Roland Erne war Chemielaborant und GBI-Jugendsekretär. Seit 2017 ist er Professor für Europäische Integration und Arbeitsbeziehungen am University College Dublin. (Montage: work)


Mitte Mai hätten die Rechtsradikalen fast die rumänischen Präsidentschaftswahlen gewonnen. Im ersten Wahlgang hatte George Simion mit 41 Prozent der Stimmen ein Rekordergebnis erzielt. In der annullierten Wahl vom Dezember 2024 erhielten die Ultranationalisten Călin Georgescu (23 Prozent) und Simion (14 Prozent) weniger Stimmen. Da das Verfassungsgericht Georgescu auch von der Wiederholungswahl ausschloss, trat das rechtsradikale Lager von Anfang an geeint an.


Schicksalswahl

Der Gegenkandidat, Nicuşor Dan, war Chef einer neoliberalen Protestpartei, ist Bürgermeister der Hauptstadt Bukarest und hat sich bisher nicht durch Unterstützung von Büezern hervorgetan. Viele von ihnen leben in armen Randregionen oder müssen sich ihren Lebensunterhalt als Saisonarbeiter in Westeuropa verdienen. Trotzdem qualifizierte sich Nicuşor Dan für die Stichwahl. In der westeuropäischen Diaspora stimmten die meisten entweder für den rechtsradikalen Simion oder für den neoliberalen Dan. Nach dieser Niederlage trat der sozialdemokratische Ministerpräsident Marcel Ciolacu zurück und überliess die Schicksalswahl zwischen einem europäischen und nationalistischen Weg seinen Wählerinnen und Wählern.

Sieg verspielt

Der rechtsradikale Simion fühlte sich so sicher, dass er schon vor dem zweiten Wahlgang zugab: Sein Versprechen, zigtausende Sozialwohnungen zu bauen, war ein Wahlkampf-Gag. Dafür würden bald Tausende Beschäftigte im öffentlichen Dienst ihre Stellen verlieren, wie dies Trump gerade vorexerziere. Simions antisoziale Offenbarungen blieben nicht folgenlos. Sie erlaubten es dem neoliberalen Kandidaten Dan, sich als Fürsprecher eines «europäischen Sozialmodells» zu profilieren. Nachdem Dan zum Präsidenten gewählt worden war, schien der Bildung einer «proeuropäischen» Regierung, bestehend aus Sozialdemokraten bis zu Neoliberalen, nichts mehr im Wege zu stehen.

Spardiktat

Doch am 5. Juni verlangte der EU- Deregulierungskommissar von Rumänien neue, drastische Sparmassnahmen. Die neue Regierung muss bis Ende Juni der EU-Kommission ein radikales Sparpaket vorlegen, um zu verhindern, dass Rumänien bald mit dem Entzug aller EU-Mittel bestraft wird. Um diese Katastrophe abzuwenden, fragten die Behörden auch den Internationalen Währungsfonds (IWF) nach Lösungsvorschlägen. Obwohl der IWF kaum ein Anwalt sozialer Politik ist, schlug er vor, den einheitlichen Steuersatz von 10 Prozent durch zwei neue, progressive Sätze von 15 Prozent und 25 Prozent zu ersetzen. Alle müssten künftig höhere Einkommensteuern zahlen, die Reichen jedoch proportional mehr. Ob es dazu kommt, ist fraglich, da die Neoliberalen die Rückkehr zu einem progressiven Steuersystem bislang ablehnten, trotz Bekenntnissen zum «europäischen Sozialmodell». Es droht deshalb ein Comeback der Austeritätspolitik, das den Aufstieg der Rechtspopulisten weiter befördern wird.

Roland Erne schreibt hier im Turnus mit Regula Rytz, was die europäische Politik bewegt.

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.