Über die Hälfte des weltweiten Goldes fliesst durch die Schweiz. In den Raffinerien löst sich seine oft unklare Herkunft in heisse Luft auf.

Es ist alles Gold, was glänzt – auch das dreckige

Iwan Schauwecker

Im Goldhandel ist die Schweiz eine Weltmacht. Im Jahr 2022 importierte sie 2400 Tonnen Gold im Wert von fast 100 Milliarden Franken. Doch woher kommt das Gold, und wohin ­gehen die Barren? work hat sich in die Tiefen der Schweizer Goldproduktion gewagt.

Foto: Keystone

In der Nacht vom 7. Mai 2023 brach in der Mine Yanaquihua im Süden Perus ein Grossbrand aus. Für 27 Goldgräber wurde die Mine zur Todesfalle. Sie erstickten im Bergwerkstollen 100 Meter unter der Erde. Bald war das Unglück auch im mehr als 10 000 Kilometer entfernten Marin NE bekannt, dem Hauptsitz der Goldraffinerie Metalor. Denn der Konzern importiert Gold aus der Mine von Yanaquihua. Die Fabrik in der Industriezone von Marin liegt hinter Stacheldraht und ist nur über mehrere Sicherheitsschleusen erreichbar. Die Goldbarren und die 300 spezialisierten Arbeiterinnen und Arbeiter sind hier gut bewacht. Sie schmelzen Gold, Silber, Platin und Palladium, kontrollieren die Qualität und kümmern sich um die Logistik des wertvollen Edelmetalls. Ein Kilo Gold wird derzeit für etwa 55 000 Franken gehandelt.

METALOR-Direktor: Thomas Wenger. (Foto: ZVG)

KEIN GOLD AUS DUBAI

Der Direktor des Metalor-Standorts Marin, Thomas Wenger (49), zeigt sich im Gespräch mit work bestürzt über den Unfall in Peru. Er sagt: «Nach einem solchen Unfall muss ich mich auch gegenüber meiner Familie rechtfertigen. Sie fragen: Wie konnte das passieren?» Wenger weist jedoch jegliche Verantwortung am Minenunglück von sich: «Die Mine befindet sich klar ausserhalb unseres Verantwortungsbereichs. Wir müssen die Ergebnisse der Untersuchung in Peru abwarten und dann unsere Schlussfolgerungen ziehen.»

HERKUNFT SCHMILZT WEG

Wenger betont die Anstrengungen von Metalor, sowohl bei den Zulieferern als auch im Werk in Marin für möglichst hohe Sicherheitsstandards zu sorgen und bei der Herkunft des Goldes strenge Kriterien anzuwenden. Metalor sei vorsichtig bei der Wahl seiner Zulieferer. Seit Kriegsbeginn in der Ukraine werde kein Gold russischer Herkunft mehr geschmolzen. Auch aus Dubai werde in Marin seit Jahrzehnten kein Gold mehr verarbeitet, da das Land wegen des Handels mit Gold aus Konfliktregionen und wegen Goldwäscherei in der Kritik stehe. Wenger: «Sobald das Gold eingeschmolzen ist, können wir die Herkunft des Goldes nicht mehr bestimmen. Bei Gold aus Dubai sind die Risiken da deutlich zu gross für uns.»

GUT GESICHERT: Der Standort des Goldkonzerns Metalor im neuenburgischen Marin. (Foto: ZVG)

Metalor beteiligt sich an der «Swiss Better Gold Initiative». Diese will die Arbeits- und Lebensbedingungen von Kleingoldschürferinnen und -schürfern in 23 Minen in Peru und Kolumbien verbessern. Die Initia­tive wird vom Schweizerischen Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) mit sechs Millionen Franken unterstützt. Wie das Seco schreibt, haben die Fördermengen und die Nachfrage nach dem «fairen Gold» in den letzten Jahren zugenommen. Kleingoldschürfer, die häufig unter besonders gefährlichen und umweltschädlichen Bedingungen arbeiten müssen, würden von der Initiative und dem Geld profitieren. Das sieht Goldhandelexperte Christoph Wiedmer kritischer. Er ist Co-Geschäftsleiter der Nonprofitorganisation «Gesellschaft für bedrohte Völker» (GfbV), die mit dem Programm «No dirty Gold!» auf die schädlichen Auswirkungen des Schweizer Goldhandels aufmerksam macht. Wiedmer relativiert die Bedeutung der «Swiss Better Gold Initiative»: «Im Jahr 2022 wurden etwa vier Tonnen Gold unter dem Label importiert. Das ist nicht mal ein Prozent des gesamten importierten Goldes. Die ganze Industrie bleibt sehr problematisch.» Der Unfall in Peru ist für ihn ein Signal, dass Verbesserungen auf freiwilliger Basis nicht ausreichen. Er sagt: «Die Schweiz braucht dringend ein Konzernverantwortungsgesetz mit unabhängigen Kontrollen, um das Risiko solcher Katastrophen wie in Yanaquihua zu mindern.» Und nicht nur bei der Konzernverantwortung hinke die Schweizer Gesetzgebung den Standards der Europäischen Union hinterher. Der Bund arbeitet an einer Totalrevision des Zollgesetzes, das auch den Handel mit Gold neu regeln soll. Doch das Gesetz ist umstritten, und die Beratung im Parlament verzögert sich seit vielen Jahren.

SCHLECHT GESICHERT: In dieser Mine brach im vergangenen Mai ein Grossbrand aus. 27 Goldgräber starben. Sie schürften Gold für den Export in die Schweiz. (Foto: Keystone)

Immerhin: Eine Versicherung zahlt im Todesfall.

ZERTIFIZIERT, ABER NICHT SICHER

Obwohl in der Mine Yanaquihua in Peru eine Zertifizierungsfirma Kontrollen durchgeführt hat, waren die ­Sicherheitsvorkehrungen in der Mine offenbar nicht ausreichend, um die Bergarbeiter im Brandfall zu schützen. Immerhin haben die Angehörigen der 27 Opfer des Brandes inzwischen von der Unfall- und Todesfallversicherung eine Entschädigung erhalten: eine 32monatige Lohnfortzahlung und eine Witwenrente. Der betroffene Bergwerksstollen bleibt auf unbestimmte Zeit stillgelegt. Das Gold für die «Swiss ­Better Gold Initiative» wird jetzt aus einem anderen Stollen aus Yanaquihua und den 22 weiteren zertifizierten Minen in die Schweiz importiert. Im Jahr 2023 waren es bisher 1700 Kilogramm, die bei den Goldkäuferinnen und -käufern für ein besseres Gewissen gesorgt haben. Doch für die meisten der weltweit etwa 40 Millionen Menschen, die im Goldbergbau arbeiten, bleibt die tägliche Arbeit ­beschwerlich und oft auch lebensgefährlich.

Schweiz: Stark im Goldgeschäft dank schwacher Kontrollen

Der Schweizer Goldhandel hat eine unrühmliche Geschichte: Schweizer Banken kauften und lagerten im Zweiten Weltkrieg Nazi-Raubgold. In den 1980er Jahren konnte das Apartheid­regime in Südafrika mit dem Goldverkauf und der Hilfe von Schweizer Banken internationale Sanktionen umgehen. Bis heute wird die Schweiz wegen ihrer Goldgeschäfte kritisiert. Das Uno-Hochkommissariat für Menschenrechte schrieb 2023 in ­einem 13seitigen Brief an die Schweizer Regierung: «Die Schweiz verfügt nicht über ein angemessenes System der Rückverfolgbarkeit und Transparenz, welches die Raffinerien dazu verpflichten würde, zu erfahren, wo und wie das Gold abgebaut wurde.» Diese Lücke kann von kriminellen Organisationen ausgenutzt werden, um Gold in den Weltmarkt einzuschleusen.

MEHR ALS DIE HÄLFTE. Mehr Transparenz und Kontrolle wären angesichts der Grösse des Schweizer Goldhandelsplatzes dringend nötig: Denn vier der neun grössten Goldraffinerien der Welt befinden sich in der Schweiz. Gemeinsam verarbeiten sie über die Hälfte des weltweit gehandelten Goldes. Ein Grossteil des Goldes wird nach Asien exportiert, aber mit den Banken und der Uhrenindustrie gibt es auch im Inland zahlreiche Abnehmerinnen. Die Goldraffinerien profitieren von der schwachen Regulierung der Branche und vom Schweizer Finanzplatz. In Zeiten von Inflation und politischer Unsicherheit wollen An­legerinnen und Anleger mit dem Kauf und der Lagerung von Gold in der Schweiz auf Nummer sicher gehen.

BARREN, RINGE UND HALBLEITER. In der Schweiz arbeiten insgesamt etwa 1500 Personen in der Edelmetallindustrie. Die vier grossen Goldraffinerien sind Argor Heraeus, Valcambi und Pamp im Tessin und Metalor in Neuenburg. In diesen Gold­raffinerien entstehen verschiedene Produkte, in erster Linie für die Finanzbranche. Darunter sind Münzen, bis zu
12,4 Kilogramm schwere Goldbarren für die Zentralbanken oder 100 Gramm leichte Goldplatten zur physischen Hinter­legung der Gold-Anlagefonds von Geschäftsbanken.

Die Raffinerien produzieren aber auch viele Komponenten für die Industrie, so zum Beispiel Goldstäbe und Goldringe für die Uhren- und Schmuckhersteller oder Halbleiter für die Elektronikbranche. In jedem Handy und jedem Laptop stecken bis zu
220 Milligramm Gold. Die Rohstoffe für die Goldverarbeitung importieren die Raffinerien heute meist selbst und ohne Umweg über die Grossbanken, in deren Besitz die Raffinerien einst standen. Argor Heraeus gehörte früher der Bankgesellschaft, Metalor dem Bankverein und Valcambi der Kreditanstalt.


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