-Vorsteher K. Villiger informiert war». Das gleiche steht auch im geleakten CIA-Papier zur Crypto: «Villiger wusste, wem die Firma gehört.» Nur die GPDel findet da nichts.

WAS JETZT GESCHEHEN WIRD: Nichts. Denn der militärisch-­industrielle Komplex hat die Schweiz auch im Jahr 2020 noch ziemlich gut im Griff. Die Forderungen von links nach einer PUK werden wirkungslos verhallen.

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