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Stadtführerin Milanka Fankhauser (59): Sie lässt die Geschichte Biels lebendig werden

Milanka Fankhauser mag es, ­hinter die Kulissen zu blicken und ihr Wissen weiterzugeben: Die Stadt­führerin zeigt Interessierten die versteckten Schönheiten Biels und die ehemalige Lebensader der Stadt.

Stadtführerin Milanka Fankhauser (59) kennt die schönsten Ecken der Stadt. (Foto: Matthias Luggen)

Wer mit Milanka Fankhauser in Biel unterwegs ist, sieht die Stadt mit anderen Augen. An der Mühlebrücke, wo heute der Verkehr brummt, befand sich früher eine grosse Mühle und der Fluss Schüss, die Lebensader des mittelalterlichen Städtchens, wie sie erzählt. Dann führt sie zur Bachquelle, die in einem schicken Büro in der Altstadt hinter Glas sprudelt und anschliessend im Boden verschwindet. «Diese Quelle führte zur Gründung von Biel im 13. Jahrhundert», sagt sie, und man sieht ihr die Begeisterung an. Auch noch nach 20 Jahren – so lange schon ist die 59jährige als Stadtführerin in Biel tätig.

In den vergangenen Jahren hat sie sich viel Wissen angelesen und Artikel zur Vergangenheit der Stadt gesammelt. «Ich interessiere mich für Geschichte und Zusammenhänge», sagt sie. Die gebürtige Serbin, die ihre Kindheit und Jugend in Wien verbrachte, kam als 19jährige nach Biel – ungeplant, wie sie sagt. «Eigentlich wollte ich nach Paris und mein Französisch vertiefen», berichtet sie in ihrem klaren Hochdeutsch, das gelegentlich österreichisch gefärbt ist. Da man auch in Biel Französisch spricht, blieb sie hier, lernte ihren späteren Mann kennen und gründete eine Familie.

Spontan

Stadtführerin wurde sie, da sie sich für die Geschichte Biels interessierte. «Ich wollte wissen: Wo lebe ich hier eigentlich?» erzählt sie. Milanka Fankhauser schätzt am Job, dass sie selber steuern kann, wann und wie viel sie arbeitet: «Ich werde jeweils von Tourismus Biel-Seeland angefragt und kann zu- oder absagen.» Das sei ideal gewesen, als ihre drei Söhne noch jünger waren und sie die Führungen neben einem 50-Prozent-Job in einer Modeboutique machte. Auch heute noch, da ihre Kinder längst erwachsen sind, sagt ihr dieses Arbeitsmodell zu, da sie beruflich vielfältig aufgestellt ist und es spontan mag. Rund zehn Führungen auf deutsch und französisch pro Monat macht sie im Sommerhalbjahr, im Winter weniger. Bezahlt wird sie pauschal pro Führung, für eine eineinhalbstündige Tour erhält sie netto 130 Franken. Gemeinsam mit ihren anderen Standbeinen, darunter einem 20-Prozent-Job im Marketing für eine Haushaltgerätefirma, kommt sie auf rund 3000 Franken im Monat. Das reicht ihr in der Regel. «Wenn ich mehr Geld brauche, beispielsweise für Reisen, gehe ich mehr arbeiten», sagt sie nonchalant. In Stellen-Apps finde sie meist genug passende Jobangebote, etwa kurzfristige Einsätze an Events oder Messen. Dass sie bei all ihren Jobs im Falle von Krankheit oder Unfall kein Geld erhalte und keine bezahlten Ferien beziehen könne, nehme sie in Kauf.

Aha-Erlebnis

Ein einschneidendes Erlebnis war für Milanka Fankhauser der Tsunami in Thailand im Jahr 2004. Sie war da, verlor ihre Mutter und ihre Nichte in den Wassermassen. Sie selbst war körperlich schwer verletzt und psychisch angeschlagen. Kurse in Körper- und Mentalarbeit halfen ihr, die Balance wiederzufinden.

Mein Antrieb ist, hinter die Kulissen zu schauen, verstehen zu wollen und mein Wissen weiterzugeben. Am schönsten ist es, wenn ich den Leuten ein Aha-Erlebnis vermitteln kann

so die Frau mit den langen, schlohweissen Haaren. Egal ob als Stadtführerin, Promoterin, Hostess oder als Aquafit-Instruktorin: sie mag es, andere für ein Thema zu begeistern. Am schönsten findet sie es, wenn die Menschen während einer Führung Fragen stellen. Auch viele Bielerinnen und Bieler könnten noch etwas über die Stadt lernen, sagt sie. An den monatlichen «First Fridays» in der Altstadt lerne man etwa die kleinen Handwerksbetriebe und Geschäfte kennen.

Frauenstreik

Auch zur Unia kam Milanka Fankhauser per Zufall. «Ich wurde vor 19 Jahren als Mitglied angeworben», erinnert sie sich. Politisch sei sie bis dahin nicht aktiv gewesen. Mittlerweile ist sie seit mehreren Jahren als Delegierte der IG Frauen und im Vorstand der Sektion Biel-Seeland engagiert. «Die Unia ist eine gute Sache. Sie setzt sich für Leute ein, die Unterstützung brauchen, das finde ich wichtig», betont sie. Die AHV sei nicht vom Himmel gefallen, sondern dank dem Engagement unserer Vorfahren entstanden, die auf die Strasse gingen. Auch für Frauenanliegen setzt sie sich ein: Seit mehr als zehn Jahren ist sie beim Frauenstreik am 14. Juni mit von der Partie. Sie bezeichnet sich selbst zwar nicht unbedingt als Feministin. «Mit drei Söhnen verstehe ich auch die Männerseite», sagt sie und lacht. Doch ihr Verständnis höre auf, wenn Frauen in der gleichen Position weniger verdienten als Männer:

Es soll keine Unterdrückung geben, weder bei Frauen noch bei Männern.

Sie selber habe kein Problem damit, sich durchzusetzen, doch viele Frauen könnten dies nicht. Für diese gehe sie auf die Strasse. Und sie freue sich, wenn sich Männer unter die Streikenden mischten. Jeder Mensch solle sein Leben leben können, findet sie, man dürfe sich nicht selbst verlieren. Wo es sie selber hintreibt, steht noch in den Sternen. Sorgen mache sie sich keine: Solange man neugierig bleibe, stünden einem viele Türen offen.


Milanka ­FankhauserVielseitig

Beruflich ist die gebürtige Serbin ein Chamäleon: Sie absolvierte eine vierjährige Lehre als Damenschneiderin in Wien. Über die Jahre hat sie zahlreiche Weiterbildungen in Körper- und Energie­arbeit absolviert, darunter Massage, Shiatsu, Kinesiologie und Hypnose. Auch die Motorbootprüfung hat sie gemacht.

jobs. Milanka Fankhauser arbeitete im Verkauf, in der Gastronomie, als Aquafit- und Wassergymnastik­instruktorin. Heute ist sie immer noch als Stadtführerin, im Antiaging- und ­Parfum-Onlinevertrieb, als Motorbootinstruktorin und als Promoterin tätig.

Aktiv

Auch privat mag sie es abwechslungsreich: Milanka Fankhauser geht regelmässig ins Fitnessstudio, tanzt und reist gerne. Aber auch ruhige Phasen schätzt sie. «Da kommen mir immer neue Ideen», sagt sie und lacht.

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