Nationale Wahlen vom 22. Oktober

Lassen wir uns nicht verwirren!

Clemens Studer

Die Schweiz erhält ein neues Parlament. Ein besseres? Warum es wichtig ist, dass möglichst viele Stimmberechtigte auch wählen gehen.

SESSELRÜCKEN: Im Herbst werden die Plätze in den Parlamentskammern für die Wahlperiode 2024 bis 2027 neu vergeben.

Das Aufatmen war hörbar, als vor vier Jahren die harte rechte Mehrheit im Nationalrat gebrochen wurde. Nach den Wahlen war das Parlament weiblicher und auch grüner. Doch die leisen und weniger leisen Befürchtungen, dass im neuen Parlament zwar die reak­tionärsten gesellschaftspolitischen Vorstellungen keine Chancen mehr haben, sich in der sozialen Frage jedoch kaum bis nichts ­ändern würde, bestätigten sich rasch.

Bei der Rentenpolitik schlugen sich ­die bürgerlichen Frauen unter Leitung der GLP-Wortführerinnen rasch in die marktradi­kalen Sozialabbau-Büsche, aus denen sie ­kommen.

Mehrheiten winkten den Wunschzettel der vielen Wirtschaftslobbys durch.

RENTENABBAU

Die Erhöhung des Frauenrentenalters ging im letzten Herbst mit einem Mini-Ja durch die Volksabstimmung. Entscheidend waren – so zeigten es Nachwahlbefragungen – die Schalmeienklänge bürgerlicher Frauen: Wenn «die Gleichberechtigung» bei der AHV erreicht sei, werde dann bei den Pensions­kassen besser für die Frauen geschaut. So versprachen sie es. Das war natürlich Unsinn. Ungeniert machte die bürgerliche Parlamentsmehrheit aus einem brauchbaren Kompromissvorschlag der Gewerkschaften und der Arbeitgeber eine milliardenteure Abbauvorlage. Alle sollen noch mehr bezahlen für noch weniger Pensionskassenrente – einzig die Profite der Finanzindustrie dürfen weiterwachsen.

STEUERGESCHENKE

Kaum gebremst durch die Pandemie-Jahre, sah sich die Parlamentsmehrheit beim Ab­arbeiten des Wunschzettels, den ihr die unterschiedlichsten Wirtschaftslobbys mitge­geben haben: Steuergeschenke an Konzerne und Superreiche beschloss sie in Serie. Nicht alle konnten die Gewerkschaften und die fortschrittlichen Parteien mit Referenden verhindern. Aber immerhin einige davon. Das ist nicht wenig in Zeiten, in denen auch die grossen Medien immer mehr nach rechts rutschen.

Mit der Verteilung der Einkomen in diesem Land stimmt etwas definitiv nicht.

KAUFKRAFT-KRISE

Die Kaufkraft-Krise nimmt immer dramatischere Züge an. Selbst die obere Mittelschicht nimmt jetzt wahr, was Haushalte mit unteren und mittleren Einkommen schon lange wissen: Mit der Einkommensverteilung in diesem Land stimmt definitiv etwas nicht. Die Reichen kennen keine Krise, die Rentnerinnen und Rentner und die Lohnabhängigen haben sie: sta­gnierende oder gar sinkende Reallöhne, massive Teuerung der ­Güter des täglichen Bedarfs, explodierende Krankenkassenprämien und Wohnungskosten. Den Rechten und Wirtschaftsliberalen fällt dazu immer das Gleiche ein: noch mehr Deregulieren, noch weniger Arbeitnehmerinnenschutz, noch weniger Mieterschutz.

EINFACH MAL RECHNEN

Am 22. Oktober haben es die, die wählen dürfen, in der Hand, jene Kräfte im Parlament zu stärken, die sich tatsächlich für die Interessen der Mehrheit einsetzen. Nicht die schlechteste Empfehlung für den Wahlentscheid ist es, einfach mal zu rechnen, mit welchen Vorschlägen zur Minderung der Kaufkraft-Krise dem eigenen Haushalt am meisten gedient ist. Und welche der Kandidierenden sich ­dafür einsetzen. Damit wir am 22. Oktober nicht einfach aufatmen, weil es nicht schlimmer gekommen ist. Sondern durchatmen, weil es besser kommen könnte.


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