Rohstoffe in Kolumbien:

Ramírez gegen Glencore

Jonas Komposch

Rund um die kolumbianische Mega-Mine El Cerrejón verdursten Kinder. Der Schweizer Rohstoffmulti Glencore macht trotzdem weiter.

BIETET GLENCORE DIE STIRN: Karmen Ramírez stammt aus jener Region Kolumbiens, die vom Zuger Multi vergiftet wird. (Foto: Kovi)

Es war ein heikles Telefonat, das der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz am 6. April führte. Er hatte Kolumbiens rechten Präsidenten Ivan Duque am Draht. Diesem anerbot sich SPD-Mann Scholz als Steinkohle-Käufer. Und Scholz hatte es eilig. Denn die EU hatte soeben ein Kohle-Embar­­go gegen Russland beschlossen – eine Massnahme, die dem kohleabhängigen Deutschland besonders ungelegen kommt. Doch Amtskollege Duque handelte offenbar zügig.

Noch am selben Tag ging bei der indigenen Wayuu-Gemeinschaft in der Region La Guajira (siehe Karte links unten) ein Mail des Umweltministeriums ein: Duque habe soeben grünes Licht gegeben für die Erweiterung von El Cerrejón, der grössten Kohlemine Lateinamerikas. Sie gehört dem Zuger Rohstoffkonzern Glencore und fördert jährlich 32 Millionen Tonnen vom «schwarzen Gold». Massig Feinstaub wird dabei freigesetzt, zudem giftige Schwermetalle, die Land, Luft und Trinkwasserquellen verseuchen. Letztere versiegen zusehends, da der Tagebau Unmengen an Wasser schluckt. Bereits sind 5000 indigene Wayuu-Kinder im Umkreis der Mine verdurstet oder verhungert. Tödliche Gefahr droht auch jenen, die dagegen protestieren. Das weiss kaum jemand so gut wie die in Bern lebende Kolumbianerin Karmen Ramírez.

Schwermetalle verseuchen Land, Luft und Wasser.

GEHEIMER PROZESS

27 Familienangehörige verlor sie, als das Militär im Jahr 2000 ihr Wayuu-Territorium angriff. Sieben Jahre später schrieb Ramírez ein Buch über den Überfall. Auch die systematische Gewalt von paramilitärischen Truppen in der Region analysiert sie darin. Die Folge: eine Reihe von Morddrohungen. Mit Hilfe eines Uno-Programms flüchtete Ramírez deshalb in die Schweiz. Hier angekommen, konnte sie es kaum fassen, dass Glencore völlig ungestört dahingeschäften konnte. Also organisierte sie eine Demo in Zug – es war die erste überhaupt gegen den Konzern.

Heute ist Glencore-Kritik in aller Munde. 2020 hat erstmals ein Uno-Sonderberichterstatter das Ende von El Cerrejón gefordert. Und auch das kolumbianische Verfassungsgericht setzt mittlerweile Grenzen: 2017 erklärte es die Umleitung eines Flusses zwecks Ausbeutung der darunterliegenden Kohleschätze für unzulässig. Doch das liess sich Glencore nicht bieten – und verklagte Kolumbien.

Möglich ist das, weil die Schweiz mit Kolumbien ein sogenanntes Investitionsschutzabkommen abgeschlossen hat. Dieses erlaubt Firmen, ganze Staaten einzuklagen, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen. Verhandelt wird jeweils an einem privaten Schiedsgericht der Weltbank. Rekursmöglichkeiten gibt es dort nicht. Auch ein Anhörungsrecht für Betroffene wie die Wayuu fehlt. Auf Wunsch der Klägerfirma bleibt sogar der ganze Prozess geheim. Auch Glencore verrät nicht, was sie von Kolumbien fordert. Bekannt sind allerdings die ­Gesamtforderungen, mit denen das Land wegen Investitionsschutzklagen aktuell konfrontiert ist: 19 Milliarden US-Dollar!


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