Von wegen Gestaltungsfreiheit im Homeoffice
Nationalrat greift die Gesundheit der Arbeitenden frontal an

Arbeitstage von morgens 6 Uhr bis abends 23 Uhr, Sonntagsarbeit ohne Bewilligung, verkürzte Ruhezeiten, die vom Arbeitgeber erst noch unterbrochen werden können. Die rechte Mehrheit des Nationalrats pfeift auf die Gesundheit und das Familienleben von Millionen Lohnabhängigen.

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JA, AUCH DICH WILL ICH LÄNGER ARBEITEN LASSEN: Der Vorstoss von Noch-FDP-Präsident Thierry Burkart ist ungesund für alle Büezerinnen und Büezer. (Foto: Keystone)

Digitalisierung, Firmengründungen, Fachkräftemangel, Einkaufen im Internet, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und selbst die Befürchtung einer Energiemangellage – alles hat schon dazu gedient, Angriffe auf den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmenden zu lancieren. Die Arbeitgeber wollen Nacht- und Sonntagsarbeit ausweiten und die Ladenöffnungszeiten sowieso. Alles natürlich möglichst ohne Lohnzuschläge. Und dieses Mal angeblich zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Berufsleben.

Verstaubter Vorstoss

Weil die Arbeit im Homeoffice im Zug der Covid-Pandemie ein bis dahin nicht gekanntes Ausmass angenommen hat, holten die rechten Parteien vor zwei Jahren einen verstaubten Vorstoss von Thierry Burkart aus der Schublade. Der damalige FDP-Nationalrat, gegenwärtige Aargauer Ständerat und Noch-Parteipräsident will den arbeitsrechtlichen Schutz im Homeoffice praktisch abschaffen. Und nicht nur dort. Mit dem Entscheid des Nationalrats werden nicht nur Arbeitstage von morgens 6 Uhr bis abends 23 Uhr möglich. 

Der Vorstoss will konkret:

  • Arbeitnehmende während bis zu 17 Stunden pro Tag arbeiten lassen, nicht nur im Homeoffice;
  • dass die tägliche Ruhezeit von heute mindestens 11 auf neu 9 Stunden verkürzt wird und diese Rumpf-Ruhezeit sogar für sogenannt dringende Tätigkeiten unterbrochen werden kann;
  • dass Arbeitgeber kurzfristig Nachtarbeit anordnen lassen können;
  • dass Arbeitgeber ohne Bewilligung und Kontrolle durch die Behörden Sonntagsarbeit befehlen lassen können, ebenfalls auch ausserhalb des Homeoffice.

Akute Gefahr

Dazu sagten die geschlossenen Fraktionen von SVP, FDP und GLP Ja. Aus der Mitte kam eine Gegenstimme. Mit ihrem Ja ignorieren die Bürgerlichen absichtlich die möglichen gesundheitlichen Risiken einer Überbelastung durch Lohnarbeit: Studien zeigen, dass überlange Arbeitszeiten Herzkrankheiten und Schlaganfälle begünstigen sowie die psychische Belastung erhöhen. Selbst Vollzugsbehörden und viele Kantone lehnen die Vorlage ab. Auch weil Kontrollen bei diesem Gesetz selbst in Privathaushalten durchgeführt werden müssten. Dabei nehmen etliche Kantone bereits die heutigen Kontrollaufgaben in Betrieben kaum oder gar nicht wahr. Im Interesse der Arbeitgeber, zum Nachteil der Lohnabhängigen.

Anhaltender Widerstand

Für den Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB) ist das inakzeptabel. Bereits bei der Behandlung der zuständigen nationalrätlichen Kommission sagte der damals zuständige SGB-Zentralsekretär Luca Cirigliano zu work: «Die Folgen dieses Vorstosses wären Gratisarbeit, Stress und Burnout. Wir werden solche Wildwestverhältnisse bekämpfen!» SGB-Präsident und SP-Ständerat Pierre-Yves Maillard warnte nach dem Entscheid im Nationalrat:

Die Sonntage und der Familienalltag von Millionen sind bedroht. Ihre Arbeitstage werden noch länger und die Freizeit noch kürzer, wenn diese Vorlage durchkommt.

WARNT VOR DEN FOLGEN: SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard. (Foto: Manu Friederich)

Syndicom-Gewerkschafter und SP-Nationalrat David Roth sagt: «Dieses Gesetz ist Teil einer ganzen Reihe marktradikaler Vorstösse der Bürgerlichen. Dazu gehören auch die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten und die Aushebelung von in Kantonen und Gemeinden vom Volk demokratisch beschlossenen Mindestlöhnen.»

Und Unia-Präsidentin Vania Alleva macht klar:

Die Unia fordert die ständerätliche Wirtschaftskommission auf, diesen gefährlichen Gesetzesentwurf zu beerdigen. Dieser opfert das Gleichgewicht zwischen Privat- und Berufsleben den einseitigen Interessen der Arbeitgeber. Die Unia wird diesen Angriff auf die Gesundheit von Millionen Arbeitnehmenden weiterhin energisch bekämpfen.

KÜNDIGT WIDERSTAND AN: Unia-Präsidentin Vania Alleva. (Foto: Gaetan Bally)

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