Chiquita: faule Flecken unter dem blauen Kleber
Die krummen Geschäfte des Bananen-Imperiums

Nach Protesten gegen die Regierung in Panama hat Chiquita mit Sitz in der Waadt Tausende Arbeiterinnen und Arbeiter entlassen. Der Bananen-Konzern hat eine lange Geschichte neokolonialer Einmischung in Lateinamerika, geprägt von Bestechung, Putsch und Mord.

GELBES IMPERIUM: Chiquita ist einer der weltgrössten Bananen-Produzenten. (Foto: Keystone)

Zuletzt waren es die Frauen. Sie gingen in Panama-City auf die Strasse und forderten mehr soziale Gerechtigkeit, Frieden, und die Freilassung von Gewerkschaftsführern. Der Grund: eine Rentenrevision, US-Präsident Trumps Panama-Obsession und mittendrin der berüchtigte Bananen-Konzern Chiquita, mit Sitz in Etoy im Kanton Waadt und Ford Lauderdale, USA. Chiquita ist bekannt für den blauen Kleber mit der «Chiquita» drauf, spanisch liebevoll für Mädchen. Doch mit noch so viel Marketing-Geld lässt sich die faule Seite des Bananen-Imperiums nicht übertünchen.

Die Konzerngeschichte ist geprägt von Bestechung, Putsch und Mord.

Protest der Bananeros

Die meisten Chiquita-Bananen in der Schweiz kommen aus Panama, Mittelamerika. Dort hat Chiquita kürzlich fast 5000 streikende Arbeiterinnen und Arbeiter entlassen. Gewerkschaften, darunter auch die mächtige Bau-Gewerkschaft, hatten aufgerufen, gegen die neuesten Sozialabbaupläne der Regierung zu protestieren. Der Protest dauert schon über einen Monat. Die Regierung bezeichnet die Streiks als illegal und geht mit harter Repression gegen die Protestierenden vor. Die Proteste richten sich gegen die neoliberale Doktrin des rechten Präsidenten José Raul Mulino, die Konzerne wie Chiquita nach ihrem Gusto schalten und walten lässt. Und gegen ein eben unterzeichnetes Abkommen, das die Stationierung von US-Truppen am Panamakanal erlaubt. Die zuletzt verkündete Rentenreform ist der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Francisco Smith, Präsident der Bananenarbeiter-Gewerkschaft Sitraibana sagte dem Fernsehsender Telemetro: «Der Streik ist legal! Denn die Abgeordneten, die die Sozialreform angenommen haben, schaden dem Bananensektor.» Denn sie sei ein Rückschritt für die Rechte der Bananenarbeiter, für ihre Löhne und Renten. Wer von tieferen Renten und weniger Rechten profitieren dürfte: Chiquita.

Putsch in Guatemala

Das Bananen-Imperium entstand Ende des 19. Jahrhunderts:  Unternehmer Minor Copper Keith will eine Eisenbahn durch Costa Rica bauen. Entlang der Gleise pflanzt er Bananenstauden: billige Nahrung für seine Arbeiter. Die Bahn rentiert sich nicht, aber die Plantagen werden zur Goldgrube. Am 30. März 1899 gründen Keith und zwei weitere Männer die United Fruit Company. Bald kontrolliert der Konzern 75 Prozent des Bananenmarktes in den USA, besitzt die grösste Privatflotte der Welt und ein gewaltiges Schienennetz. Und Costa Ricas Präsident gibt seine Tochter Minor Copper Keith zur Frau.

Der Ausdruck «Bananenrepublik» geht auf Chiquita, beziehungsweise deren Vorgängerunternehmen United Fruit Company (UFC) zurück. Der Begriff steht für die krassen sozialen Ungleichheiten in mittelamerikanischen Staaten, deren abhängige und teilweise korrupte Regierungen von der UFC praktisch kontrolliert wurden.

Schon bald verlegt die United Fruit Company ihren Hauptsitz nach Guatemala. Weder Steuern noch Zölle muss sie dort zahlen. Doch dann, 1950, wird Jacobo Arbenz (Sohn eines Schweizer Einwanderers) Präsident. Er enteignet über 50 000 Hektar bestes Plantagenland der United Fruit Company und verteilt es an Kleinbauern. Dem Unternehmen offeriert er eine Entschädigung von 627 572 Dollar – exakt die Summe, die der Konzern für die steuerliche Bewertung seiner Ländereien selbst deklariert hat.

Das Bananen-Imperium reagiert aggressiv.

Das Bananen-Imperium reagiert aggressiv. In einer PR-Kampagne wird der guatemaltekischen Regierung unterstellt, sie sei kommunistisch unterwandert. Und jetzt mischen auch die USA mit: Präsident Dwight D. Eisenhower ist klar auf der Seite der United Fruit Company. Im Juni wird Präsident Arbenz mit US-Beihilfe gestürzt. Der von den USA eingesetzte neue Präsident gibt der United Fruit Company die enteigneten Gebiete zurück und vertreibt die Bauern.

Steueroptimiert in der Waadt

Heute hat der Konzern einen der beiden Hauptsitze in Etoy im Kanton Waadt.  Um die Steuern zu optimieren, ist Chiquita 2008 vom belgischen Antwerpen in die Romandie gezogen. Der aktuelle Kaiser des Imperiums heisst Carlos Lopes Flores. Swissinfo besuchte den CEO 2019 im Vorfeld der Abstimmung über die Konzernverantwortungsinitiative. Die Initiative wurde 2020 von der Mehrheit der Stimmberechtigten angenommen, scheiterte aber am Ständermehr. Deshalb wurde jetzt eine neue Initiative lanciert. Chiquita-Boss Flores sagte damals: «Wir stellen die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Mitarbeiter seit langem in den Mittelpunkt unserer Bemühungen. Wir haben Verhaltenskodexe für Mitarbeiterinnen herausgegeben und unterstützen Schuleinrichtungen für deren Kinder.» Also alles gut? Von wegen.

Denn wirklich überprüfen lässt sich das Geschäftsgebaren des Bananen-Multis nicht. 2015 haben zwei brasilianische Multimilliardäre den Chiquita-Konzern gekauft. Die neuen Besitzer,  einer davon Joseph Safra, Mitbesitzer der Basler Privatbank J. Safra Sarasin – haben die Firma im selben Jahr von der Börse genommen. Daher muss sie keine öffentliche Rechenschaft mehr ablegen, zu Plantagenbesitz, Lieferanten und Marktanteilen.

Selbstmord des Chefs

Dafür gibt die Geschichte der Länder, in denen Chiquita tätig ist, einen Einblick in das neokoloniale Gebaren des Konzerns. Nebst dem Putsch in Guatemala mischte die United Fruit Company in fast allen Ländern Mittelamerikas aggressiv mit.

Bereits 1910 schickte sie ein Schiff mit angeheuerten Söldnern nach Honduras, um den Präsidenten zu stürzen. Der Grund: der Präsident hatte sich geweigert, United Fruit Steuererleichterung zu gewähren.

Doch die schamlose Einmischung in Honduras war damit nicht zu Ende. Sie ging mindestens bis ins Jahr 1975. Damals beging der Chiquita-Chef Eli Black Selbstmord. Er hatte sich vom Präsidenten von Honduras mit 2,5 Millionen Dollar Zollvorteile erkaufen wollen.

Massaker an Bananen-Arbeitern

Noch grausamer ging Chiquita in Kolumbien vor: 1928 erschoss das kolumbianische Militär tausende Frauen, Männer und Kinder in der Gemeinde Ciénaga. Die Soldaten ermordeten die in Streik getretenen Arbeiter im Interesse des US-amerikanischen Unternehmens United Fruit Company. Doch damit nicht genug:

im Sommer 2024 hat ein US-Gericht Chiquita wegen seiner Verbindungen zu Paramilitärs in Kolumbien zu einer Schadenersatzzahlung von fast 40 Millionen US-Dollar verurteilt.

Das Geld geht an die Familien von acht Opfern, die die rechtsextremen Miliz «Vereinigte Selbstverteidigungskräfte Kolumbiens» (AUC) getötet hatten.

Unendliche Geschichte

Die Chiquita-Gräuel-Geschichte kennt viele weitere geschriebene und noch ungeschriebene Kapitel. Über Folgen der Pestizid-Flüge über Plantagen, in denen Arbeiterinnen und Arbeiter chrampfen. Über das Abschieben jeglicher Konzern-Verantwortung auf Subunternehmen in Ecuador. Über die Ausbeutung von Arbeiterinnen und Arbeitern überall dort, wo Chiquita ihre Bananen-Plantagen hat. Zum Beispiel in Panama…

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