Beim Lohnschutz hat der Bundesrat gut gearbeitet, aber:
Das Stromabkommen ist gefährlich, die «Schutzklausel» ein Irrweg

Die Gewerkschaften sagen Ja zu den Bilateralen III, wenn diese die Lage der Menschen verbessern und nicht verschlechtern. Beim Lohnschutz ist der Bundesrat auf gutem Weg. Beim Stromabkommen leider nicht, und mit der «Schutzklausel» auf einem Irrweg.

HAT DIE SCHUTZKLAUSEL PRÄSENTIERT: SP-Bundesrat Beat Jans. (Foto: Keystone)

Die Haltung der Gewerkschaften zum Verhältnis mit der EU ist seit Jahren glasklar: Eine gute und geregelte Zusammenarbeit ist wichtig. Doch Angriffe von Marktradikalen aus der EU und aus der Schweiz auf den Lohnschutz und den Service public werden energisch bekämpft. Neue Abkommen müssen den Lohnabhängigen in der Schweiz nützen und nicht schaden. Bei Lohnschutz hat der Druck der Gewerkschaften Wirkung gezeigt. Der Bundesrat hat sich zu Massnahmen bekannt, die den Lohnschutz sichern. Wenn sie die bürgerliche Parlamentsmehrheit überstehen.

Fetisch «Schutzklausel»

Weniger gut gearbeitet hat der Bundesrat bei der «Schutzklausel». Mit dieser orientiert sich die Regierung am früheren Kontingentsystem. Dieses war ineffizient und hatte unmenschliche Auswirkungen auf arbeitende Menschen aus dem Ausland. Zu Recht wurde dieses vor 23 Jahren beerdigt, weil auch die Bürgerlichen – spät, aber immerhin – eingesehen hatten, dass es nicht funktioniert. Jetzt hat der Bundesrat mit seiner SVP/FDP-Mehrheit einen heftigen Rückfall. Immerhin will der Bundesrat vor dem Anrufen der «Schutzklausel» zuerst innenpolitische Massnahmen prüfen, die sich mit der Personenfreizügigkeit vereinbaren lassen. Das sind zum Beispiel Konjunkturprogramme und Bildungsmassnahmen für Stellenlose. Und vor allem: Bundesrat und Parlament können solche falls nötig bereits heute ergreifen, wenn sie wollen.

Einwanderung folgt Konjunktur

Die Einwanderung folgt der Konjunktur. In Zeiten des Aufschwungs sinkt die Arbeitslosigkeit, der Bedarf an Fachkräften steigt, die Firmen suchen im Ausland. Anders verhält es sich in wirtschaftlich schwierigen Phasen. Während Rezessionen wandern naturgemäss weniger Menschen ein, weil es weniger offene Stellen hat. Für die Aktivierung der «Schutzklausel» benötigt die Schweiz jedoch handfeste Beweise für ernsthafte wirtschaftliche oder soziale Probleme – doch das sind Phasen, in denen die Einwanderung sowieso zurückgeht.

Es ginge viel einfacher

Bis die bundesrätliche «Schutzklausel» greifen würde, vergeht viel Zeit. Zuerst müsste der Bundesrat dem gemischten Ausschuss einen Antrag stellen. Dieser hat 60 Tage Zeit, dem Antrag zuzustimmen. Man kann davon ausgehen, dass dies meistens nicht der Fall sein wird, weil die EU kein Interesse daran hat. Dann geht der Antrag vor Schiedsgericht, das wieder ein halbes Jahr Zeit hat. Die Hürden vor Schiedsgericht sind relativ hoch. Die Schweiz müsste beweisen, dass sie schwerwiegende Probleme hat. Sollte das Schiedsgericht zustimmen, kann die Schweiz an die Umsetzung gehen. Je nachdem braucht es dazu noch einen referendumsfähigen Bundesbeschluss.
SGB-Chefökonom Daniel Lampart bringt es so auf den Punkt:

Das alles ginge viel einfacher: Wenn die Schweiz in einer Rezession eine hohe Arbeitslosigkeit hat, geht die Einwanderung sowieso zurück und ist kein Thema. Dann braucht es Konjunkturprogramme zur Stimulierung des Konsums oder des Baus, damit das Land möglichst schnell aus der Rezession herauskommt.

Achtung, Stromfalle

Nicht nur unnötig, sondern gefährlich ist das Stromabkommen. Technisch braucht es das Abkommen nicht, weil die für die Schweiz wichtige Anbindung an das europäische Hochspannungsnetz bereits heute durch Verträge gesichert ist. Und es ist gefährlich, weil die Schweiz die Stromversorgung «liberalisieren» müsste. Damit sind stabile Preise, die Versorgungssicherheit und der ökologische Umbau gefährdet.

PRÄSENTIERTE HEUTE EIN GEFÄHRLICHES STROMABKOMMEN: SVP-Bundesrat Albert Rösti. (Foto: Keystone)

Heute geniessen Haushalte und KMU eine verlässliche Grundversorgung mit Strom zu angemessenen und berechenbaren Tarifen. Obwohl auch sie über längere Zeiträume Preisschwankungen wahrnehmen, schützt sie das Gesetz vor Abzockerei durch die Stromkonzerne. Besonders wichtig: Lokal erzeugte Elektrizität muss zu Herstellungskosten abgegeben werden und darf nicht den oft deutlich höheren und spekulativen Marktpreisen folgen.

Für diese Stabilität sind die integrierten Energieversorger und Stadtwerke verantwortlich. Ihre Stärke liegt in der ganzheitlichen Betrachtung – nur wenn sie Verteilung, Produktion, Nachfrage und Angebot koordiniert handhaben können, funktioniert dieses System. Das geplante Stromabkommen würde diese bewährte integrierte Grundversorgung durch Marktöffnung praktisch beseitigen. Die kostenbasierten Tarife der öffentlichen, gemeinwohlorientierten Versorger müssten dann marktorientierten Preismechanismen des spekulativen internationalen Strommarktes weichen.

Günstiger Strom dank Gewerkschaften

Die Gewerkschaften lehnen eine Strommarktliberalisierung ab. So wie bereits 2002. Denn dass es für KMU und Haushalte noch einen Stromsektor mit regulierten Preisen gibt, ist dem Widerstand der Gewerkschaften zu verdanken. Am 22. September 2002 lehnte das Volk die vollständige Liberalisierung des Strommarktes an der Urne ab. Die Gewerkschaften hatten das Referendum ergriffen dagegen. Die damalige SP-Bundeshausfraktion musste zuerst von der Parteibasis zur Besinnung gebracht werden.

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