Drei Büezerinnen sagen Diskriminierung den Kampf an:

«Hey, Sexismus ist nicht okay!»

Patricia D'Incau

Fast täglich berichten Schreinerin Eva, ­Malerin Fabienne und Grafikerin und Verkäuferin Joëlle auf Instagram über Sexismus im Berufsalltag. Mit echten Beispielen aus dem echten Leben. Und treffen damit einen Nerv.

DREI FRAUEN, EIN ZIEL: Endlich Gleichstellung, und zwar für alle! (Foto: Matthias Luggen)

Sie wollten vor allem Dampf ablassen, als sie im Sommer auf Instagram ihren «Büezerinne»-Account eröffneten und die ersten Beiträge posteten. Allesamt «Müsterli» von sexistischen Situationen, die sie als Frauen in ihrem Arbeitsalltag erleben: Schreinerin Eva und Malerin Fabienne als Frauen in klassischen Männerdomänen. Und Joëlle im Verkauf, wo zwar mehrheitlich Frauen arbeiten, aber trotzdem – oder gerade deshalb – so manche Kunden Grenzen überschreiten. «Da wirst du etwa ungefragt angefasst, am Rücken, an den Schultern …», erzählt Joëlle. «Und einmal hat mich ein älterer Mann am Schlüsselband um meinen Hals gepackt und mich zu sich gezogen.» Da habe sie sich endlich gewehrt. So, wie es auch Schreinerin Eva nicht mehr einfach hinnimmt, wenn einer auf der Baustelle mal wieder nach ihrem «Chef» verlangt, obwohl sie die Zuständige ist. Oder Malerin Fabienne, wenn sich die Männer hinter ihrem Rücken versammeln und zuschauen, «ob ich auch wirklich alles richtig mache, weil ich ja eine Frau bin».

Passiert das öfter? Fabienne lacht: «Ja, das ist schon so der Klassiker.» Auch nach Jahren im Beruf noch.

«Der Moment, wenn dir dein Maschinenkundelehrer sagt, dass du diese Ausbildung sowieso nur machst, damit dich jeder der Klasse flachlegen kann.» (Foto: Instagram /buetzer_inne)

MEHR ALS BLÖDE SPRÜCHE

Davon haben die Büezerinnen genug: «Wir wollen Gleichberechtigung und Gleichstellung. Und zwar für alle, ganz egal, welchen Geschlechts!» Ihre Methode: Sexismus bekämpfen, indem sie ihn sichtbar machen.

Das wirkt: Seit die drei Freundinnen angefangen haben, auf Instagram darüber zu reden, tun das viele andere auch. Fabienne: «Viele bedanken sich bei uns, dass wir darüber reden. Und einige schreiben uns ihre eigenen Erlebnisse.» Die werden anonymisiert auf dem «Büezerinne»-Kanal veröffentlicht. Fast 1400 Follower hat der mittlerweile. Rund hundert Berichte wurden schon geteilt.

Da ist die Kauffrau, die von ihrem Chef trotz Maske aufgefordert wird zu lächeln. Nämlich «mit den Augen». Oder die Hauswartin, die sich an ihrer Abschlussprüfung anhören muss, dass sie besser den Haushalt erledigen würde, «anstatt Männern den Job streitig zu machen». Und ein Chef sagt der Verkäuferin, sie solle ihre Brüste mehr zeigen, «damit sich deine Verkaufszahlen verbessern». So geht es weiter. Bis hin zu physischen Übergriffen.

Eine Malerin berichtet, wie sie ein Typ auf der Baustelle einfach packt, an die Wand drückt und ihr seine Zunge in den Mund steckt. Während eine Montage-Elektrikerin im ersten Lehrjahr erlebte, wie der Monteur sie an den Hüften packt und sie «zweimal von hinten ‹trockenbumst›».

Das sind keine blöden Sprüche mehr. Sondern sexuelle Belästigungen, gegen die sich die Frauen rechtlich wehren könnten (siehe unten). Doch das braucht viel Mut. Und den muss Frau zuerst einmal aufbringen können. Gerade das ist aber oft nicht so einfach, selbst in weniger krassen Situationen. Schreinerin Eva weiss das: «Als 16jährige Stiftin hätte ich mich nicht getraut, etwas zu sagen, wenn ein 50jähriger eine blöde Bemerkung fallenliess.»

Der Moment, wenn du dich sachlich beschwerst, deine Meinung jedoch nicht zählt, weil du ja «ganz sicher deine Tage hast». (Foto: Instagram /buetzer_inne)

SO GEHT’S ANDERS

In einem Job zu arbeiten, in dem es praktisch keine anderen Frauen gebe, mache das nicht gerade einfacher. Auch deshalb liegt Eva, Fabienne und Joëlle der «Büezerinne»-Kanal so am Herzen: «Wir möchten gerade Jüngeren zeigen: Hey, Sexismus ist nicht okay. Du musst dir das nicht gefallen lassen. Du bist damit nicht allein.» Und sowieso sei für sie klar, dass nur etwas erreicht werden könne, «wenn wir zusammenstehen». Deshalb ist Eva auch Unia-Mitglied. Genauso wie Fabienne.

Mittlerweile teilen die Frauen auf Instagram auch Geschichten, bei denen positive Erlebnisse im Fokus stehen. «Schliesslich gibt es im Betrieb immer wieder auch tolle Menschen, die nicht einfach zuschauen, sondern etwas tun.» Einer von Fabiennes Ex-Chefs, zum Beispiel. Der versetzte einmal einen Temporären auf eine andere Baustelle, weil er dauernd frauenfeindliche Sprüche machte. «Da habe ich gemerkt: Es geht eigentlich auch anders.»

Ähnlich erlebte das auch Joëlle im Verkauf, als ihr ein Teamleiter sagte, sie müsse sich von der Kundschaft nicht alles gefallen lassen. Und am besten überhaupt findet Schreinerin Eva jene Erlebnisse, bei denen das Geschlecht für einmal einfach gar keine Rolle spielt: «Zum Beispiel, wenn ich ein grosses Auto fahre und ein Arbeitskollege mich in die Parklücke winkt. Ich steige aus, sage merci und er sagt bitte. Und that’s it. Keine blöden Sprüche von wegen Frauen und Autofahren. Oder dass er mir nicht sagt: ‹Steig aus, ich mache das.› Sondern mich einfach reinwinkt. Weil das schlicht das ist, was in dieser Situation gerade logisch und nötig ist.»

Das klingt banal normal. Und die drei Frauen finden: Genau so sollte es auch sein.

Alle Büezerinnen-Berichte auf: instagram.com/buetzer_inne


Sexismus am Arbeitsplatz: Hier finden Betroffene schnell Rat

NEIN, NON, NO! Hände weg und keine blöden Sprüche. (Foto: belästigt.ch)

Sexistische Sprüche, herabsetzende Bemerkungen und sogar sexuelle Gewalt: für viele Berufstätige gehört das zum Arbeitsalltag. Nur: Weil viel zu häufig weggeschaut wird, bleiben die Probleme oft unsichtbar. Und Betroffene alleine. Das hat Konsequenzen: Laut einer Umfrage von Amnesty International behalten fast die Hälfte aller Opfer von sexueller Belästigung oder Gewalt das Vorgefallene für sich. Aus Scham – aber vor allem auch aus Angst, dass dem Bericht nicht geglaubt wird. Das alles macht die Hürden sehr hoch, um sich Hilfe zu holen.

ONLINE-HILFE. 2017 hat die Unia deshalb zusammen mit der Stadtzürcher Fachstelle für Gleichstellung und weiteren Organisationen die Plattform belaestigt.ch ins Leben ge­rufen. Ein niederschwelliges ­Onlineangebot, über das sich ­Betroffene angstfrei melden ­können. Einfach per Mail, an­onym, unkompliziert und in neun Sprachen. Das Beratungsteam antwortet innerhalb von drei Tagen, zeigt Handlungsoptionen auf und vermittelt Adressen, etwa für eine ausführlichere persönliche Beratung. Darüber hinaus bietet die Plattform auch Tipps für Unternehmen, was bei einem Fall von sexueller Belästigung im Betrieb zu tun ist.

LERNENDE SCHÜTZEN. Eine spezielle Fürsorgepflicht haben Betriebe, die Lernende ausbilden. Doch gerade hier sind die Zahlen besonders erschreckend: 80 Prozent aller befragten jungen Frauen und 48 Prozent der Männer wurden in der Lehre Opfer von sexueller Belästigung oder Gewalt. Das zeigte eine Umfrage der Unia-Jugend, die letztes Jahr durchgeführt wurde und an der rund 800 Jugendliche aus der ganzen Schweiz teilgenommen haben (work berichtete).

Damit endlich etwas passiert, hat die Unia-Jugend die Plattform www.belaestigung-in-der-lehre.ch lanciert. Sie bietet Infos über sexuelle Belästigung in der Lehre und fordert Betriebe, Berufsschulen und Berufsbildungsämter dazu auf, endlich Massnahmen zu ergreifen, um betroffene Jugendliche zu schützen. Denn: Was gegen sexuelle Belästigung zu tun ist und wo sie sich als Betroffene melden können: das lernen Stiftinnen und Stifte heute nicht. Obwohl das eigentlich in jedem Betrieb und an jeder Schule Pflichtstoff sein müsste.

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