Ausbeutung am Magenbrotstand
Chilbi-Fahrer treibt Schwangere ins Elend

Krank, pleite und wohnungslos – wegen ihres Ex-Chefs steht die schwangere Marktfahrerin Manuela Gonzalez vor dem Nichts. Die Unia interveniert. Und die Rohner Magenbrot AG verhängt einen Lieferstop gegen den Rüpel-Chef!

BITTER: Die schwangere Magenbrotverkäuferin Manuela Gonzalez leidet bis heute unter den Attacken ihres Ex-Chefs. (Foto: PD)

Leeres Konto, arbeitslos, keinen Wohnsitz, Angstzustände und im fünften Monat schwanger. So geht es zurzeit Manuela Gonzalez * (36). Als Unia-Mitglied hat sie sich hilfesuchend an ihre Gewerkschaft gewandt – und sich dazu entschieden, im work auszupacken. Denn: «So wie mir soll es keiner weiteren Frau gehen!» Wegen der Zumutungen ihres Ex-Chefs ist Gonzalez mittlerweile in ärztlicher Behandlung. Sie muss Antidepressiva nehmen. Dabei habe eigentlich «alles tipptopp» angefangen, betont die Spanierin.

Voller Hoffnung und Vorfreude auf einen neuen Lebensabschnitt sei sie Ende 2024 in die Schweiz gezogen. Genauer: nach Diepoldsau im St. Galler Rheintal. Dort hatte Gonzalez eine unbefristete 80-Prozent-Stelle gefunden. Und zwar bei der Einzelfirma ­Roger Rohner, Magenbrot Confiserie. Wobei diese «Confiserie» gar kein Magenbrot herstellt. Denn der Inhaber ist ein Abkömmling der gleichnamigen St. Galler Magenbrot-Dynastie. Diese ist organisatorisch mit der Rohner Magenbrot AG verbunden. Und deren Kassenschlager, das Magenbrot Rohner, ist weit über die Ostschweiz hinaus bekannt. Laut der Aargauer Kulinarikexpertin Erika Lüscher gehört es sogar zu den hundert beliebtesten Schweizer Lebensmitteln. Auch Migros und Coop führen es im Sortiment. Roger Rohner aber geschäftet seit Jahren auf eigene Kasse und nicht mehr innerhalb der Familienfirma. Von dieser bezieht er aber das legendäre Lebkuchengebäck und verkauft es auf Chilbi, Märkten und Messen. Auf den typischen rosafarbenen Tüten, die Roger Rohners Marktfahrerinnen feilbieten, prangt das Logo des Stammhauses.

Das Versprechen

Auch Manuela Gonzalez hat Tausende solcher Säckli verkauft, vier Monate lang. Oft habe sie schon um 4 Uhr bereitstehen müssen. Feierabend habe sie manchmal erst um 22 Uhr gehabt. In ihrem Arbeitsvertrag, der work vorliegt, hat ihr Roger Rohner einen Lohn von 3200 Franken brutto (ohne 13.) versprochen. Doch eine ordentliche Lohnüberweisung hat Gonzalez bis heute nicht gesehen. Stattdessen habe sie willkür­liche Barzahlungen erhalten: «Einmal hat er mir 5000 Franken in die Hand gedrückt und ein weiteres Mal 5000 für meine kranke Mutter!» Eine Stunden- oder Lohnabrechnung habe sie hingegen nie bekommen, geschweige denn die ihr zustehende Lohnsumme. Auch die Sozialabgaben habe Rohner nie gezahlt. «Das hat er mir gegenüber sogar zugegeben!» beteuert Gonzalez. Deshalb fordert sie von ­ihrem Ex-Chef jetzt eine Lohnnach­zahlung von über 10 000 Franken, zudem die ordentliche Überweisung der Sozialabgaben.

Doch bei Chef Rohner herrscht Funkstille. Er beantwortet weder Briefe noch Mails und geht auch nicht ans Telefon. Nur einmal hat ihn der zuständige Unia-Sekretär Lukas Auer auf dem Handy erwischt: «Er wirkte besoffen und zog in vulgärster Weise über unser Mitglied her.» Zudem habe Rohner keinerlei Einsicht oder Kooperationsbereitschaft gezeigt. Für Auer ein klarer Fall:

Ich habe direkt die Betreibung eingeleitet.

Doch der Gewerkschafter fordert für Gonzalez auch eine Arbeitgeberbescheinigung und sämtliche Lohnabrechnungen. Denn ohne Bescheinigung zahlt ihr die Arbeitslosenkasse keine Taggelder aus. Und ohne Lohnblätter ist es für Migrantinnen wie Gonzalez sehr schwierig, eine neue Wohnung zu finden. Beides braucht sie aber dringend. Denn als sie ihrem Chef offenbart, dass sie schwanger sei, brennen bei ihm alle Sicherungen durch.

Die Beleidigungen

«Zuerst war er einfach enttäuscht und hat mir die kalte Schulter gezeigt», erzählt Gonzalez. Doch dann habe er mit Beleidigungen angefangen. Entsprechende Whatsapp-Nachrichten liegen work vor. Rohner textete: «Du bist einfach ein Schmetterling, der auch irgendwann nicht mehr da ist.» Dann nennt er seine Angestellte «blöde Kuh», fabuliert von einer «Beziehung» und behauptet, er würde sie «lieben». Dann: «Willst du mir sagen, dass du keine Nutte bist?» Auch Drohungen sind dabei: «An deiner Stelle würde ich mir so schnell wie möglich einen neuen Job suchen.» Oder: «Sei froh, dass ich dich nicht sofort ausreisen lasse!» Und schliesslich:

Du bist fristlos gekündigt.

Tatsächlich wirft Rohner die werdende Mutter einfach raus. Und zwar nicht nur aus seiner Firma, sondern auch aus ihrem Zimmer. Gonzalez war von ihrem Chef nämlich doppelt abhängig: als Angestellte und als Mieterin – und das erst noch in seinem Privathaus! Völlig mittellos landet sie auf der Strasse. Unterschlupf findet sie bei ihrem Freund im Wallis. In Diepoldsau beginnt Rohner derweil Gonzalez’ Post zu öffnen. Aber es sind nicht bloss Briefe, die noch bei Rohner liegen.

Rohner AG tadelt Rohner

Gonzalez sagt: «Meine ganzen Sachen und mein Bett sind noch in seinem Haus.» Da werde sie aber keinen Fuss mehr reinsetzen. «Viel zu riskant» sei ihr das.

Was zu all dem Roger Rohner sagt, war nicht herauszufinden. Für eine Stellungnahme gegenüber work war er nicht erreichbar.

Position bezieht dagegen Marcel Lutz, der Geschäftsführer der Rohner Magenbrot AG:

An solchen Geschichten haben wir gar keine Freude, denn sie schaden letztlich unserer Firma und allen Marktfahrern, obwohl wir nichts dafürkönnen.

Er wolle nie­manden vorverurteilen, meint Lutz, trotzdem habe er Roger Rohner eindringlich aufgefordert, die Sache schleunigst zu bereinigen und die Löhne korrekt zu bezahlen. Und noch eine Massnahme hat Lutz getroffen: «Bis auf weiteres gibt es für Roger Rohner kein Magenbrot mehr von uns!»

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