Unia-Präsidentin an Grossdemo in Bern:
«Das ist Gaza heute. Grauenhaft! Unerträglich! Inakzeptabel!»

Die Schweiz darf nicht länger tatenlos zusehen, was im Gaza-Streifen passiert. Das forderten am Samstag Tausende Menschen in Bern. Zur Demo aufgerufen hatten rund 30 Organisationen, darunter die Gewerkschaft Unia. 

DIE MASSEN KAMEN: Solidaritäts-Demo vom Samstag auf dem Bundesplatz. Es spricht Shirine Dajani (Palestine Solidarity Switzerland PSS). (Foto: Keystone)

Ex-Bundesrätin Ruth Dreifuss und weitere 80 Persönlichkeiten haben sich vor kurzem mit einem offenen Brief an den Bundesrat gewandt. Sie fordern darin die Schweizer Regierung auf, dass sie sich für einen sofortigen Waffenstillstand in Gaza einsetzen und die Taten Israels verurteilen soll (work berichtete). Am Samstag nun zeigten die Menschen auf der Strasse, wie gross ihre Solidarität mit den Menschen im Gaza-Streifen ist.
 
Zig Tausende Menschen – die Schätzungen bewegen sich zwischen 10’000 und 20’000 – aus der ganzen Schweiz kamen in Bern zusammen, um den Bundesrat gemeinsam zum Handeln zu bewegen. Die Demonstrantinnen und Demonstranten zogen lautstark von der Schützenmatte bis zum Bundesplatz. Die bewilligte Kundgebung verlief friedlich, die Polizei vermeldete einzelne Sprayereien und Sachbeschädigungen.

«Keine Neutralität gegenüber Menschenrechtsverletzungen»   

Sie erkenne sich in der aktuellen Haltung der Schweizer Regierung nicht mehr wieder, sagte die frühere Bundesrätin Ruth Dreifuss zur Menge und sprach dabei auch ihre eigenen Wurzeln an: «Ich bin in einer jüdischen Familie geboren und stehe, auch wenn ich mich von der Religion losgesagt habe, voll und ganz zu meinem kulturellen und historischen Erbe. Heute werfe ich der israelischen Regierung vor, nicht nur gegen den Terrorismus der Hamas Krieg zu führen, sondern gegen das palästinensische Volk.» Ausserdem verfolge sie Aktionen, die darauf abzielen, Israel «from the river tot he sea» auszudenen. An die Schweizer Landesregierung gerichtete sagte Dreifuss: «Ich erwarte vom Bundesrat, dass er diese tödliche Politik verurteilt. Es gibt keine Neutralität gegenüber Menschenrechtsverletzungen.»   

GEMEINSAM UNTERWEGS: SP-Co-Präsident Cédric Wermuth mit Ex-Bundesrätin Ruth Dreifuss. (Foto: Keystone)

Zur Demo aufgerufen haben rund 30 Organisationen, dazu gehört nebst der SP, den Grünen, Amnesty International und dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund auch die Unia. Die Gewerkschaft verurteilt den Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober 2023 und fordert die sofortige Freilassung aller Geiseln, die sich noch in deren Händen befinden. Gleichzeitig hält sie aber fest: «Die Kriegsverbrechen der Hamas und anderer bewaffneter palästinensischer Gruppen rechtfertigen in keiner Weise die von Israel begangenen genozidalen Handlungen und Kriegsverbrechen.» Hinzu komme der vorsätzliche Einsatz von Hunger als Kriegswaffe gegen mehr als zwei Millionen Menschen im Gazastreifen und die langjährige Besatzungs- und Apartheidpolitik Israels in den besetzten Gebieten. Diese verstiessen eindeutug gegen das Völkerrecht, so die Unia.

IN VORDERSTER REIHE: Unia-Präsidentin Vania Alleva (m.). (Foto: Olivier Vogelsang / L’Evénement syndical)

Unia-Präsidentin Vania Alleva hielt an der Kundgebung in Bern eine Rede, die wir hier wiedergeben:

Der Gazastreifen ist kaum grösser als der Kanton Schaffhausen mit seinen 90’000 Einwohnern. Aber jetzt stell dir vor, es leben 2 Millionen Menschen in Schaffhausen. Und Tag für Tag werden Bomben auf sie abgeworfen. Das ist Gaza heute. Grauenhaft! Unerträglich! Inakzeptabel!
 
Wir können die Verbrechen der rechtsextremen Regierung von Netanjahu nicht akzeptieren:

  • Die andauernden Massaker an palästinensischen Zivilisten.
  • Die Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser.
  • Der Einsatz des Hungers als Kriegswaffe.
  • Zehntausende von unschuldigen Toten, darunter viele, viele Kinder.

Wir müssen die Verbrechen der Netanjahu-Regierung stoppen, die über Monate keine Lebensmittel, kein Wasser, keine Medikamente mehr ins Land lässt. Sie verstösst gegen alle Normen und Prinzipien des humanitären Völkerrechts.
 
Wir sind hier, um ein Ende dieses Grauens zu fordern. Wir verlangen:

  • Einen sofortigen und dauerhaften Waffenstillstand, der von der internationalen Gemeinschaft überwacht wird.
  • Die sofortige Aufhebung der Blockade des Gazastreifens.
  • Die Freigabe aller lebenswichtigen humanitären Hilfsgüter. Unverzüglich!

Wir bringen auch unsere Unterstützung für die Tausenden von Israelis zum Ausdruck, die gegen die Verbrechen ihrer Regierung protestieren. Genauso wie wir den Palästinensern, die mutig gegen die Hamas im Gazastreifen protestieren, unsere Solidarität zusichern. Wir verurteilen den Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober und fordern die Freilassung aller Geiseln, die sich noch in deren Händen befinden. Dies gesagt halten wir fest: Nichts und niemand kann die schrecklichen Angriffe auf palästinensische Zivilisten, darunter viele Kinder, rechtfertigen. Nichts rechtfertigt die kollektive Bestrafung eines ganzen Volkes.
 
Kritik an den grausamen Kriegsverbrechen ist kein «Antisemitismus». Wir Gewerkschaften haben uns immer schon entschieden gegen jede Form von Diskriminierung und Antisemitismus eingesetzt und werden es auch weiterhin entschieden ohne Wenn und Aber tun.
 
Dem Bundesrat sagen wir: Die Passivität unserer Regierung ist nicht akzeptabel. Nicht in unserem Namen. Es ist Zeit für eine breite Bewegung, getragen von breiten Teilen der Gesellschaft, die Druck auf den Bundesrat ausübt mit einer klaren und unmissverständlichen Botschaft: Wach auf, kein Versteckspiel mehr, es ist Zeit, alles zu tun, um diese Gräueltaten zu stoppen. Auch deshalb ist die heutige Demonstration – mit dieser grossen Beteiligung – so wichtig. Sie kann nicht ignoriert werden.
 
Konkret fordern wir vom Bundesrat:

  • Sichert die Finanzierung der humanitären Soforthilfe für den Gazastreifen – Humanitäre Hilfe jetzt!
  • Die Kriegsverbrechen Israels klar verurteilen und alle Initiativen gegen die Zwangsumsiedlung und die illegale Vertreibung der Bevölkerung in Gaza und im Westjordanland.
  • Jede militärische Zusammenarbeit mit Israel und alle sicherheitsrelevanten Exporte sofort einstellen. Schweizer Unternehmen dürfen sich nicht an der Besatzung in den palästinensischen Gebieten beteiligen bzw. bereichern.
  • Das Recht des palästinensischen Volkes auf kollektive Selbstbestimmung uneingeschränkt anerkennen und sich entschlossen für dessen Umsetzung einzusetzen.
  • Sich für die Freilassung aller Geiseln und politischen Gefangenen einzusetzen

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