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Verdichtetes Bauen: Ein Wolkenkratzer für Zermatt?

Zermatt ist nicht nur ein Paradies für Reiche und Schwerreiche, sondern auch ein Arbeitsplatz für Tausende von Lohnabhängigen. Ihr Hauptproblem ist der fehlende Wohnraum. Jetzt liefert der Hotelier und Künstler Heinz Julen die Idee für einen 260 Meter hohen Wolkenkratzer. Eine Spinnerei?

DIE VISION VON HEINZ JULEN: Der Wolkenkratzer von Zermatt hätte Wohnungen mit sozialem Charakter und Wohnungen für den freien Markt. (Foto: ZVG)

Viele Mitglieder der Unia arbeiten in Zermatt VS. Nicht wenige von ihnen wohnen in Täsch. Die Zermatter Burgerinnen und Burger haben vor einigen Jahren eine Fusion von Zermatt mit den Vorortsgemeinden Täsch und Randa abgelehnt. Sie wollten nicht, dass in Täsch eingebürgerte Menschen aus Portugal Zermatterinnen und Zermatter werden können.

Hoch hinaus

In den letzten Wochen rückt Zermatt nun immer mehr in den Brennpunkt des Interesses, zumindest lokal. Der Grund: Zermatt ist nicht nur ein Paradies für Reiche und Schwerreiche, sondern auch ein Werkplatz für Tausende von Lohnabhängigen. Ihr Hauptproblem neben den schlechten Löhnen: Es fehlt an Wohnraum. So wie in allen Schweizer ­Städten auch.

Deshalb schlägt der Hotelier und Künstler Heinz Julen den Bau eines 260 Meter hohen Wolkenkratzers vor. Im Dorfausgang Richtung Täsch, damit niemandem der Blick auf das Matterhorn verbaut wird. Und dies mit einer Fläche von 60 000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche! In den unteren dreissig Stockwerken sollen 500 Wohnungen für Mitarbeitende im Tourismus­sektor entstehen, aber auch für Einheimische und Fremde sowie für Rentnerinnen und Rentner.

Die Mehrheit der Oberwalliserinnen und Oberwalliser ist – wenn wir den Reaktionen im «Walliser Boten» glauben wollen – noch gegen das Projekt. Es hat trotzdem Luft nach oben, und die müssten wir sinnvollerweise nutzen.

Spekulationsfrei

Der vorge­sehene Standort befindet sich noch in der Landwirtschaftszone. Aber Spekulanten möchten ihren im Gewerbegebiet liegenden Boden für das Projekt aufdrängen und für 85 Millionen Franken verkaufen. Die Gemeinde Zermatt müsste sich in dieser Situation jetzt ein Kaufrecht für 5 Millionen Franken einräumen lassen. Und erst danach aufzonen. Damit der Gewinn am richtigen Ort landet.

Denn auf den ersten 30 Stockwerken will Wolkenkratzer-Julen spekulationsfreie Wohnungen erstellen lassen. Sinnvollerweise würde die Gemeinde dafür eine Genossenschaft gründen.
Julen geht davon aus, dass – wer auch immer die Bauherrschaft übernimmt – diese untersten 30 Stockwerke für 150 Millionen Franken erstellen und verkaufen kann: für 5000 Franken pro Quadratmeter Bruttogeschossfläche. Das ist durchaus realistisch, umso mehr, als alles etwas an den roten Wiener Wohnungsbau erinnert.

Eine Genossenschaft bräuchte fünf Prozent Eigenmittel. In Julens Fall also 7,5 Millionen Franken. Die Emissionszentrale würde 60 Prozent der vernünftigen Erwerbskosten finanzieren: wegen der fallenden Zinsen faktisch bald schon zu Nullzinsen. Und Staatsbanken – wie etwa die Walliser oder die Zürcher Kantonalbank – würden die risikofreien restlichen 35 Prozent sicher finanzieren. Das wäre eine super Chance für Zermatt!

Linke müssten anbeissen

Doch leider haben die Linken bei den letzten Oberwalliser Wahlen an Boden verloren. Weil sie viel zu brav sind. Und die Kandidaten der Unia konnten sich auch nicht durchsetzen. Deshalb müssten Grüne, SP und lokale Gewerkschaften den von Julen in den politischen Raum gestellten Ball nun sofort aufnehmen. Und mit einer Gemeinde-Initiative zwei Dinge verlangen:

Erstens, dass sich die Gemeinde mittels Kaufrecht und Kaufverpflichtung für maximal fünf Millionen Franken den Boden sichert. Und zwar, bevor Zonenplanänderungen vorgenommen werden!

Zweitens, dass die Gemeinde sich darüber hinaus für 150 Millionen Franken 500 genossenschaftliche Julen-Wohnungen sichern muss.

Vielleicht müssten sich die rot-grünen Städte überlegen, ob sie nicht vergleichbare Initiativen anschieben könnten.

Links zum Thema:

  • rebrand.ly/leitfaden-wohnungen
    In den Tourismus­gemeinden fehlen Wohnungen für Mitarbeitende. Dieser fade Leitfaden versucht, etwas Bewegung in die Debatte zu bringen.
  • rebrand.ly/turm-vals
    Vor zehn Jahren wollte der Walser Reto Stoffel in der Walsergemeinde Vals GR – und somit in der alpinen Pampa – einen 381 Meter hohen Turm bauen lassen. Der angedachte Turm von Heinz Julen ist nur 260 Meter hoch.
  • rebrand.ly/wohnungsnot-zürich
    Ein ausgezeichneter Beitrag der Rundschau auf SRF! Leider hat man in Zürich den Meccano des roten Wiener Wohnungsbaus noch nicht begriffen. Dies ganz im Gegensatz zum stockkonservativen Heinz Julen.

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