worktag

Malerin Stephanie Wegmann (44): «Dreckige Farben sind besser als reine»

Christian Egg

Vor vier Jahren war der Frauen­streik für Stephanie Wegmann noch kein Thema. Jetzt aber schon! Die Malerin sagt, was sich geändert habe – und warum sie ihre Küche trotzdem nicht schwarz streiche.

FÜR MALERIN Stephanie Wegmann (44) sind weisse Wände die Ausnahme. (Foto: Michael Schoch)

Farben, das sei ein total emotionales Thema, sagt Stephanie Wegmann: «Das kann fast einen Ehekrach auslösen!» Zum Beispiel: Die Frau will unbedingt eine violette Wand, der Mann auf gar keinen Fall. Da ist die 44jährige gefordert. Als gelernte Malerin, diplomierte Farbgestalterin – und vor allem als leidenschaftliche Handwerkerin.

work trifft sie in ihrer Werkstatt im Oltner Industriegebiet. Seit sieben Jahren ist Unia-Mitglied Wegmann als Selbständige unterwegs. Was sie an ihrer Arbeit besonders reize, sei die grosse Abwechslung. «Es ist nicht immer ‹Menu eins›. Ich liebe es, aus etwas Gegebenem das Beste herauszuholen.» Etwa, wenn in einem Wohnzimmer ein schönes Sofa steht. Dann hilft die Berufsfrau dabei, die passende Farbe für Wände, Decke oder Boden zu finden. Oft zückt sie dafür das Handy und macht Fotos vom Raum. Dann testet Wegmann am Computer die Farben aus und kann ihren Kundinnen und Kunden so – noch bevor der erste Pinselstrich gemacht ist – erste Resultate vorführen.

SCHABLONEN. Auf Weiss fällt die Wahl dabei selten. Die Malerin arbeitet meist für Kundinnen und Kunden, die etwas Spezielles wollen. Dazu gehören auch Tapeten mit aufgedruckten Pflanzen oder Zeppelinen sowie Schablonenmuster. «Das ist eine Spezialität von mir», sagt Wegmann. Steht auf und öffnet Schubladen mit zig Plasticfolien, in die verschnörkelte Ornamente oder Blumenmuster gestanzt sind. Was eher unspektakulär aussieht, hat hierzulande tatsächlich grossen Seltenheitswert: «Die kann man bei uns nicht kaufen», sagt Wegmann über ihre Schablonensammlung. Sie bestellt sie aus den USA oder stellt sie selber her. Die Anwendung selbst sei dann keine Hexerei mehr: «Mit dem Pinsel oder dem Roller drüber, entweder einmal oder die ganze Wand voll. Das geht schnell und ist nicht extrem teuer. Und doch hast du eine Wand, die einzigartig ist.»

Doch wie verhindert sie jetzt den Ehekrach bei der Farbwahl? Etwa, indem sie zu weniger knalligen Farben rate. Oft höre sie Sätze wie: «Ich liebe Hellblau, so soll die Wand aussehen.» Dann warne sie. Denn an der Wand wirke eine reine Farbe viel greller als auf einem T-Shirt. «Das erschlägt dich. Besser sind zurückhaltende, weniger kräftige Töne. Oder wie wir sagen: dreckige Farben.»

Eine Lieblingsfarbe habe sie selber nicht. Aber eine Vorliebe für dunkle Farben, am liebsten mit einer samtigen Oberfläche – das gebe eine phänomenale Raumwirkung. Es sei ein Märchen, dass ein Raum dadurch kleiner wirke. «Im Gegenteil! Eine dunkle Farbe lässt die Wand als Grenze verschwinden und gibt den Eindruck von Distanz.»

Und das funktioniert immer? Die Malerin lacht und erzählt, als Test habe sie einmal ihre Küche schwarz gestrichen. Alle vier Wände und den Boden. «Da habe ich gemerkt, das ist zu viel, das geht nicht.» Jetzt ziert ein Sandton ihre Küche.

STREIK. Als Handwerkerin sei es für sie selbstverständlich, bei der Unia zu sein. Einen Widerspruch zu ihrer beruflichen Selbständigkeit sieht Wegmann nicht: «Ich will gut leben können von meinem Beruf. Das geht nur, wenn die Arbeit auch anständig entlöhnt wird. Und dafür braucht es eine Gewerkschaft.» Deshalb wird sie am 14. Juni auch zum Frauenstreik auf die Strasse gehen, zusammen mit anderen Malerinnen aus der Region. Für Lohngleichheit – «und um zu zeigen, dass wir nicht nur zwei, drei Frauen sind, die das wollen».

Allerdings, und jetzt wird sie etwas kleinlaut: 2019 sei der Frauenstreik noch kein Thema für sie gewesen. Denn: Ihre Mutter habe immer gearbeitet, auch als die Kinder klein waren. Und ihr Mann komme aus Ostdeutschland – für ihn sei es auch selbstverständlich, dass Frauen in der Arbeitswelt gleichberechtigt seien. «Ich dachte, was für mich normal ist, gilt für alle anderen auch. Bis ich auf den sozialen Medien diese Typen sah, die total frauenfeindliche Sprüche von sich gaben – und dafür noch Applaus bekamen. Das hat mich ziemlich schockiert.»

Foto: Michael Schoch

NETZWERK. Seither ist für die Malerin klar: Sie will zeigen, dass es viele starke Frauen gibt. Frauen, die ihren eigenen Weg gehen und zum Beispiel eine Firma leiten – gerade im Handwerk. Und davon gibt es so einige: Sie selbst ist Teil eines selbstorganisierten Netzwerks von Malerinnen, die sich gegenseitig aushelfen. Hat eine einen grossen Auftrag, fragt sie die anderen, wer mithelfen möchte – als Freelancerin. Das funktioniere extrem gut, sagt Wegmann. Fast die Hälfte der Zeit arbeite sie dadurch mit der einen oder anderen Kollegin zusammen. «Das gibt Abwechslung, und dank dem Netzwerk kann ich auch grössere Projekte übernehmen.»

Das grösste Projekt erwartet Wegmann allerdings zu Hause: Vor fünf Jahren hat sie zusammen mit ihrem Mann ein Haus gekauft. «Eine ganz alte Hütte, sehr klein und sehr verlottert.» Seither sei sie am Umbauen, «wie es Handwerkerinnen halt so machen», sagt sie und lacht. Im ersten Jahr hätten sie im Keller gewohnt, der Rest des Hauses sei eine einzige Baustelle gewesen. Jetzt gerade sei die Dusche dran. Und auch der ganz grosse Traum nehme langsam Gestalt an: das alte Giebeldach abreissen, den Dachstock vergrössern – «und obendrauf ein Flachdach, bewachsen mit einer Biodiversitäts-Wiese». Die Pläne dafür hat sie schon mal zeichnen lassen.


Stephanie Wegmann  Immer auf Draht

So sieben bis maximal zehn Jahre, sagt Stephanie Wegmann. «Dann wird mir ein Job langweilig, und ich muss etwas anderes machen.» Nach der Malerinnenlehre im Zürcher Unterland und zehn Jahren im Beruf machte sie die Handelsschule und arbeitete dann in einem Bürojob. Wieder acht, neun Jahre später zügelte Wegmann für ein Praktikum nach Olten, verliebte sich in ihren heutigen Mann, einen Lastwagenfahrer, und blieb.

Beruflich ging’s weiter mit dem dreijährigen Lehrgang Farbgestaltung, seither ist sie selbständig. Ihr Ziel sei es, übers Jahr rund 60 Prozent zu arbeiten. Dafür zahlt sich die Malerin

2500 Franken im Monat aus: «Das reicht für den Alltag, der Rest bleibt in der Firma. Das brauchen wir dann für Ferien oder fürs Haus.»

EIGENER SHOP. Und Wegmann plant bereits den nächsten Schritt: «Sieben Jahre sind durch. Jetzt möchte ich einen Laden für Schablonen aufbauen.» Einen Hersteller hat sie schon kontaktiert, an einem Webshop arbeitet sie ebenfalls.

Schreibe einen Kommentar

Bitte fülle alle mit * gekennzeichneten Felder aus.