Editorial

Alles im Rahmen

Marie-Josée Kuhn

Marie-Josée Kuhn, Chefredaktorin work

Dieses Rahmenabkommen ist ein richtiges Männerding! Nicht, dass es uns Frauen im Alltag nicht direkt betroffen hätte. Und nicht, dass auf Seiten der EU keine mächtige Frau am Ruder wär. Die familienbesessene Ursula Gertrud von der Leyen, fröhliche Mutter von sieben Kinderlein. Gott und der CDU zum Grusse!

Auf Schweizer Seite jedoch fuhr eine reine Männerriege dieses Rahmen­abkommen an die Wand. Kamikaze-Pilot Ignazio Cassis als Aussenminister und Roberto Balzaretti als sein Chef­unterhändler. Und als dieses Abkommen schon röchelnd am Boden lag, da durfte auch noch der «Schneider-­Hannes» ans Verarzten, Ex-FDP-Bundesrat Johann Schneider-Ammann. Und schliesslich Traubenbauer a. D. Guy Parmelin (SVP). Doch auch sein stolzer Gang nach Canossa konnte nichts mehr ändern. Dieses Rahmenabkommen musste begraben werden: R. I. P.

Warum ist dieses RahmenZeug so ein Männerding?

SOGAR DREI. Jetzt grübeln sie, wie das nur so weit hatte kommen können: sieben Jahre nichts als Tränen! Und es sind wieder: Männer. Im work sogar drei. Nicht, dass sie nichts Spannendes zu sagen hätten. Im Gegenteil! Zum Beispiel der frühere oberste Gewerkschafter im Land, Paul Rechsteiner. Er war es gewesen, der im Sommer 2018 noch rechtzeitig die Notbremse zog, als dieses Rahmen­abkommen auf die schiefe, neoliberale Bahn geriet. Rechsteiner erhielt damals Geheimprotokolle der Verhandlungen. Und traute seinen Augen nicht: Statt den Schweizer Lohnschutz zu verteidigen, bot ihn Chefunterhändler Balzaretti zum Abschuss an. Es war der Totalverrat an den «roten Linien» des Gesamtbundesrates. Balzaretti erklärte den Gewerkschaften den Krieg.

Ok, Balzaretti wurde irgendwann schonend von der Rahmen-Bühne entfernt. Und es kam endlich: eine Frau! Chefunterhändlerin Livia Leu Agosti. Doch das geschah erst, als der Scherbenhaufen schon angerichtet war. Wir kennen das aus der Geschichte: Immer wenn gar nichts mehr geht, holt Mann die Frauen. Zum Kitten und Flicken. Doch auch dafür war’s zu spät.

LOGO. Immerhin: inzwischen hat Frau dem irrlichternden Cassis das Rahmendossier entzogen. Und wir rudern jetzt mit Justizministerin Karin Keller-­Sutter weiter (auch FDP). Und selbstverständlich äussert sich in diesem work auch Unia-Chefin Vania Alleva zum Wie-weiter. Doch die bange Frage bleibt: Warum ist dieses ­Rahmen-Zeug so ein Männerding? Selbst beim Duo an der SP-Spitze steht der Mann im Rahmen.

Ein Gschpänli hat’s mir kürzlich erklärt: Da gehe es halt um Mechanik. Um Polit-Mechanik. Ums Après-und-Avant-Chambrieren. Ums Schrübälä. Um den geilsten Spin (-Doktor). – Schpinnsch eigentlich? fragte ich ihn. Denn logo, es war ein Mann!

2 Kommentare

  1. Peter Bitterli

    Also, die Unia und ihre Blättchenmacherinnen könnten ja mal irgendetwas aus dem Themenumfeld Gender-Identity-Diversity zur Abstimmungsreife bringen und dem Schweizer Volk zur Abstimmung vorlegen lassen. Um im Gegensatz zum heutigen 13. Juni mal so einen richtigen Erfolg einzufahren. Das bringt doch die Arbeiterschaft an die Urnen!

  2. Dore Heim

    Keine Glanzleistung!
    Die Gewerkschaften und der SGB dürfen zu Recht stolz sein auf die flankierenden Massnahmen, die sie konzipiert und politisch durchgesetzt hatten. Ein Meisterwerk! Die Notbremse hat Paul Rechsteiner – auch zu Recht – im Sommer 2018 gezogen, als die Verhandlungsdelegation der Bundesverwaltung die FlaM als Pfand in die (Poker)-Runde mit der EU-Kommission schmiss.
    Aber seither haben wir bloss noch Hinhaltetaktik in diversen Arbeitsgruppen perfektioniert. Die hauptsächlich mit Männern bestückt waren, die nicht an Selbstzweifeln krankten.
    Eine Neubesetzung wäre auch bei uns keine schlechte Idee. Wo ist die Regisseurin, die uns Gewerkschaften wieder eine Hauptrolle auf dieser so zentralen wirtschaftlichen und aussenpolitischen Bühne verschafft? Unsere Kolleginnen und Kollegen in Europa würden noch so gern mit uns gemeinsam für EU-weit geltende FlaM kämpfen. Uns zum Vorbild nehmen. Europa geht nicht ohne uns.
    Dore Heim

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