Flankierende Massnahmen zur Personenfreizügigkeit
Die Kantone schlampen

Die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit nützen. Wenn sie kontrolliert werden. Doch viele Kantone weigern sich oder sind zu faul.

ZUSAMMENARBEIT MIT DER EU: Aber nur, wenn der Lohnschutz stimmt. (Foto: Adobe stock)

Die Personenfreizügigkeit mit starken flankierenden Massnahmen ist im Inter­esse aller Lohnabhängigen. Doch die FlaM müssen auch kontrolliert werden. Überall, wo kontrolliert wird, werden Verstösse aufgedeckt, wie auch der neuste FlaM-Bericht des Staatssekreta­riats für Wirtschaft (Seco) wieder zeigt. Ein Dauerärgernis sind jene Kantone, die – zum Teil auch politisch gewollt – die FlaM nicht richtig umsetzen.

2024 kontrollierten die Behörden rund 140 000 Löhne bei schweizerischen und ausländischen Arbeitgebern. In fast jedem fünften Betrieb entdeckten sie zu tiefe Löhne oder Scheinselbständigkeit. In GAV-Branchen zahlen sogar 31 Prozent der kontrollierten Betriebe zu ­wenig. In Branchen ohne GAV setzen einzelne Kantone die Massstäbe für orts- und branchenübliche Löhne zu tief an – Dumpinglöhne kommen so durch die Kontrollen.

Schweizer zahlen nicht

In Branchen mit allgemeinverbindlichen Gesamt- oder Normalarbeitsverträgen (NAV) müssen fehlbare Arbeitgeber Löhne nachzahlen. In anderen Branchen werden sie nur in «Verständigungsverfahren» zur Anpassung aufgefordert. Während neun von zehn Entsendebetrieben mit zu tiefen Löhnen diese anpassen, weigert sich die Hälfte der fehlbaren Schweizer Arbeitgeber, korrekte Löhne zu zahlen. Das Gesetz verlangt bei wiederholtem Lohndumping NAV-­Mindestlöhne – das passiert aber selten. Tessin und Genf setzen die Gesetze gewissenhaft um: Sie kontrollieren regelmässig (alle vier beziehungsweise zehn Jahre) und erlassen NAV-Mindestlöhne.

Faule Kantone

Die meisten anderen Kantone kontrollieren Schweizer Arbeitgeber ohne allgemeinverbindliche GAV oder NAV im Schnitt nur alle 26 Jahre. Kantone wie Zürich, Basel oder Freiburg stellen zwar viele Verstösse fest, ergreifen aber keine Massnahmen. Noch schlimmer: Zug, Wallis, Bern, Solothurn und Thurgau kontrollieren nur alle 158, 150, 60, 56 beziehungsweise 45 Jahre.

Bilaterale III

Der Bericht zeigt: Die flankierenden Massnahmen sind wichtig, eine Schwächung des Lohnschutzes wäre fatal. Die Bilateralen III schwächen diese. Darum haben die Gewerkschaften energisch für innenpolitische Massnahmen zur Absicherung des Lohnschutzes gekämpft und einiges erreicht. Der Bundesrat hat ein Massnahmenpaket ins Parlament geschickt. Die Gewerkschaften werden ihre endgültige Position zum EU-Abkommen erst festlegen, wenn der Text vorliegt und die parlamentarische Behandlung der innenpolitischen Massnahmen abgeschlossen ist. Die Vertragstexte sollte der Bundesrat am 13. oder 20. Juni veröffentlichen. Danach ist das Parlament an der Reihe.

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