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Öl-Embargo: Wie die Schweiz Kriegsgewinnlern in die Hände spielt

Ralph Hug

Der Bund hat zwar die Öl-Sanktionen gegen Russland unterzeichnet. Dennoch fliessen Öl und Geld munter weiter – mit gütiger Mithilfe der Schweiz als zentralen Handelsplatzes.

ÜBER UMWEGE: Tanker im Hafen Zhoushan (China) unter der Flagge der Marshall-­In-seln. Russisches Öl wird vermehrt über neue Händler und Routen vertrieben. (Foto: Imago)

Die G-7-Länder und die EU haben letztes Jahr die Einfuhr von russischem Öl verboten. Es soll verhindern, dass Russlands Präsident Wladimir Putin mit den Erlösen weiterhin Krieg gegen die Ukraine führen kann. Auch die Schweiz hat sich an­geschlossen. Wer mit russischem Öl handelt, muss einen Preisdeckel von 60 Dollar pro Fass einhalten. Recherchen der Nichtregierungsorganisation Public Eye zeigen jetzt, wie das Embargo umgangen wird.

Die grossen Akteure haben ihren Sitz in der Schweiz.

GEISTERFLOTTEN

Public Eye ist in den Besitz von Verkehrsdaten des sibirischen Ölhafens Kozmino bei Wladiwostok gelangt. Dort verkehren die Öltanker so munter wie eh und je, werden abgefüllt und laufen ins Meer aus. Doch es sind nicht mehr dieselben Schiffe wie zuvor. Plötzlich legen teils ältere Tanker an, die unter anderen Flaggen fahren, zum Beispiel von Malta. Insider berichten, dass es sich um eine «Geisterflotte» handle: Russland habe sie aufgezogen, um die Herkunft des Rohöls zu verschleiern. Auf hoher See werden ganze Ölladungen in andere Tanker umgepumpt.

Auch sind die grossen Ölhandelsfirmen aus den Listen verschwunden. Dafür tauchen aus dem Nichts neue auf, sogenannte Pop-up-Firmen. Niemand weiss, wer genau dahintersteckt. Einige Unternehmen wurden erst vor kurzem in Dubai oder Hongkong gegründet, wo keine Sanktionen gegen Russland gelten. Public Eye schreibt: «Diese Firmen stehen im Verdacht, als Strohfirmen für die grossen Akteure zu fungieren.» Die grossen Akteure sind bekannte Rohstoffkonzerne wie Vitol, Trafigura, Gunvor oder Glencore. Sie haben eines gemeinsam: Ihr Sitz ist in der Schweiz, meist in Genf oder in Zug.

SCHAUPLATZ GENF

Offiziell haben sie unter dem Druck der Sanktionen den Handel mit russischem Öl aufgegeben. Dieses Business hat ihnen bisher Profite in Milliardenhöhe in die Kasse gespült. Und tut es erstaunlicherweise weiterhin. Davon profitiert auch der Kanton Genf: Er hat für 2022 sage und schreibe 1,3 Milliarden Franken mehr Steuern eingenommen als budgetiert. Unter dem Embargo-Regime hat sich aber der Markt verändert. Laut Public Eye treten vermehrt dubiose Zwischenhändler und Mittelsmänner auf. Oder ­unbekannte Firmen mit blumigen Namen wie Sunrise, Everest, Belatrix oder Petkim. Eine andere heisst Tejarinaft und steht im Verdacht, eine Strohfirma des staatlichen russischen Ölkonzerns Rosneft zu sein. Insider wundern sich, dass solche Nobodies überhaupt in der Lage sind, grosse Ölfrachten zu transportieren sowie Versicherungen und Finanzierungen zu erhalten. Ein klarer Hinweis darauf, dass im Hintergrund alte Netzwerke aktiv sind.

Trotz Sanktionen: Seco bleibt passiv

Wer überprüft, ob die Öl-Sanktionen gegen Russland, die die Schweiz übernommen hat, auch eingehalten werden? Formell ist dafür das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) zuständig. Doch dieses tut: nichts.

KEINE KONTROLLEN. Man verzichte auf Kontrollen und setze auf die Selbstverantwortung der Branche, so die Antwort der Behörde auf Anfrage von Public Eye. Im Gegensatz zu ­andern Staaten muss in der Schweiz also niemand Käufe von russischem Öl melden oder Kontrollen zulassen. Kriegsgewinnler aller Art könnten sich nichts Besseres wünschen. (rh)

Besonders geschäftig ist die kleine Genfer Firma Paramount. Sie hat seit der russischen Invasion im russischen Hafen Kozmino fast hundert Tanker mit Rohöl geladen – eine riesige Fracht von 72 Millionen Fass. So viel, dass Paramount nun plötzlich in der obersten Liga des Ölhandels mitspielt. Die Branche rätselt über russische oder chinesische Banken, die diese Firma womöglich heimlich finanzieren. Auffällig ist laut Public Eye, dass Paramount fast alle Hinweise auf Russland von der Website entfernte, als sie wegen ihres kometenhaften Aufstiegs immer mehr ins Gerede kam.

Die ganze Recherche zum Nachlesen gibt es auf publiceye.ch.

 

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