Umsetzung Pflegeinitiative
Der Vorschlag des Bundesrates ist ungenügend

Mehr als drei Jahre hat der Bundesrat gebraucht, um darzulegen, wie er die Pflegenden entlasten will. Jetzt präsentiert er einen Gesetzesvorschlag mit einigen guten Ansätzen. Ignoriert aber den Elefanten im Raum.

HILFE FÜR DIE PFLEGERINNEN: Der Bundesrat präsentiert einige gute Ansätze, ignoriert aber, dass es dazu die finanzielle Mittel braucht. (Foto: Keystone)

Alle wissen, was Sache ist – aber niemand spricht darüber. Diesen Eindruck vermittelt das neue Gesetz, mit dem der Bundesrat die Pflegeinitiative endlich umsetzen will. Die zulässige Höchst- und die Normalarbeitszeit sollen für Pflegende gesenkt werden, Überstunden und Sonntagsarbeit strenger geregelt, die Sozialpartner zu GAV-Verhandlungen verpflichtet werden: So sieht es ein neues Gesetz über die Arbeitsbedingungen in der Pflege vor. Am Mittwoch hat es der Bundesrat zuhanden des Parlaments verabschiedet – mehr als drei Jahre nach der wuchtigen Annahme der Pflegeinitiative (61 Prozent Ja).

Die Vorlage soll «den Pflegeberuf attraktiver machen», so das erklärte Ziel des Bundesrates. Doch es braucht zusätzliche Gelder, wenn man die Arbeitsbedingungen der Pflegenden verbessern will. Doch darüber verliert der Bundesrat in seiner Vorlage kein Wort.

Keinen Franken zusätzlich: Ungenügend

Entsprechend enttäuscht reagiert die Branche. Einhellig kritisieren alle relevanten Organisationen auf Seite der Arbeitnehmenden die Vorlage als ungenügend. Die Gewerkschaften Unia, VPOD, Syna sowie SCIV aus dem Wallis, der Pflegeverband SBK, der die Initiative lanciert hatte, und die beiden nationalen Dachverbände, der Gewerkschaftsbund SGB und Travail Suisse: Sie alle kritisierten in einer gemeinsamen Medienmitteilung, dass der Bundesrat für die Umsetzung keinen einzigen zusätzlichen Franken vorsehe.

Bemerkenswert: Auch die Arbeitgeberseite, also die Spital-, Heim- und Spitexverbände, sehen im vorgelegten Gesetz «in dieser Form keine taugliche Lösung». Sie fordern ebenfalls, dass die Finanzierung der vorgeschlagenen Massnahmen «zwingend» sichergestellt werde. Wie sie in einer gemeinsamen Mitteilung schreiben, gehen die Verbände davon aus, dass die Verbesserungen ein bis zwei Milliarden Franken pro Jahr kosten werden.

Unia-Mitglied Paula Will ist angehende Fachfrau Gesundheit im Spital. Bereits im letzten Sommer hat sie sich das neue Gesetz genauer angeschaut: als eines von über 100 Mitgliedern, die in Gruppen in allen Teilen der Schweiz den damaligen Text diskutierten. Aus ihren Änderungsvorschlägen entstand darauf die Antwort der Unia in der Vernehmlassung des Gesetzes (work berichtete). Auch für Will ist sonnenklar, dass der jetzige Vorschlag des Bundesrates nicht aufgehen kann:

Wenn Spitäler und Heime die Wochenstunden senken, müssen sie mehr Leute einstellen, damit die Pflege weiterhin funktioniert. Und das kostet. Sorry, aber das versteht ein Erstklässler!

Eine zweite grosse Lücke

HOFFT AUF DAS PARLAMENT: Die angehende Fachfrau Gesundheit Paula Will. (Foto: zvg)

A propos Leute einstellen: Eine zentrale Forderung der Pflegeinitiative waren verbindliche Vorgaben für Heime und Spitäler, wie viel Personal mit welchen Qualifikationen sie pro Bewohnerin, pro Patient einstellen müssen. Auch diese Frage hat der Bundesrat in der jetzigen Vorlage komplett ausgeklammert. Für Paula Will ist klar: «Solange das Gesetz hier nicht konkrete Vorgaben macht, kann es der Bevölkerung nicht das bringen, was sie braucht. Nämlich eine gute Pflege, geleistet von Menschen, die ihre Arbeit so machen können, wie sie es gelernt haben, statt ständig am Limit zu sein.»

Jetzt ist das Parlament am Zug. Die Nationalrätinnen und Ständeräte haben ein grosses Stück Arbeit vor sich, um die zwei riesigen Löcher in der Vorlage mit tauglichen Regelungen zu füllen. Paula Will ist zuversichtlich:

Im Parlament hat es mehrere Pflegende aus verschiedenen Fraktionen. Ich kann mir gut vorstellen, dass diese in der Diskussion auf einen gemeinsamen Nenner kommen und sagen: Schauen wir, dass dieses Gesetz der Schweiz eine wirkliche Verbesserung bringt.

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