8. März: Luzerner Reinigungsfrauen haben ausgewischt

Ein Putz-Streik am Frauentag!

Jonas Komposch

Keine ­Sozialabgaben, keine Spesen – und zuletzt gab’s nicht einmal mehr Lohn. Doch jetzt ist fertig Dumping: Bei der Silva-Reinigung wird gestreikt!

WUT UND MUT: Mit einem fulminanten Streik wehren sich die Reinigerinnen gegen Dumpinglöhne und Schwarzarbeit. (Foto: Unia)

Es ist noch stockdunkel. Doch im ­Luzerner Unia-Sekretariat herrscht schon Aufbruchstimmung an diesem 8.-März-Morgen. Fahnen werden verladen, Spruchbänder eingerollt, ein letzter Espresso gestürzt. «Wir sind parat», ruft Gewerkschaftssekretärin Ana Pica, «vamos!» Und schon steigen gut zwanzig Frauen in einen Minibus und brausen davon.

Ihr Ziel: die M. Silva-Reinigung GmbH in Root LU. Viele der Frauen arbeiten dort auf Stundenlohnbasis für brutto 20 Franken. Im Monat kommen sie damit auf keine 3000 Franken. Andere im Büssli sind Freundinnen und Gewerkschaftskolleginnen aus anderen Berufen. «Wir Frauen müssen zusammenhalten», sagt Gas­troarbeiterin Luisa Pereira* (39), «denn wir arbeiten hart – zu Hause und im Job – und bekommen fast nichts.»

CHEFIN DRÜCKT SICH…

Aber heute ist alles anders. Heute ist Streik! Das haben 9 von 11 Arbeite­rinnen der Silva-Reinigung schon lan­­ge beschlossen. Diana Barbosa* (50) erklärt: «Heute ist der Internationale Frauentag. Und diese Firma raubt uns unsere Rechte – Tag für Tag. Jetzt ist Schluss!» Doch bei der Silva-Reinigung in Root herrscht tote Hose. Die Chefin ist nicht da. Jemand muss sie vorgewarnt haben. Auch jene beiden Arbeiterinnen, die von Anfang an gesagt ­haben, dass sie sich nicht zu streiken trauen, tauchen nicht auf. Die geplan­­te Betriebsblockade braucht’s daher nicht. Aber die Chefin konfrontieren – das wollen die Streikenden unbedingt!

Viel ist es schliesslich nicht, was sie fordern: die Einhaltung von Gesetz und Gesamtarbeitsvertrag (GAV). Ihre Chefin weigert sich nämlich, Fahr­zeiten und Mittagsspesen zu bezahlen. Obwohl das für alle Reinigungs­firmen der Schweiz obligatorisch ist. So bestimmt es der vom Bundesrat für allgemeinverbindlich erklärte GAV. Auch Mutterschaftsentschädigungen gibt es bei Silva nicht. Zudem wurden in mehreren Fällen keine Sozialver­sicherungsabgaben entrichtet. Und zu­­­letzt stoppte die Chefin sogar noch die Lohnzahlungen. Elf Frauen haben für den Februar noch keinen Rappen Lohn gesehen. Und jetzt scheint sich die Chefin aus dem Staub zu machen.

«Wir arbeiten erst wieder, wenn wir unser Geld haben.»

… UND MACHT WEITER

Sämtliche Telefonanrufe und E-Mails ignoriert sie. Also beschliessen die Arbeiterinnen spontan, die Drückeber­gerin zu Hause zu besuchen. Und so schreitet bald ein kleiner, aber lauter Protestmarsch durch ein Neubau­quartier in Emmen LU. Doch auch dort zeigt sich die Chefin nicht. Entmutigen lassen sich die Streikenden dadurch nicht. «Wir werden erst wieder arbeiten, wenn wir unser Geld haben», sagt Diana Barbosa. Und überhaupt! Heu­­te haben die Frauen noch einiges vor. Zuerst geht es an eine Frauenversammlung in der Luzerner Innenstadt, dann zum Flyer-Verteilen an den Hauptbahnhof, und zum Schluss gibt es ein grosses Solidaritätsgrillfest in der Beiz von Gastrofrau Luisa Pereira.

Aber wie geht es mit der Dumping-Bude weiter? Unia-Frau Ana Pica: «Der Fall geht nun an die Paritätische Kommission – und die muss liefern!» Die Kontrollkommission ist zuständig für die Einhaltung des GAV. Gegen Firmen kann sie Konventionalstrafen bis zu 50 000 Franken verhängen. Für Pica ist klar: «Die Zeit drängt!» Und tatsächlich. Der Lebens- und Geschäftspartner der Silva-Chefin hat bereits eine neue Firma angemeldet: die SOS Cleaning GmbH, domiziliert in einem Briefkasten im steuergünstigen Baar ZG.

*Name geändert

Putz-Streik wirkt: Der Durães-Erfolg von 2019

Es ist nicht der erste Überraschungsstreik von Luzerner Reinigungsfrauen: Zusammen mit Unia-Sekretärin Ana Pica haben sie bereits am 14. Juni 2019 zugelangt, am zweiten Schweizer Frauenstreik. Damals ging es gegen die Reinigungsfirma Durães. Diese zahlte ihren Putzkräften für nötige Vor- und Nachbereitunsarbeiten nichts. Also blockierten sie kurzerhand die gesamte Bude. Das wirkte sofort. (work berichtete: rebrand.ly/blockiert) Nach ein paar hitzigen Wortwechseln setzte sich der Chef mit der Unia an den Tisch. Eine halbe Stunde später war eine Übereinkunft unterzeichnet. Seither zahlt die Firma alles korrekt, wie mehrere Angestellte gegenüber work versichern. Und Unia-Sekretärin Pica sagt sogar: “Durães gehört heute zu den besten Reinigungs-Arbeitgebern in Luzern.” Dieses Lob freue ihn sehr, sagt Chef Albino Durães. Er habe von der Unia einiges gelernt und auch seinen Buchhalter ausgewechselt. Zudem zahle er heute pro Stunde 3 Franken mehr als der GAV verlangt. Und was sagt er zur Konkurrenzbude Silva, bei der eine Stunde Unterhaltsreinigung bloss 40 Franken kostet? Für Durães ist klar: “Viel zu billig, das kann nicht funktionieren!”


Malerinnen, Zimmerinnen und eine Tunnelbauerin sagen, was sich ändern mussDamit’s auf dem Bau mehr Büezerinnen gibt

Die «Männerdomäne» Bau will mehr Frauen anziehen. Doch diese haben Forderungen – und jetzt gute Karten.

MALERINNEN & CO. fordern Verbesserungen. (Foto: Matthias Luggen)

Die Bauwirtschaft boomt, und die Betriebe suchen händeringend nach Fachleuten und Lernenden. Das stärkt die Position aller Lohnabhängigen. Sie haben gute Chancen, ihre Anliegen durchzusetzen. Besonders gilt das für Frauen. Denn selbst die konservativsten Arbeitgeberverbände haben erkannt: Der Bau darf kei­­ne «Männerdomäne» bleiben. Doch zu oft ist die Einsicht blosse Theorie geblieben. Und die beschlossenen Massnahmen gehen nicht weit genug. Oder sie werden nur halbherzig umgesetzt.

FEHLENDE WC. Zum Beispiel im Malergewerbe. Dort sind heute 40 Prozent der Lernenden Frauen – ein Branchenrekord! Doch viele Malerinnen verlassen den Beruf schnell wieder. Etwa weil sie eine Familie gründen, aber Teilzeitmöglichkeiten rar sind. Aber auch, weil Baustellen und Betriebe noch immer voll auf Männer ausgerichtet sind, weil (Frauen-)WCs und separate Umkleidekabinen fehlen, weil Respekt für zu viele Chefs und Kollegen ein Fremdwort ist oder wegen Übergriffen und Belästigungen. Die Folge: Im Total der Malerbranche beträgt der Frauenanteil nur noch rund 20 Prozent. Noch schlimmer steht’s ums übrige Ausbaugewerbe. Dort liegt der Frauenanteil noch im einstelligen Prozentbereich!

GROSSE UMFRAGE. So kann es nicht weitergehen. Deshalb hat die Unia eine Online-Umfrage lanciert (rebrand.ly/frauambau). Sie richtet sich an alle Bau-Frauen und will herausfinden, wo Verbesserungen am dringendsten sind. Dazu Umfrage-Leiterin Daniela Karst: «Der Rücklauf ist erfreulich. Wir haben schon über 200 Meldungen von Malerinnen, Garten­bauerinnen, Maurerinnen, Elektrikerinnen, Sanitärin­stallateurinnen, Dachdeckerinnen, Schreinerinnen, Zimmerinnen und sogar von einer Tunnelbauerin.» Die Umfrage läuft noch bis Ende März. Die Resultate werden am na­tionalen Bau-Büezerinnen-Kongress vom 22. April in Bern diskutiert.

Anmeldung per Mail an gewerbe@unia.ch. Anreise, Mittagessen und Sitzungsgeld bezahlt die Unia.

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