Giftmüll im WallisDie Asbestgefahr
In einer Walliser Deponie liegt hochgiftiger Asbestmüll unter freiem Himmel. Schuld daran sei ein Mitarbeiter, sagt der Chef.

Der Freisinnige Dick Marty legte sich mit Verbrechern, Konzernen und Regierungen an. Dann brauchte er Personenschutz. Doch statt zu schweigen, schrieb er ein Buch.
Es ist der erste Advent, als die Schweiz über die Konzernverantwortungsinitiative abstimmt. Schweizer Multis wie Glencore & Co. sollen nicht mehr ungestraft davonkommen, wenn sie Menschen im globalen Süden für Hungerlöhne chrampfen lassen oder ganze Dörfer vergiften. Das Gesicht der Initiative: FDP-Politiker Dick Marty. Die Abstimmung ist sein letzter Coup. Danach will er sich zurückziehen. Bücher lesen, mit seinen Hunden spazierengehen, die Ruhe geniessen. Doch so kommt es nicht.
Freitag vor Weihnachten 2020: Martys Telefon klingelt. Am anderen Ende: der Kommandant der Tessiner Kantonspolizei. Gegen Marty soll ein Mordkomplott im Gange sein. Martys Vergangenheit holt ihn ein.
Kurz zuvor wurde Kosovos Staatspräsident Hashim Thaçi verhaftet. In Den Haag wird er wegen Kriegsverbrechen angeklagt. Marty hat dafür den Grundstein gelegt: 2010 verfasste er einen Bericht für den Europarat. Im Mittelpunkt: die kosovarische Befreiungsarmee UÇK und ihr Anführer Thaçi. Die Vorwürfe: ethnische Vertreibungen, Hinrichtungen und Handel mit Organen von Kriegsgefangenen. Der Zeitpunkt: der Kosovokrieg Ende der 1990er Jahre. Die Gerüchte sind nicht neu, doch lange ist niemand an einer Aufklärung interessiert. Schon gar nicht die USA, die die UÇK während des Krieges aktiv unterstützt hatten. Erst der «Marty-Bericht» bringt die internationale Justiz auf Trab.
Deshalb vermutet Marty nun Rache. Doch offenbar sind es nicht UÇK-Anhänger, die es auf ihn abgesehen haben. Sondern eine Gruppe serbischer Krimineller, die das Attentat den Kosovaren in die Schuhe schieben wollen. Das zumindest glauben die Behörden.
Ab jetzt wird Marty Tag und Nacht bewacht. Das Haus zu verlassen wird zur logistischen Herausforderung. Doch Nichtstun liegt ihm nicht. Also fängt er an zu schreiben. Über die Balkankriege und Bankenpleiten, über Palästina, Guantánamo, mutige Partisaninnen und feige Opportunisten. Und über die Krisen, die er von seinem Hometrainer aus verfolgt.
Als Corona wütet, verlangt der Freisinnige Marty ein Gesundheitswesen, das nicht länger dem «freien Markt» unterworfen ist, als wäre «ein Antibiotikum dasselbe wie ein Paar Turnschuhe». Er geisselt die Pharmakonzerne, die mit ihren Patenten verhindern, dass Menschenleben gerettet werden. Und als gefordert wird, die Schweiz solle Waffen an die Ukraine liefern, hält Marty dagegen. Statt «die Kriegsanstrengungen auf beiden Seiten zu fördern», müsse die Schweiz humanitäre Hilfe leisten. Denn dieser Krieg, davon ist Marty überzeugt, kenne nur eine Gewinnerin: die Rüstungslobby, die auch immer «in irgendeiner dunklen Ecke» des Bundeshauses lauere.
In der schwersten Zeit seines Lebens läuft Marty noch einmal zur Hochform auf. Als unbequemer Beobachter. Als die «Nervensäge», die er – wie er schreibt – schon als Kind gewesen sei. Marty hält es mit dem Kommunisten Antonio Gramsci, der einmal sagte: «Ich hasse die Gleichgültigen!» Und doch macht er sich nicht gerade als Linker verdächtig, wenn er etwa den französischen Präsidenten Emmanuel Macron für die Erhöhung des Rentenalters lobt. Nein, Marty ist ein «echter» Liberaler. Einer, der glaubt, dass Demokratie vom Ausgleich lebt. Und so seziert er das Weltgeschehen, plädiert für Menschlichkeit und wünscht sich von den jüngeren Generationen: Sucht die Wahrheit, auch wenn sie unbequem ist!
In einem Interview sagte Marty einst:
Ich glaube wirklich, dass der Tag, an dem ich nicht mehr in der Lage bin, mich zu empören, der Tag ist, an dem ich nicht mehr lebe!
Er hatte recht. Am 28. Dezember 2023 starb Dick Marty an Krebs. Empört hat er sich bis zuletzt.
Dick Marty: Furchtlose Wahrheiten. Betrachtungen eines Staatsanwalts unter Personenschutz. Rotpunktverlag, Zürich, 208 Seiten, Fr. 28.–. Übersetzung des 2023 auf italienisch erschienenen Buches.
Als Elfjähriger verfolgte Dick Marty den Algerienkrieg am Radio. Von da an gehörte die Politik zu seinem Leben. Er studierte Jura, wurde Staatsanwalt und Tessiner Kantonsrat. Danach sass er für die FDP 16 Jahre lang im Ständerat und ver-
trat die Schweiz im Europaparlament.
2006 deckte Marty auf, dass die CIA in Europa Geheimgefängnisse betrieben hatte. Der US-Geheimdienst hatte Menschen nach Polen und Rumänien verschleppt und gefoltert.
Martys Biss freute nicht alle, schon gar nicht in der eigenen Partei. So sagte der ehemalige FDP-Bundesrat Pascal Couchepin einmal, dass es «zum Glück keine zehn Dick Martys im Parlament gibt.» Ein schönes Kompliment, fand Dick Marty. Moral, Anstand und Gerechtigkeit waren für ihn nicht nur leere Worte. (pdi)