Katar-Chronologie:

So machten die Gewerkschaften Druck

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Seit der Vergabe der Fussball-WM an Katar 2010 kämpften internationale Gewerkschaften gegen das sklavenähnliche Arbeitssystem im Wüstenstaat. Nicht vergebens.

SCHÖNER SCHEIN: Katar glänzt mit seiner prächtigen WM-Kulisse, nicht aber mit Arbeiterrechten. (Foto: Keystone)

2010: Die Fifa vergibt die Fussball-WM 2022 an Katar. Trotz Warnungen von Gewerkschaften und Menschenrechtsorganisationen. Der Wüstenstaat setzte sich damit gegen Südkorea, Japan Australien und die USA durch. Wie genau es dazu kam, ist bis heute unklar. Der Korruptionsverdacht hält sich hartnäckig.

2011: Bei einem Treffen mit der Fifa kündigt eine Delegation des Internationalen Gewerkschaftsbunds (IGB), der Internationalen Baugewerkschaft (BHI) und der Unia an, die WM in Katar wegen der tödlichen Arbeitsbedingungen mit einer Kampagne zu bekämpfen.

(Foto: Omar Chatrwala)

2012: Die IGB-Generalsekretärin Sharan Burrow kündigt eine Untersuchung der Arbeitsbedingungen in Katar an. Unter ihrer Führung findet in Doha eine Demonstration gegen die sklavenähnlichen Bedingungen statt – zum ersten Mal in der Geschichte Katars.

2013: Die internationalen Gewerkschaften verlangen eine Neuvergabe der WM. Sie fordern die Fifa ausserdem dazu auf, gemeinsame Arbeitskontrollen in Katar vorzunehmen.

2014: In einem Sonderbericht dokumentiert der IGB die Schicksale der Arbeitsmigrantinnen und ‑migranten im «Sklavenstaat» Katar. Betroffene berichten von plötzlichen Todesfällen, Gewalt, Ausbeutung, konfiszierten Pässen und Ausschaffungen.

Der IGB reicht bei der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) eine Beschwerde gegen Katar ein.

2015: Zum Fünf-Jahr-Jubiläum der WM-Vergabe warnen die Gewerkschaften: Passiert nichts, gibt es bis zum WM-Anpfiff mehr als 7000 tote Bauarbeiter. Auch die ILO macht Druck. Sie verlangt von Katar, internationale Standards einzuhalten. Erste «Reformen» erweisen sich als leere Versprechen.

(Foto: Keystone)

2016: Gegen die internationalen Gewerkschaften wird eine Desinformationskampagne gestartet. Dabei werden E-Mail-Konten des IGB gehackt.

Am 15. November 2016 gelingt ein Durchbruch: Die BHI und das Supreme Committee, das für den Bau der WM-­Infrastruktur zuständig ist, unterschreiben ein Abkommen. Hauptpunkt: gemeinsame Arbeitsinspektionen auf den Stadionbaustellen.

2017: Eine Gewerkschaftsdelegation kontrolliert erstmals die Arbeitsbedingungen auf den WM-Baustellen. Auch die Unia gehört dazu.

Nach der Drohung der ILO, eine Untersuchungskommission einzusetzen, kündigt Katar erstmals echte Reformen an: Das berüchtigte «Kafala»-System, das die Arbeitenden den Chefs schutzlos ausliefert, soll fallen.

 

Foto: BHI

2018: Die ILO eröffnet ein Büro in Katar. Erste Reformen werden verabschiedet: Arbeitende sollen selber bestimmen können, wann sie ihren Job wechseln oder das Land verlassen wollen. Die Konfiszierung von Pässen wird verboten und ein nationaler Mindestlohn eingeführt (1000 Rial pro Monat, ca. 275 Dollar). Erstmals haben auch Hausangestellte Rechte.

2019–2021: Die Inspektionen der Gewerkschaften verbessern die Bedingungen auf den WM-Baustellen. Die Arbeitssicherheit steigt, die Löhne werden bezahlt, und mit Hilfe der BHI bilden sich Foren, in denen Arbeiter ihre Anliegen gegenüber den Chefs vertreten können. Davon profitieren rund 37 000 Arbeiter. Zwischen 2017 und 2021 kommt es auf den Stadionbaustellen gemäss BHI und dem Supreme Committee zu drei tödlichen Arbeitsunfällen. 34 weitere Stadionarbeiter sterben abseits der Baustelle. Der Bau der WM-Stadien wird abgeschlossen.

Ausserhalb der WM-Baustellen bleibt die Situation oft prekär: Viele Reformen existieren erst auf Papier. Die Behörden richten Beschwerdestellen für Arbeitende ein, trotzdem kommen fehlbare Firmen unbescholten davon.

(Foto: Keystone)

2022: Eine Delegation der BHI inspiziert die Arbeitsbedingungen von Hotels, die zu den offiziellen WM-Unterkünften gehören. Damit sind die internationalen Gewerkschaften in Katar erstmals in einer Branche abseits der Bauwirtschaft aktiv.

Zweieinhalb Monate vor WM-Anpfiff verhaftet Katar 16 Bauarbeiter, die dagegen protestieren, dass sie über ein halbes Jahr keinen Lohn erhalten haben. Die BHI kritisiert das Vorgehen. Katar verspricht, die ausstehenden Löhne zu bezahlen.

Gewerkschaften bleiben weiterhin verboten.

2023: Die internationalen Gewerkschaften verlangen, dass Katar die Arbeitsreformen auch nach der Fussball-WM beibehält – und endgültig durchsetzt!

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