Editorial

Ach, du lieber Schwan!

Anne-Sophie Zbinden

Anne-Sophie Zbinden, Chefredaktorin

Das Nachbarskind hat mir kürzlich offenbart, sein Berufswunsch sei Reichwerden. Aber wie? Als Mafiaboss oder eine Bank überfallen? Nein, in der Schweiz geht’s auch ganz legal: als Pharma-Chef, Bank-CEO oder Ems-Chemie-Aktionärin. Das ist leider nicht neu. Empörend ist aber die Dreistigkeit, mit der sich die Reichen trotz Krise bereichern. Im letzten Jahr hat sich die Lohnungleichheit in der Schweiz noch vergrössert (s. Was jetzt teuerer wird, tut im Portemonnaie richtig weh, Geldregen für Chefs, Brösmeli für Büezer). Oben prassen, unten sogar schassen. So geschehen bei Novartis: Im Jahr 2021 hat CEO Vasant Narasimhan 11,3 Millionen garniert. Das ist 195 Mal mehr als die niedrigsten Einkommen der Novartis-Mitarbeitenden. Trotzdem will der Pharmamulti weltweit 8000 Stellen abbauen, davon 1400 in der Schweiz. Oder Roche-Führer Severin Schwan. Seit Jahren steht er bei der Unia-Lohnungleichheitsstudie an der unrühmlichen Spitze der «Bad Ten»Schwan garniert über 15 Millionen Franken pro Jahr. Die Roche-Lohnschere beträgt 1 : 307. Oder anders ausgedrückt: Die Mitarbeitenden mit den tiefstmöglichen Löhnen müssten 307 Jahre arbeiten, um gleich viel zu verdienen wie der Roche-CEO in einem einzigen Jahr. Ach, du lieber Schwan!

Nach dem Dürre-Sommer folgt der heisse Herbst.

DARUM! Nach einem Dürre-Sommer folgt jetzt ein heisser Herbst: Die Teuerung frisst den Lohnabhängigen ein Loch ins Portemonnaie. Darum: Rauf mit den Löhnen! Schliesslich hat der Chef des Warenprüfungskonzern SGS, Frankie Ng, auch eine Lohnerhöhung von 109 Prozent erhalten. Da scheint die Forderung der Gewerkschaften geradezu bescheiden: Teuerungsausgleich plus einen Anteil am Produktivitätsgewinn der letzten Jahre. 

Die rechten Parteien und die Finanzindustrie wollen die AHV schwächen, auf dem Buckel der Frauen, und uns alle erst noch länger chrampfen lassen. Darum: 2 Mal Nein zum AHV-Abbau! Denn die AHV ist eine solide und preisgünstige Altersvorsorge. 

Heiss ist und bleibt es für die Bauleute. Auch weil der Baumeisterverband sich bislang gegen einheitliche und verbindliche Hitzeregeln sträubt. Darum: Mehr Schutz und Hitzeregeln! Und eine Festlegung dieser Regelungen im neuen Landesmantelvertrag (LMV). Doch die Baumeister wollen lieber die 50-Stunden-Woche. 

Frische gibt’s wohl erst im Winter. Besonders für jene, die sich keine warme Stube mehr leisten können. Denn Haushalte mit den tiefsten Einkommen zahlen einen mehr als drei Mal so hohen Anteil ihres Einkommens für Energie, Mieten und Krankenkassenprämien als die reichsten Haushalte. Kühl könnte es auch deshalb werden, weil die Schweiz die Energiewende verschlafen hat und nach wie vor öl- und gasabhängig ist. Darum: Ja zu mehr Solarenergie! Und wieso nicht auch zur Sandbatterie?  

GEGENPOL. Ich übernehme das work-Steuer in bewegten Zeiten. Die Angriffe auf Löhne, Renten und Arbeitszeiten sind nicht neu, erhalten aber unter dem Deckmantel der Krise neuen Aufwind. Darum braucht es die Gewerkschaften. Darum braucht es ein work, das work bleibt: eine linke Zeitung, die sich zu einem anwaltschaftlichen Journalismus bekennt. Ein Sprachrohr der Büezerinnen und Büezer, ein Gegenpol zu den Reichen und Mächtigen. 

Doch nicht alles bleibt beim Alten. Neu bei work ist Darija Knežević. Sie ist als Praktikantin in der «Blick»-Wirtschaftsredaktion bei der Zeitungs­lektüre auf work gestossen. Ihr war sofort klar: «Dort will ich hin!» Danke, Ringier! Neu ist auch der Comic. Vulpino ist ein schlauer Fuchs, der auch Zähne zeigen kann. 

Willkommen, liebe Darija, willkommen, Vulpino! Und willkommen, liebe Leserinnen und Leser, im neuen alten work. 

1 Kommentar

  1. O. Gröflin

    In unserem Lande gibt es seit Jahrzehnten folgenden sozioökonomischen Konsens: Reiche reicher zu machen gilt gesellschaftspolitisch als gut, Arme weniger arm zu machen demgegenüber nicht. Dieses Gedankengut ist bestens verankert.
    Es reicht nicht, die Folgen einer irren Wirtschaftsideologie zu bekämpfen, der Kampf muss den Ursachen gelten!

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