Gelernt aus dem letzten Frühling. Keine Haurucköffnung, aber:

Bundesrat macht trotz Corona-Mutanten auf

Clemens Studer

Der Bundesrat will ­stufenweise das Land wieder öffnen. Diesmal aber nicht so überstürzt wie im vergangenen Jahr. Aber der Schutz von Löhnen und Lohnabhängigen bleibt ungenügend.

LOCKERUNGEN: Besuche im Museum – etwa im Naturhistorischen Museum in Genf – sind ab dem 1. März wieder möglich. (Foto: Keystone)

Wie bereits im vergangenen Frühling haben Wirtschaftsverbände und rechte Parteien in den vergangenen Tagen und Wochen für eine Haurucköffnung getrommelt. Obwohl die epidemiologische Entwicklung der Corona-Pandemie mit den Virusmutanten unübersichtlich ist. Bei derzeit sinkenden Fallzahlen. Diese sinken vor allem wegen der vom Bundesrat verschärften Massnahmen. Dennoch ist der sogenannte Schweizer Weg im Unterschied zu den Nachbarländern nur ein Büsi-Lockdown (siehe Spalte links).

Der Bundesrat hat einige Forderungen der Gewerkschaften
endlich aufgenommen.

NICHT NOCH EINMAL

Im Frühsommer 2020 hatte sich die Landesregierung noch dem Druck der Jammeri-Kantone und Wirtschaftsverbände gebeugt. Und entgegen der Empfehlungen der Wissenschafterinnen und Wissenschafter in viel zu kurzer Zeit viel zu weit gehende Lockerungen der Anti-Pandemie-Massnahmen beschlossen. Die Folge: Die Schweiz lief voll in den Hammer der zweiten Welle. Diesmal scheint es auch die rechte Bundesratsmehrheit besser machen zu wollen.

Das am Mittwoch beschlossene Massnahmenbündel schickt die Landesregierung nun bei den Kantonen in die Vernehmlassung. Sie ist nötig, weil nach dem rechten Trommelfeuer vom vergangenen Jahr nicht mehr die «ausserordentliche Lage» gilt, in der der Bund alleine entscheiden konnte. Zwar haben die Kantone in den seither vergangenen Monaten eindrücklich bewiesen, dass die meisten von ihnen Pandemiebekämpfung nicht können. Trotzdem ist immer noch eine knappe Mehrheit von ihnen dagegen, dem Bundesrat wieder mehr Kompetenzen in der Pandemiebekämpfung zu geben.

DIE VORSCHLÄGE

Der Bundesrat schlägt den Kantonen per 1. März konkret folgende Änderungen des Corona-Regimes vor:

  • Läden können wieder öffnen, mit Schutzkonzept.
  • Museen, Bibliotheken, Zoos und botanische Gärten wieder offen.
  • Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre sollen wieder den meisten sportlichen und kulturellen Aktivitäten nachgehen können. Sport- und Freizeitanlagen sollen deshalb ab 1. März wieder offen sein.
  • Im Freien sollen sich bis zu 15 Menschen treffen können.
    Beibehalten werden noch mindestens bis Ende März die übrigen Lockdown-Massnahmen. Insbesondere bleiben die Beizen zu, und die Homeoffice-Pflicht bleibt. Definitiv entscheiden will der Bundesrat nach den Rückmeldungen der Kantone am 24. Februar.

WIRTSCHAFTLICH UNGENÜGEND

Der Bundesrat hat jetzt einige Forderungen der Gewerkschaften endlich aufgenommen. Zum Beispiel zusätz­liche Taggelder in der Arbeitslosenversicherung, um weitere Aussteuerungen zu verhindern. Und die Verlän­gerung der Höchstbezugsdauer von Kurzarbeitsentschädigungen. Und endlich sollen auch Kulturschaffende rückwirkend Anspruch auf Ausfallentschädigung haben. Störend ist dagegen, dass sich der Bundesrat weiterhin weigert, die Kurzarbeitsentschädigung auf 100 Prozent für alle Löhne bis 5000 Franken zu erhöhen. Gerade in den von den Massnahmen zur Pandemiebekämpfung besonders betroffenen Branchen wie der Gastronomie sind kleine und mittlere Löhne weit verbreitet. Bei den Härtefall-Geldern hat der Bundesrat zusätzliches Geld gesprochen. Was SVP-Finanzminister Ueli Maurer offensichtlich reut, wie an der bundesrätlichen Medienkonferenz kaum zu überhören und zu übersehen war (siehe unten «Bund stockt auf, Kantone stocken.»).

WIE WEITER?

Weil die Haurucköffnung im Frühsommer die Schweiz in die zweite Coronawelle getrieben hat, will der Bundesrat dieses Mal vorsichtiger vorgehen. Weitere Öffnungsschritte zu den jetzt beschlossenen will er dieses Mal im Monatsrhythmus prüfen. Und zwar aufgrund der epidemiologischen Lage. Denn die Situation ist unübersichtlich, obwohl die Zahlen in den vergangenen Wochen gesunken sind. Die Auswirkungen der neuen Virusvarianten auf die Situation sind noch unklar. Klar ist nur, dass der Anteil der Mutanten an den gemeldeten Ansteckungen stark und schnell steigt. Wie schnell eine solche Situation aus dem Ruder laufen kann, zeigt zum Beispiel die dramatische Lage in Portugal.


Corona II:  Blocher-Clan kassiert ab

BLOCHER-CLAN. (Fotos: Marc Wetli / 13 Photo, istock, Getty; Montage: work)

Sich die Löhne der Mitarbeitenden von der Allgemeinheit bezahlen lassen und sich gleichzeitig die privaten Taschen vollmachen mit billig versteuerten Dividenden: Was für alle hart arbeitenden Frauen und Männer ein Schlag ins Gesicht ist, ist in der Schweiz möglich. Dank der rechten Parlamentsmehrheit von SVP bis GLP. Sie lehnten das Dividendenauszahlungsverbot ab.

ABZOCKER. Ganz vorne dabei bei der Abzockerei: der Blocher-Clan. Der Blocher-Konzern schüttet jetzt 398 Millionen Franken Dividenden aus. Mehr als die gesamten Lohnkosten. Davon wandern 263 Millionen auf die Konten von Magdalena Martullo-Blocher (Ems-Chemie), Rahel Blocher (Läckerli-Huus) und Miriam Baumann-Blocher (irgendwas bei Papa).


Corona III:  Swiss ausser Rand und Band

Die Luftfahrtindustrie ist ein Auslaufmodell. Wegen des Klimawandels. Und weil die Corona-Pandemie der Geschäfts- und Ferienfliegerei zusätzlich zusetzt. Das gilt auch für die Swiss. Die einstige schweizerische Fluggesellschaft, die unter der Ägide der damaligen Bundesräte Hans-Rudolf Merz (FDP) und Christoph Blocher (SVP) an die deutsche Lufthansa verscherbelt wurde.

FETTE BONI. Aber die Fliegerei hat eine starke Lobby im Bundeshaus. Darum wurde die Firma als eine der ersten Branchen üppig unterstützt: mit fast 2 Milliarden Franken. Einem Beitrag, von dem etwa Kitas und Kultur nur träumen können. Ohne klimapolitische oder soziale Vorgaben. Mit dem Geld der Steuerzahlenden füllten sich die Swiss-Manager erst mal die eigenen Taschen und zahlten sich Boni aus. In Millionenhöhe! Jetzt hat die Swiss-Führung den GAV mit den Piloten (Frauenanteil knapp 5 Prozent) gekündigt. Dumm für den kuschligen Berufsverband «Aeropers», der kein Mitglied des SGB ist. Im Unterschied zu «Kapers», der Gewerkschaft des Kabinenpersonals.


Corona IIIIImpfen: Es läuft (sosolala)

LICHTBLICK: Das Johnson-&-Johnson-Vakzin ist einfach in der Herstellung und braucht kein Tiefkühlen. (Foto: Keystone)

Der Bund hat über 30 Millionen Impfdosen bestellt. Und hofft, bis im Sommer alle geimpft zu haben, die das wollen. Trotz Lieferschwierigkeiten der Pharmamultis. Auf die muss sich das Land verlassen, weil es politisch gewollt keine inländische Impfstoffentwicklung gibt.

ENGAGEMENT. Vor der Pandemie war die Entwicklung von Impfstoffen ein Verlustgeschäft der Pharmariesen. ­Unterdessen sind immerhin rund 80 Prozent der Patientinnen und Patienten in Alters- und Pflegeheimen geimpft.

Irgendwann im Sommer wird das auch für die restliche Bevölkerung gelten. Dafür braucht es allerdings das Engagement der Kantone, die im Sommer 2020 so heftig und lautstark ihre «Zuständigkeit» eingefordert haben. Aber zu einem grossen Teil vergassen, dass «Zuständigkeit» auch «Verantwortung» bedeuten würde.


Corona V:Bund stockt auf, Kantone stocken

Der Bund erhöht die Hilfen für Härtefälle von 5 auf 10 Milliarden Franken. Davon sind 6 Milliarden für kleinere und mittlere Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 5 Millionen Franken reserviert.
3 Milliarden sind für grössere Unternehmen vorgesehen. Darunter sind auch Filialketten zu verstehen. Diese können jetzt für jede Filiale ein Härtefallgesuch stellen und können die Gesuche vereinfacht am Sitzkanton des Unternehmens einreichen.

FLICKENTEPPICH. Zudem stockt der Bundesrat die bestehende Bundesratsreserve für besonders betroffene Kantone auf 1 Milliarde Franken auf. Doch wie in der ganzen Pandemie­bekämpfung gibt es auch bei den ­Härtefallgesuchen einen kantonalen Flickenteppich. Während einige Kantone schnell entscheiden und zum Teil auch eigene, zusätzliche Gelder sprechen, warten in anderen Kantonen Unternehmerinnen und Unternehmer seit vielen Wochen auf einen Entscheid. Und vor allem auf das dringend benötigte Geld.

 


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