Thierry Burkart will die Familienstiftungen des «Ancien Régime» zurück

Ein Herrenreiter feudalisiert die FDP

Clemens Studer

Einst jagten Freisinnige die Feudalherren zum Teufel. Jetzt will ihr Präsident ihre Familienstiftung wieder einführen. Das ist nicht mehr «nur» die ganz ordinäre bürgerliche Steuervermeidungswut, sondern purer Neo-Feudalismus. Die Mehrheit des Parlaments macht mit.

DER FEUDALE: FDP-Präsident Thierry Burkart. (Fotomontage: work)

Als die «Radikalen» in der «freisinnigen Grossfamilie» ebenso wie in der damals noch jungen modernen Schweiz den Ton angaben, war klar: Die «Familienfideikommisse» gehören abgeschafft. Sie wurden mit dem Zivilgesetzbuch von 1907 verboten und dieses Verbot vom Bundesgericht 1945 bestätigt. Solche Familienstiftungen dienten den Patriziern dazu, ihre Vermögen über Generationen weiterzugeben und ihren Nachkommen lohntätigkeitslos ein Leben im Luxus zu ermöglichen. Beziehungsweise jenen Nachkommen, die sich im Sinne des stiftenden Patriarchen dieses Privilegs würdig erwiesen. Frauen wurde gerne ausgeschlossen. Diesen alten Zopf des abgesetzten «Ancien Régime» schnitten die damaligen Freisinnigen ab.

MUFFIGE PERÜCKE

Heute möchten sie sich diese muffige Perücke des Feudalismus noch so gerne wieder aufs Haupt setzen. Sie sagen es natürlich nicht so. Laut FDP-Präsident Thierry Burkart geht es nur darum, Schweizerinnen und Schweizer davor zu bewahren, für ihre Familienstiftung ins Ausland gehen zu müssen. Nach Liechtenstein etwa oder nach Österreich. Es gehe auch in keiner Weise darum, Steuern zu sparen. Sondern um Rechtssicherheit. Nicht nur den Linken fehlt da der Glaube. Auch die Urner Mitte-Ständerätin Heidi Z’graggen hat da ihre Zweifel. Im Ständerat sagte sie: «Reiche Familien, und hier geht es um sehr reiche Familien, haben ein Problem, das sich den allermeisten Leuten nie stellen wird: Sie wollen sicher sein, dass das eigene Vermögen unter allen Umständen in der Familie bleibt und dass nur die eigenen Nachkommen davon profitieren können, am besten noch steuerlich optimiert.» Sie stimmte dann folgerichtig auch Nein.

DER EWIGE GARAGIST

Ganz anders als die bürgerliche Mehrheit im Parlament. Und natürlich ging es wieder einmal um die KMU, nicht um die Superreichen. Das ist ein beliebter Trick der Rechten, wenn es darum geht, den Superreichen weitere Steuerschlupflöcher zu öffnen. Wie zum Beispiel bei der Unternehmenssteuerreform II. Vor 16 Jahren ging es bei dieser laut dem damaligen FDP-Finanzminister Hans-Rudolf Merz angeblich um Steuerausfälle von 80 Millionen Franken, die der Metzgerin und dem Garagisten zugute kämen. Eine dreiste Unwahrheit, wie später sogar das Bundesgericht feststellte – ohne jedoch die Abstimmung wiederholen zu lassen. Diese ging am 24. Februar 2008 mit einem knappsten Ja von 50,5 Prozent aus. Unterdessen sind der Allgemeinheit durch dieses «KMU-Gesetz» (Zitat Merz) Dutzende von Milliarden Franken verloren gegangen, die unversteuert in den Taschen der Superreichen verschwanden. Und zusätzlich fehlen der AHV deswegen auch einige Milliarden.

REFEUDALISIERENDE FDP

Doch der jetzt von SVP, FDP, GLP und Mitte überwiesene Vorstoss von Burkart geht über die übliche Klientelpolitik für Reiche und Superreiche der Bürgerlichen hinaus. Sie ist ein unübersehbares Zeichen für die Refeudalisierung der bürgerlichen Parteien auch in der Schweiz. Eine dünne Schicht von extrem privilegierten Superreichen, die (Vor-)Rechte, politischen Einfluss und vor allem ihre Besitztümer vererben. Im Jahr 2022 wurden in der Schweiz 88 Milliarden Franken vererbt. Das war fast das Doppelte aller ausgezahlten AHV-Renten. Während sich in den vergangenen drei Jahrzehnten das Bruttoinlandprodukt ungefähr verdoppelte, hat sich das Erbschaftvolumen verfünffacht. Rund 75 Prozent der vererbten Vermögen gehen an nur 10 Prozent der Erbenden. Und für diese einflussreiche Minderheit macht die bürgerliche Parlamentsmehrheit Politik. Der Genfer SP-Nationalrat Christian Dandrès fasste Burkarts Motion so zusammen: «FDP-Liberale Fraktion liquidiert mit diesem Vorschlag das, was ihr von ihrem liberalen Erbe noch geblieben ist.» Das liberale Credo, dass dank eigener Leistung reich werden kann, wer sich nur entsprechend reinhängt, ist für immer mehr Menschen als das entlarvt, was es immer war: im besten Fall eine Illusion, im schlechten Fall ein übler Trick der Reichen, sich die Ärmeren vom Leib zu halten.

UND DANN FASANENJAGD?

Dank der «Schweizer Illustrierten» wissen wir seit kurzem, dass sich FDP-Präsident Thierry Burkart – neben profanem Ausreiten – neu auch im Dressurreiten übt. Er versuche, «ein- bis dreimal pro Woche zu trainieren», erklärte Burkart dem Fachmagazin für alles, was glänzt, glitzert und blendet. Wenn der FDP-Präsident ob dieses ambitionierten Trainingsprogramms rasche Fortschritte macht, wäre eventuell die Fasanenjagd ein ebenso passender Zeitvertreib. Die Pirschjagd haben die liberalen Ahnen dem Adel einst ja ebenso entrissen wie die «Familienfideikommisse». Aber wer weiss, vielleicht lässt sich ja auch da noch was machen.

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