Das offene Ohr

Arztzeugnis: Kann der Chef eine Untersuchung verlangen?

Regula Dick von der Unia-Rechtsabteilung beantwortet Fragen aus der Arbeitswelt.

Ich bin seit fünf Wochen krank. Ich habe meinem Chef jede Woche ein Arztzeugnis abgegeben, das meine Arbeitsunfähigkeit für jeweils eine weitere ­Woche attestiert. Jetzt will mein Chef, dass ich mich von einem Vertrauensarzt untersuchen lasse. Er habe mich kürzlich beim Spazieren an der Aare gesehen, und da hätte ich nicht krank ausgeschaut. Ich empfinde das als Eingriff in meine Privatsphäre. Kann er von mir verlangen, mich von einem fremden Arzt untersuchen zu lassen?

BITTERE PILLE: Chefs können Mit­arbeitende gegen ihren Willen zum Vertrauensarzt schicken. (Foto: iStock)

REGULA DICK: Ja, auch wenn diese Möglichkeit in Ihrem Arbeitsvertrag oder im GAV nicht ausdrücklich vereinbart wurde: Der Arbeitgeber kann eine Untersuchung beim Vertrauensarzt verlangen. Und zwar dann, wenn er begründete Zweifel hat, ob eine Arbeitsunfähigkeit gegeben sei. Obwohl «spazierengehen an der Aare» je nach Erkrankung noch nicht bedeutet, dass man arbeitsfähig ist, reicht dies, um die Zweifel Ihres Arbeitgebers zu begründen. Die Schwelle, ab wann die Zweifel als begründet angesehen werden, ist nicht sehr hoch. Wenn Sie sich weigern, zum Vertrauensarzt zu gehen, könnte ihr Arbeitgeber vorübergehend die Lohn­zahlungen einstellen. Zumindest bis die Arbeitsunfähigkeit nachträglich nach­gewiesen wird. Der Arbeitgeber ist aber verpflichtet, die Kosten sowie die Reisespesen für die von ihm angeordnete ­Untersuchung zu übernehmen.

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