Das offene Ohr

Schwer erkrankt: Darf mich mein Chef entlassen?

Regula Dick von der Unia-Rechtsabteilung beantwortet Fragen aus der Arbeitswelt.

Ich (55) bin seit 5 Jahren in einem kleinen Familienunternehmen angestellt. Nun bin ich schwer erkrankt. Leider ist nicht absehbar, wann ich wieder voll ­arbeiten kann. Je nach Gesundheitszustand bin ich 20 bis 40 Prozent arbeitsfähig. Wir haben eine Krankentaggeldversicherung, die während 720 Tagen zahlt. Mein Chef hat durchblicken ­lassen, dass sie meine Stelle wohl bald neu besetzen müssen. Ich habe Angst, demnächst entlassen zu werden, und mache mir daher natürlich grosse ­Sorgen um meine finanzielle Existenz. Darf mich mein Chef entlassen, während ich arbeitsunfähig bin?

EXISTENZANGST: Eine Arbeitsunfähigkeit löst viele Sorgen aus. (Foto: Alamy)

Regula Dick: Während der Arbeits­unfähigkeit kann Ihnen während einer gewissen Zeit nicht gekündigt werden. Es besteht eine sogenannte Sperrfrist. Sie befinden sich im 5. Dienstjahr, somit dauert Ihre Sperrfrist 90 Tage. Sobald Sie ins 6. Dienstjahr kommen, gilt eine Sperrfrist von 180 Tagen. Das bedeutet, dass sich die Sperrfrist verlängert. Dabei werden die Sperrfristtage, die bereits abgelaufen sind, abgezogen. Glücklicherweise verfügen Sie über eine Krankentaggeldversicherung. Ratsam ist es, sich bereits jetzt zu erkundigen, ob es sich dabei um eine Krankentaggeldversicherung handelt, die auch über das Ende des Arbeitsvertrages hinaus für Ihren Krankheitsfall Leistungen erbringt, oder ob der Übertritt in die Einzelfalltaggeldversicherung notwendig wird. Falls absehbar ist, dass Sie noch sehr lange arbeitsunfähig bleiben werden, sollten Sie sich bei der IV an­melden, in jedem Fall spätestens nach sechs Monaten.

Freigestellt: Erhalte ich noch Spesen?

Mein Arbeitgeber hat mir gekündigt und mich freigestellt. Meine ­Kündigungsfrist beträgt drei Monate, zudem stehen mir noch fünf Wochen Ferien zu, und ich habe 200 Überstunden. Ausserdem habe ich Anspruch auf eine Spesen­pauschale von 300 Franken pro Monat und darf das Geschäftsauto auch privat nutzen. Im Arbeitsvertrag ist zu den Überstunden nichts geregelt. Auch nicht dazu, was mit den Spesen während einer Freistellung passiert. Habe ich weiterhin ­Anspruch darauf, und muss ich die Ferien jetzt beziehen? Und was passiert mit dem Geschäfts­auto?

Regula Dick: Während der Freistellung schuldet Ihnen Ihr Arbeitgeber das, was er Ihnen hätte zahlen müssen, wenn Sie gearbeitet hätten. Auch der Anspruch auf die unentgeltliche Verwendung des ­Firmenwagens besteht weiterhin. Da Sie Pauschalspesen vereinbart haben, müssen diese weiterhin ausbezahlt werden. Anders wäre dies nur, wenn Sie vereinbart hätten, dass Ihnen nur Spesen für ausgewiesene Auslagen vergütet würden. Während der Freistellung besteht weiterhin ein Ferienanspruch, den Sie entweder beziehen können oder der Ihnen am Ende des Arbeitsverhältnisses ausbezahlt werden muss. Gestützt auf die Gerichtspraxis ist davon auszugehen, dass Ihnen zugemutet werden kann, etwa ­einen Drittel der Kündigungsfrist als ­Ferien zu beziehen. Überstunden müssen Sie nicht beziehen. Diese müssen Ihnen somit ausbezahlt werden.

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