Editorial

Machen Frauen es besser?

Marie-Josée Kuhn

Marie-Josée Kuhn, Chefredaktorin work

Führen Frauen in der Corona-Krise besser als Männer? Weil sie umsichtiger regieren? Und so sozialisiert sind, dass sie «ökonomisch, medizinisch und sozial vorausschauender» sind als Männer? Das fragte kürzlich die britische Tageszeitung «The Guardian». Und verglich die Zahl der Corona-Toten in verschiedenen Ländern. Und tatsächlich: In den vor­bildlichsten Ländern mit bisher wenig Corona-Opfern regieren durchs Band Regierungs­chefinnen. Allen voran Jacinda Ardern, die Premierministerin von Neuseeland. Sie reagierte früh und entschieden auf den Virus. Und wandte sich dann regelmässig mit «Bleiben Sie zu Hause und retten Sie Leben!»-Videobotschaften vom heimischen Sofa aus via Facebook an die Nation. Mahnte zu Vor- und Rücksicht und zur Solidarität. Sie hat sich damit viele Fans geschaffen. Aber auch Dänemark, Island, Taiwan, Norwegen und Finnland sind von Frauen regiert und schneiden bei der Corona-Bewältigung gut ab.

Junge Frauen regieren die Länder mit den wenigsten Corona-Toten.

AMERICA FIRST. Anders die USA und Brasilien. Sie werden von Macho-Grossmäulern und Corona-Lügnern angeführt. Donald Trumps «America first» bewahrheitet sich jetzt ausgerechnet bei den Corona-Todesfällen. Die USA sind tragische Weltspitze, dicht vor Jair Bolsonaros Brasilien. Im grössten lateinamerikanischen Land verbreitet sich inzwischen nicht nur der Virus hemmungslos, sondern auch der Hunger. Wie die work-Reportage aus der grössten Stadt, São Paulo, eindrücklich zeigt. Und trotzdem behauptet Faschist Bolsonaro von Corona immer noch, es sei nur eine «kleine Grippe».

LANDESMÜTTER. Selbstverständlich gibt es im Kampf gegen Corona mehr zu berücksichtigen als die Geschlechtszugehörigkeit der Regierungsspitze. Das Länderrating des «Guardian» ist deshalb etwas krude. Es riecht auch ein bisschen nach dem alten patriarchalen Lied von der natürlichen Bestimmung der Frau zur «Fürsorgerin und Mutter». Und darum auch zur umsichtigen Landesmutter. Denn es gibt ja auch Landesväter, die ihre Corona-Auf­gaben nicht schlecht lösen. Wie zum Beispiel Gesundheitsminister Alain Berset und sein bestes Ross im Corona-Stall, Daniel Koch. Und dennoch: Die Gender-Sache ist schon augenfällig. Vor allem, wenn wir noch die Parteizugehörigkeiten der Frauen anschauen. In Neuseeland, Dänemark, Finnland und Island sind überall sozialdemokratisch bis links-grüne Frauen am Werk.

Zudem auffällig junge Frauen. Keine ist über 44.

2 Kommentare

  1. Peter Bitterli

    Es muss schwer sein, das Amt der Inquisition und Denunziation sauber auszuüben. Vieles gehört dazu: das Zusammenwerfen von eigentlich Unzusammengehörigem, das gezielte Ausblenden jeglicher dem Vorurteil widersprechenden Tatsachen, die Subsumption unter närrische aber vermeintlich relevante Nebenaspekte, das Verdrehen von Worten aus dem Mund der Beschuldigten, der kühne widerlogische Scheinschluss (etwa von Geschlecht auf Partei), die schamlose Rabulistik, die Grossstaaten mit Kleinprovinzen vergleicht, die dominikanisch gewitzte Rhetorik. Und wenn man den Hexenhammer zur Neige runtergebetet hat, wird man von der eigenen geschärften hellstwachen Überwahrnehmung des bösen Feindes eingeholt und ertappt sich selber bei der fürsorgenden Landesmutter, die es natürlich sofort zu exorzieren gilt.

  2. Peter Bitterli

    Um wirklich vollständig, höchstintelligent, unkrude und faktenprall zu sein, hätte zu dieser tollen Zusammenstellung und brillanten Sichtweise unbedingt noch die Zahl der Coronatoten in Liechtenstein gehört.

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