Vorbestrafter Gewerkschaftsfeind & Freund der Mächtigen:

Dieser Mann kauft Globus

Clemens Studer

Für rund eine Milliarde verkauft die Migros ­Globus an ein österreichisch-thailändisches Gespann. Der Mann hinter dem Deal heisst René Benko. Und ist überaus schillernd.

RENÉ BENKO: Dem Tiroler gehört jetzt Globus. (Fotos: Keystone, Montage: work)

Es ist Rausverkauf bei der Migros. Doch diesmal geht es nicht um Ananas, Aufschnitt oder Avocados. Es geht um Tochterfirmen und Immobilien. Ende November 2019 verkaufte der Genossenschaftsbund 6 seiner 11 Interio-Filialen an den Brachial-Möbelhändler XXXLutz. Einen notorischen Lohndrücker und Gewerkschaftsfeind aus Österreich (work berichtete). Und Anfang Februar schlug der nächste umstrittene Österreicher bei der Migros zu: René Benko (43). Der Mann ist laut US-Wirtschaftsmagazin «Forbes» der dritt­reichste Österreicher (Vermögen: 4,9 Milliarden Dollar). Und er gebietet über die Signa-Holding.

VERSCHACHTELT

Zu dieser gehören unzählige Firmen und Firmenbeteiligungen in den Bereichen Immobilien, Handel und Medien. Globus – und vor allem die dazugehörigen Immobilien – kauft Benko für rund eine Milliarde Franken. Und zwar über die «KaDeWe-Group», zu der auch die Luxus-Kaufhäuser KaDeWe (Berlin), Alsterhaus (Hamburg) und Oberpollinger (München) gehören. Diese Signa-Holding gehört seit 2011 der thailändischen «Central Group». Ebenfalls zum Handelsteil der Signa-Holding gehören in Deutschland die Karstadt-Kaufhäuser und der grösste Warenhauskonzern Galeria Kaufhof. Innert weniger Jahre war es Benko gelungen, die früher erbitterten Konkurrenten vollständig zu übernehmen. Auch sie im Besitz von Immobilien in bester Lage. Denn daran scheint Benko wesentlich mehr Interesse zu haben als am Handel. Die deutsche Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kann davon ein trauriges Lied singen. Benkos Credo: Die Mitarbeitenden sollen zur Sanierung des Geschäftes beitragen – mit Lohnverzicht in Millionenhöhe. Ein ausgehandelter Sanierungstarifvertrag für einen Teil der ­Fusionsfirma sollte plötzlich auch für den anderen gelten. Was für einen Teil der Mitarbeitenden mindestens 10 Prozent weniger Lohn bedeutet hätte. Benko-Firmen tun alles, um auf dem Buckel der Beschäftigten Profit einzufahren. Erst im vergangenen Dezember streikten die Mitarbeitenden von Galeria Kaufhof und Karstadt, um endlich wieder einen Tarifvertrag (entspricht einem GAV) zu bekommen.

René Benko lässt seine Detailhandelsaktivitäten von der Schweiz aus steuern. An der Bärengasse 29 in der Nähe des Zürcher Paradeplatzes sind 12 Signa-Firmen eingetragen. Und auch die Beschaffung der Fremd­finanzierung der Holding läuft über eine Schweizer Firma. Ebenfalls gut vertreten im Benko-Umfeld sind Schweizer Manager: als Angestellte und als Investoren. Mitmischen tun unter anderem der frühere Migros-Manager Dieter Berninghaus, der einst bei der Migros auch für Globus zuständig war.

Die Signa-Holding gehört zu 85 Prozent Benkos Privatstiftung. 5 Prozent hält Fressnapf-Gründer Thorsten Toeller. Fressnapf ist die drittgrösste Tierbedarfskette der Welt. Und 10 Prozent gehören Ernst Tanner. Der hat es als oberster Angestellter bei Lindt & Sprüngli laut «Bilanz» zu einem Vermögen von 800 Millionen Franken gebracht. Dazu gehören auch die 400 Millionen Euro, die Tanners Signa-Anteil wert sein soll. Wobei es auch Experten gibt, die den Wert von Tanners Anteil auf eine gute Milliarde schätzen. Die Signa-Holding ist absichtlich nicht börsenkotiert. So muss sich Benko von (fast) niemanden in die Bücher blicken lassen. Zentrale Zahlen wie Gewinn und Reserven behält er lieber für sich.

Benko wurde 2012 in einem «Musterfall für Korruption» verurteilt.

SCHILLERND

Doch wie ist Benko, der aus einfachen Verhältnissen stammt, in so kurzer Zeit so reich geworden? Darüber zerbricht man sich in seinem Heimatland schon länger den Kopf. Und kommt zum Schluss: mit viel Fleiss – und noch mehr Protektion. Benko gilt als genialer Netzwerker und umgab sich schon früh mit Mächtigen aus Politik und Wirtschaft. Das hat ihn nach kleinen Anfängen rasch an die fetten Immobilienprojekte herangeführt, die den Grundstein seines Reichtums legten. Die Signa-Holding hat einen hochkarätigen sogenannten Beirat, der auf dem Papier nur beratend tätig ist: darin amtet Benko als Vorsitzender, sein Stellvertreter ist der ehemalige österreichische Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ). Mit dabei natürlich auch Ernst Tanner. Nicht im «grossen» Beirat, aber immerhin im Beirat der Handelssparte sitzt noch ein Schweizer: David Bosshard. Er ist Leiter des Migros-Think-Thanks «Gottlieb Duttweiler-Institut».

Seit 2013 hat Benko in seinem Imperium keine operative Funktion mehr und (mindestens auf dem Papier) auch keine Entscheidungsbefugnisse. Das dürfte mit einem Urteil des Wiener Landesgerichts zusammenhängen. Dieses verurteilte ihn 2012 wegen «versuchter verbotener Intervention» (österreichisch für Schmiergeldzahlungen) in einem Steuerverfahren. Die Richterin nannte die Angelegenheit einen «Musterfall für Korruption». Es gab in Benkos Karriere noch weitere merkwürdige Vorgänge, die zumindest streng riechen, aber auf wundersame Weise nie zu einer Anklage geführt haben. Und darum wundert es auch kritische Beobachter nicht, dass sein Name im unterdessen legendären Ibiza-Video fällt. Dort phantasierte Heinz-Christian Strache, der damalige Vorsitzende der rechtsnationalistischen FPÖ, wie er mit Hilfe einer angeblich russischen Oligarchentochter Österreich übernehmen würde. Und nannte als einen verdeckten FPÖ-Spender: Benko. Was dieser natürlich dementierte. Immerhin war er vorgewarnt.

FREUND KURZ

Nach den Medienberichten über das Ibiza-Video platzte die Koalition von ÖVP und FPÖ. Bundeskanzler Sebastian Kurz musste zurücktreten, ist aber unterdessen wieder Kanzler. Und auch er schätzt René Benko. Damit dieser ­während der Weihnachtsferien 2017 ein dringendes Millionengeschäft abschliessen konnte, liess Bundeskanzler Kurz für seinen Kumpel extra das Bezirksgericht öffnen. Na, servus!


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