Diese Frauen machen das Parlament jünger, grüner und weiblicher.
NEU GEWÄHLT. Diese 19 rot-grünen Politikerinnen bringen frischen Frauenwind ins Parlament. (Fotos: Keystone, Franziska Scheidegger, Yoshiko Kusano, ZVG)
Sie sind jung, links und feministisch. Sie waren zuvorderst mit dabei, als am Frauenstreik Hunderttausende für mehr Gleichstellung auf die Strasse gingen. Und jetzt, rund sechs Monate später, ziehen sie ins Bundeshaus ein: Greta Gysin (36) und Léonore Porchet (30) für die Grünen sowie Tamara Funiciello (29) für die SP. Und mit ihnen: So viele Frauen wie noch nie!
84 von 200 Nationalratssitzen sind in der kommenden Legislatur in Frauenhand. Damit steigt der Frauenanteil in der grossen Kammer von 32 auf 42 Prozent. Insgesamt sind 54 Prozent aller Neugewählten Frauen.
Bei den Grünen und der SP stellen sie jetzt sogar die Mehrheit: Ihre Fraktionen haben neu je einen Frauenanteil von über 60 Prozent. Bei der GLP sind es 50 Prozent. Und sogar bis weit nach rechts hat das Frauenstreikjahr mehr Kandidatinnen ins Parlament befördert: Selbst bei der SVP ist der Frauenanteil von 16,9 auf 24,5 Prozent gestiegen.
54 Prozent aller Neugewählten sind Frauen.
GRÜN IST WEIBLICH
Frauenwahl oder Klimawahl? In vielen Fällen war es beides. 17 Sitze haben die Grünen zugelegt, 10 davon gehen an neue Kandidatinnen: an Maschinenbauingenieurin Franziska Ryser (28) in St. Gallen zum Beispiel und an Hobby-Fussballerin Meret Schneider (27) in Zürich.
Auch die Neuenburgerin Céline Vara (34) wollte in den Nationalrat, wurde aber auf Anhieb zur Ständerätin gewählt. Und das als totale Newcomerin im nationalen Parlament. Damit gelang Vara die Überraschung des Tages.
Neben ihr im Stöckli sitzen könnte ab Dezember die Genferin Lisa Mazzone (31). Sie muss zwar in den zweiten Wahlgang, hatte nach dem ersten aber schon die Nase vorne. Chancen haben neben Mazzone noch vier weitere grüne Frauen (siehe Wahl-Analyse). Sie würden das Stöckli nicht nur weiblicher (und grüner) machen, sondern auch jünger. So, wie es ihre Kolleginnen bereits im Nationalrat gemacht haben. Dort liegt das Durchschnittsalter aller Ratsmitglieder jetzt bei 49 Jahren. Vorher war es noch 53 Jahre – und im Ständerat sogar 6 Jahre mehr.
REGULA RYTZ (57): So sieht eine strahlende Siegerin aus! Und eine neue Bundesrätin? Zeit hätte Rytz: Im April tritt sie als Parteichefin der Grünen zurück. So oder so bleibt sie dem Bundeshaus aber treu. Ihren Platz im Nationalrat hat sie auf sicher – und auch die Chancen auf den Ständerat stehen gut. (Foto: Keystone)
CÉLINE VARA (34): Auf Anhieb schaffte die Grüne den Sprung ins Stöckli. Ihr Geheimrezept? Sie lache und rede viel, sagte sie einmal. Als Kind eines sizilianischen Lageristen und einer Floristin kennt Vara die sozialen Verhältnisse in der Schweiz. Sie selbst arbeitete an der Coop-Kasse, während sie für ihr Jurastudium büffelte. (Foto: Keystone)
MERET SCHNEIDER (27): Die junge Zürcherin hat ein Herz für Tiere. Als Co-Geschäftsleiterin der Stiftung «Sentience Politics» hat sie deshalb die Initiative gegen Massentierhaltung lanciert. Das SRF titelte darauf: «Meret Schneider rettet die Welt.» Jetzt geht’s für die Veganerin aber erst einmal für die Grünen ins Bundeshaus. (Foto: Keystone)
FRANZISKA RYSER (28): Sie hat in St. Gallen den Sitz der Grünen zurückerobert. Ryser zog schon mit 21 ins Stadtparlament ein, mit 25 wurde sie jüngste Parlamentspräsidentin. Daneben studierte sie Maschinenbau und forscht heute an der ETH. (Foto: Keystone)
TAMARA FUNICIELLO (29): Für die einen eine Reizfigur, für die anderen das Beste, was den Frauen passieren konnte: Ex-Juso-Präsidentin Funiciello will ihren feministischen Kurs auch im Parlament weiterführen. Ihre Themen: Arbeitszeitreduktion, höhere Renten und Löhne sowie die Stärkung der Frauenrechte. (Foto: Keystone)
GRETA GYSIN (36): Sie hat alles, was die Rechten nicht mögen: den Vornamen (Greta), die Partei (Grüne), den Beruf (Gewerkschafterin). Als Tessinerin weiss Gysin, was Lohndumping für die Arbeitenden bedeutet – und stellt sich klar hinter die flankierenden Massnahmen und Mindestlöhne. (Foto: Keystone)
MARIONNA SCHLATTER-SCHMID (39): Alles hat im Parlament eine Lobby: die Krankenkassen, die Banken … und jetzt auch die Pilze. Schlatter-Schmid ist diplomierte Pilzkontrolleurin. Sie politisiert aber nicht nur für die Umwelt, sondern auch für soziale Sicherheit. Seit 2011 ist die zweifache Mutter Präsidentin der Grünen Zürich. (Foto: Keystone)
LÉONORE PORCHET (30): Den ersten Frauenstreik 1991 erlebte Léonore Porchet im Kinderwagen. Am zweiten Frauenstreik, am 14. Juni 2019, ging sie voran: Als Mitglied der Streikkoordination organisierte sie den historischen Protesttag in der Waadt. Seit 2017 politisiert die 30jährige Grüne dort auch im Kantonsparlament. (Foto: Keystone)
BASEL, OBWALDEN, ZUG
Besonders frauenfreundlich scheinen die Basler Wählerinnen und Wähler zu sein: In Basel-Stadt sind 3 von 5 Nationalratssitzen mit Frauen besetzt. Im Kanton Basel-Land sind es 5 von 7. Darunter Ex-Juso und SP-Frau Samira Marti (24). Sie folgte bereits letztes Jahr auf die abgetretene Susanne Leutenegger Oberholzer (71). Marti ist die jüngste Frau im Parlament – und hat die Wiederwahl problemlos geschafft.
Eine bessere Frauenquote als Basel hat nur das konservative Obwalden. Mit 100 Prozent Frauenanteil. Was allerdings daran liegt, dass der Halbkanton nur einen Nationalratssitz hat. Geschnappt hat sich den zum ersten Mal in der Obwaldner Geschichte eine Frau: Monika Rüegger (51) von der SVP. Rüegger sagte zwar am Frauenstreik noch, Gleichstellung halte sie für «überholt». Am Wahltag meinte sie dann aber gegenüber SRF: Sie habe viel Unterstützung von Frauen bekommen und wolle sich in Bern auch für die Frauen einsetzen. work bleibt dran.
Erstmals mit einer Frau zieht nun auch der Kanton Zug in den Nationalrat: Mit Manuela Weichelt-Picard (52) von der Partei Alternative – die Grünen (ALG).
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