Statt Milliarden-Verlust ­Milliarden-Gewinn. Seit ­Jahren verteilen die Kantone mit Schlecht-Budgetierung Millionen von unten nach oben um. Und sie machen munter weiter.

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Würden die Kantonsregierungen beim «Samschtig-Jass» mitmachen, würden sie eine schlechte Falle machen. Dort wird der Differenzler gespielt. Für Nichtjassende: Die Spielenden sagen aufgrund ­ihrer Karten voraus, wie viele Punkte sie am Ende der Runde haben werden. Je kleiner die Differenz zwischen angesagter und erreichter Punktezahl, desto besser.

Wären die Budgettierenden in den Kantonen Jasserinnen und Jasser, wären sie schlechte bis lausige. In den vergangenen fünf Jahren lagen im Schnitt rund 5,3 Prozent zwischen «Ansage» (Budget) und Re­sultat (Rechnungsabschluss). Das ist nicht Pech, sondern Politik. Denn verrechnet wird praktisch immer in die gleiche Richtung: Zuerst rechnen sich die Kantone im Budget arm, um dann wesentlich bessere Abschlüsse vorzulegen. Die Folge: Die rechten Parlamentsmehrheiten kürzen wegen des herbeibudgetierten «Spardrucks» beim Service public und der sozialen Sicherheit. Und die gleichen Mehrheiten verteilen dann nach den «überraschend guten» Abschlüssen Steuergeschenke an Reiche und Unternehmen.

Trick «Schuldenbremse»

Wie der Bund verfügen auch die meisten Kantone über sogenannte Schuldenbremsen. Die Bundesschuldenbremse funktioniert grob so: Macht der Bund finanziell vorwärts – entsprechend pessimistisch budgetieren hilft! –, müssen Überschüsse zwingend für den Schuldenabbau verwendet werden. Sie dürfen nicht in den Folgejahren investiert werden. Defizite hingegen müssen in den folgenden Jahren ausgeglichen werden. Die kantonalen Schuldenbremsen sind im Detail unterschiedlich ausgestattet, haben aber den gleichen Effekt: Um die Steuern von Reichen und Firmen zu senken, ist Geld da, für die nötigen Ausgaben im Interesse der Mehrheit, etwa in den Bereichen Bildung, Langzeitpflege oder Prämienver­billigungen, fehlt aber angeblich das Geld.

Für die Gewerkschaften analysiert Reto Wyss, Zentralsekretär beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) und work-Kolumnist, die Kantonsfinanzen seit Jahren präzise. Eben ist seine neuste Studie erschienen. Sie kann hier heruntergeladen werden.

Für das Jahr 2024 rechneten alle ­Kantone gemeinsam mit einem Defizit von 1,3 Milliarden Franken, tatsächlich erzielten sie jedoch einen Überschuss von 1,1 Milliarden Franken: eine Differenz von 2,4 Milliarden Franken. Dieses wiederkehrende Muster der Unterbudgetierung zieht sich durch die vergangenen Jahre. Die obenstehende Tabelle zeigt die prozen­tuale Abweichung über die vergangenen fünf Jahre pro Kanton auf. Und obwohl der Trick längst aufgeflogen ist, machen die bürgerlichen Mehrheiten in den Kantonen unverdrossen weiter: 18 von 26 Kantonen haben für das Budgetjahr 2026 erneut ein Defizit budgetiert. Zusammen rund 858 Millionen Franken. Und in zwei Jahren werden wir wieder die «über­raschenden Überschüsse» zusammen­zählen können. Ausser die bürgerliche Abbaubaupolitik wird beim Bund wie bei den Kantonen gestoppt.

Überschüsse gehören dem Volk

Der SGB fordert die Kantone auf, «ihre Einnahmen ehrlich und realistisch zu budgetieren, statt künstliche Defizite zu schaffen». Denn öffentliche Mittel sollen der breiten Bevölkerung zugute kommen, nicht den Reichsten. Das heisst konkret: Statt weiterer Steuergeschenke an Konzerne und Superreiche muss die Kaufkraft der Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen gestärkt werden. Zum Beispiel mit Entlastung bei den Krankenkassenprämien, höheren Betreuungsgutschriften und besseren Leistungen für Familien.

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