EU-Rahmenabkommen

Der Aufruf

Unser Nein zum vorliegenden Rahmenabkommen Schweiz – EU ist ein Ja zu einem sozialen Europa, zur Personenfreizügigkeit und zu starken Arbeitnehmerrechten für alle!

Personenfreizügigkeit und Arbeitnehmerrechte gehören zusammen

Freiheit, Gleichheit und soziale Sicherheit setzen sich gegenseitig voraus. Darum darf das Prinzip «Gleiche Löhne für gleiche Arbeit am gleichen Ort» nicht verletzt werden. Die Personenfreizügigkeit mit der EU und starke flankierende Massnahmen (FlaM) gehören untrennbar zusammen. Sie stellen gemeinsam einen grossen sozialen Fortschritt für die Schweiz dar.

Rechte müssen durchgesetzt werden

Prinzipien wie «Gleicher Lohn» nützen nur, wenn sie auch in der Praxis durchgesetzt werden. Auf europäischer Ebene klafft diesbezüglich eine grosse Lücke. Die schwache EU-Durchsetzungsrichtlinie zum Lohngleichheitsprinzip wird vom Europäischen Gerichtshof regelmässig zuungunsten der Arbeitnehmenden ausgelegt.

Lohnkontrollen wirken präventiv

Für die Durchsetzung des Lohngleichheitsprinzips muss jedes Land entsprechend seinen konkreten Verhältnissen sorgen. In der Schweiz gibt es dafür die FlaM. Sie sind zwar nicht perfekt – aber nach Einschätzung des Europäischen Gewerkschaftsbundes dennoch vorbildlich. Denn gute Gesamtarbeitsverträge, mehr verbindliche Mindestlöhne und Kontrollen in jährlich 45’000 Firmen wirken: Fast ein Viertel der kontrollierten Firmen müssen zu tiefe Löhne korrigieren. So haben die FlaM Lohndumping in Grenzen gehalten und ein Absacken der Tieflöhne verhindert.

Ohne wirksame FlaM kommt das ganze Lohngefüge ins Rutschen

Genügend Kontrollen müssen auch bei Entsendebetrieben und Selbständigen möglich sein. Denn Kurzaufenthalter in Risikobranchen sind besonders gefährdet. Sie erhalten oft keine Schweizer Löhne. Davon profitieren einheimische und ausländische Lohndumpingunternehmen. Faire Arbeitgeber haben das Nachsehen. Ohne wirksame FlaM würde das ganze Lohngefüge ins Rutschen kommen – mit unabsehbaren Folgen für alle Lohnabhängigen in der Schweiz.

Der Vertragsentwurf verschlechtert den Lohnschutz

Auch für die EU-Kommission war bisher klar, dass das hohe Lohnniveau in der Schweiz einen besonderen Schutz benötigt. Der vorliegende Vertragsentwurf zum Rahmenabkommen gibt nun aber dem «Marktzugang» und insbesondere den Interessen der Entsendebetriebe Vorrang. Konkret

  • droht eine massive Reduktion der Zahl der Kontrollen insbesondere im Entsendebereich und bei den Scheinselbständigen;
  • werden Kontrollen mit einer kürzeren Voranmeldezeit für Entsende­betriebe erschwert;
  • sind Kautionen und damit wirksame Bussen für die meisten fehlbaren Firmen nicht mehr zulässig;
  • werden Dienstleistungssperren sowie Sanktionen der paritätischen Kontrollorgane eingeschränkt.

Das sozialpartnerschaftliche Vertrags- und Kontroll­system steht auf dem Spiel Künftig soll der Massnahmenkatalog der EU-Durchsetzungsrichtlinie bestimmen, welche FlaM die Schweiz erlassen kann und welche nicht. Neue FlaM wären daher kaum mehr möglich, auch wenn sie angesichts immer neuer Dumpingpraktiken dringend nötig wären. Aus­legestreitigkeiten würden durch – bzw. in Bezugnahme auf – den Europäischen Gerichtshof entschieden. Damit steht das ganze funktionierende sozialpartnerschaftliche Vertrags- und Kontrollsystem auf dem Spiel.

Beihilfenregelung gefährdet Service public

Schliesslich sieht das Abkommen eine «Beihilfenregelung» vor, mit der im Rahmen künftiger ­bilateraler Verträge demokratische Entscheide übersteuert würden. Sie könnte Privatisierungen im Service public erzwingen oder auch paritätische oder tripartite Einrichtungen im Bereich der Berufsbildung oder des Gesundheitsschutzes schwächen.

Starke Arbeitnehmerrechte für eine offene Schweiz in einem sozialen Europa

Die Öffnung des europäischen Arbeitsmarktes darf nicht zum Freipass für Unternehmen verkommen, Arbeitskräfte aus Tieflohnländern auszubeuten und die Löhne zu senken. Starke und für alle gleiche Arbeitnehmerrechte müssen dem entgegenwirken. Wer dies missachtet, bereitet Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und engstirnigem Nationalismus den Boden. Länder wie Grossbritannien und Deutschland machen heute diese Erfahrung. Das wollen wir nicht. Wir sind für einen starken Schutz der Löhne und Arbeitsbedingungen und gegen jede Diskriminierung, damit wir die Personenfreizügigkeit in Europa bewahren können. Der bevorstehende Abstimmungskampf gegen die SVP-Initiative zur Abschaffung der Personenfreizügigkeit, bei dem das gesamte Verhältnis mit der EU auf dem Spiel steht, ist nicht zu gewinnen, wenn der Lohnschutz in der Schweiz durch die EU geschwächt worden ist.

Die Schweiz und die EU haben ein besseres Rahmen­abkommen verdient

Aus all diesen Gründen lehnen die Unterzeichnenden den vorliegenden Entwurf zum institutionellen Rahmenabkommen der Schweiz mit der EU ab. Es muss nachgebessert werden.

UNTERSCHREIBEN!

Der Aufruf «Unser Nein zum vorliegenden Rahmenabkommen Schweiz – EU ist ein Ja zu einem sozialen Europa, zur Personenfreizügigkeit und zu starken Arbeitnehmerrechten für alle!» kann hier unterzeichnet werden: www.loehne-statt-grenzen-schuetzen.ch.

Erstunterzeichnerinnen und Erstunterzeichner:

Über 130 Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur, Politik und Gewerkschaften haben schon unterschrieben:

Alexandre Afonso, Assistenzprofessor Institute of Public Administration, Leiden University • Vania Alleva, Präsidentin Gewerkschaft Unia und Vizepräsidentin SGB • Fabienne Amlinger, Historikerin, Geschlechterforscherin und Dozentin Universität Bern • Remus Gabriel Anghel, Soziologe, Romanian Institute for Research on National Minorities and Babes-Bolyai University Cluj-Napoca • Ingrid Artus, Professorin Friedrich Alexander Universität, Erlangen-Nürnberg • Hans Bänziger, Personalkommission Huber & Suhner AG • Michel Béguelin, alt Ständerat, ehemaliger Vizepräsident SEV • Frank Behrendt, Personalkommission Wander AG • Christian Berlemont, Unia-Delegierter Coop • Maria Bernasconi, ehemalige Generalsekretärin Personalverband des Bundes (PVB) und alt Nationalrätin • Mario Bertana, Präsident Delegiertenversammlung Unia • Elodie Béthoux, Dozentin für Soziologie, Ecole normale supérieure Paris-Saclay • Rahel Beyeler, Rechtsanwältin • Andreas Bieler, Professor für politische Ökonomie, University of Nottingham • Marco Blaser, ehemaliger Direktor der Radiotelevisione svizzera italiana • Peter Bodenmann, Hotelier und ehemaliger Präsident der SP • Valérie Boillat, Ausbildungsleiterin beim Bildungsinstitut Movendo • Silvio Bologna, Arbeitsrechtswissenschafter, Università degli Studi di Palermo • Nino Bonansegna-Bürki, Präsident Personalkommission Mondelez SA • Hauke Brunkhorst, Soziologieprofessor Universität Flensburg • Christiane Brunner, Gründungsmitglied der Frauenbefreiungsbewegung (FBB), ehemalige Ständerätin, Präsidentin der SP Schweiz und Co-Präsidentin des SGB • Thomas Burgener, Anwalt, alt Nationalrat und Regierungsrat Wallis • Micheline Calmy-Rey, alt Bundesrätin, ehemalige Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten • Alex Capus, Schriftsteller • Sandro Cattacin, Soziologieprofessor, Universität Genf • Franco Cavalli, Onkologe und alt Nationalrat • Benoit Challand, Soziologe, The New School, New York City • Michel Charrat, Präsident Groupement transfrontalier européen • Luca Cirigliano, Zentralsekretär SGB • Linda Clarke, Professorin Westminster Business School, University of Westminster, London • Andreas Clavadetscher, Rechts­anwalt, nebenamtlicher Verwaltungsrichter • Benoît Constantin, Vertrauensmann Unia Constellium SA • Colin Crouch, Emeritus Professor, University of Warwick und externes wissenschaftliches Mitglied des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung, Köln • Gilbert D’Alessandro, Bus-Chauffeur und Vorstandsmitglied SEV • Rudy De Leeuw, Präsident Europäischer Gewerkschaftsbund • Donatella Della Porta, Professorin für Politikwissenschaft und Dekanin des Departements für Politik- und Sozialwissenschaften, Scuola Normale Superiore, Florenz • Claude Didry, Soziologe, Forschungsleiter an der CNRS, Ecole normale supérieure, Paris • Klaus Dörre, Professor Lehrstuhl für Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena • Jacques Dubochet, Nobelpreisträger für Chemie • Eric Ducrey, Präsident der Gruppe Bau Unia Freiburg • Willi Egloff, Rechtsanwalt • Roland Erne, Professor Jean Monnet Chair of European Integration and Employment Relations, University College Dublin • Romain Felli, Historiker und Dozent, Universität Genf • Rosita Fibbi, Professorin an der Universität Lausanne und Koordinatorin des Schweizerischen Forums zur Erforschung von Migration und Bevölkerung an der Universität Neuenburg • Mariano Franzin, Präsident Istituto di Tutela e Assistenza ai Lavoratori-Unione Italiana del Lavoro • Heidi Frei, Vizepräsidentin MEM Unia, ABB Schweiz AG • Marina Frigerio, Fachpsychologin FSP, Bern • Therese Frösch, ehemalige Finanzdirektorin Stadt Bern und Nationalrätin • Heinz Gabathuler, Soziologe und Historiker, Experte für Arbeitsbeziehungen • Dan Gallin, Global Labour Institute, Genf • David Gallusser, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Universität Basel • Hilmi Gashi, Co-Präsident Solidarité sans frontières SOSF • Corinne Gobin, Forschungsleiterin FNRS, Université libre de Bruxelles • Christine Goll, ehemalige Nationalrätin • Greis, Rapper • Ruth Gurny, Soziologin, ehemalige Professorin Zürcher Fachhochschule • Christoph Häberli, Rechtsanwalt, Fachanwalt SAV Arbeitsrecht • Claudia Honegger, emerit. Soziologieprofessorin Universität Bern • Annette Hug, Schriftstellerin • Richard Hyman, Emeritus Professor of Industrial Relations, London School of Economics • Stefanie Hürtgen, Sozial- und Arbeitsforscherin, Assistenzprofessorin Universität Salzburg • Elisabeth Joris, Historikerin • Hans Ulrich Jost, emerit. Geschichtsprofessor Universität Lausanne • Stefan Keller, Historiker und Journalist • Arno Kerst, Präsident Gewerkschaft Syna • Knut Kjeldstadli, Geschichtsprofessor, University of Oslo • Carlo Knöpfel, Professor Fachhochschule Nordwestschweiz • René Knüsel, Soziologieprofessor Universität Lausanne • Sandra Künzi, Slampoetin, Bern • Josef Lang, Historiker und alt Nationalrat • Steffen Lehndorff, Arbeitsmarktforscher, Institut Arbeit und Qualifikation, Universität Duisburg-Essen • Matthieu Leimgruber, Ausserordentlicher Professor für Geschichte, Universität Zürich • Mattia Lento, Journalist und Filmhistoriker • Ueli Leuenberger, alt Nationalrat und Gründer der Université Populaire Albanaise in Genf • Nathan Lillie, Professor für Sozialpolitik, University of Jyväskylä • André Mach, Professor Universität Lausanne • Ueli Mäder, emerit. Professor für Soziologie Universität Basel • Mascha Madörin, Ökonomin, Forschungsschwerpunkte Care-Ökonomie und Regulierung des Weltmarktes • Gregoire Maillard, Gewerkschaftskomitee Nestlé Waters SA • Pierre-Yves Maillard, künftiger Präsident SGB • Christian Marazzi, Ökonom • Fatima Marconi, Personalkommission Cilag AG • Paul Marginson, Emeritus Professor of Industrial Relations, University of Warwick • Joy Matter, alt Gemeinderätin, Bern • Guglielmo Meardi, Professor für Industrial Relations und Direktor des Industrial Relations Research Unit, University of Warwick • Anne-Catherine Menétrey-Savary, alt Nationalrätin und Mitglied Neue Europäische Bewegung Schweiz (Nebs) • Claudio Micheloni, ehemaliger Präsident Colonie libere • Francesco Micieli, Schriftsteller, ehemaliger Präsident des Verbandes Autorinnen und Autoren der Schweiz • Josef Mock Bosshard, Rechtsanwalt • Aurelian Muntean, Assistenzprofessor SNSPA National School of Political Studies, Bukarest • Oliver Nachtwey, Soziologieprofessor Universität Basel • Peter Niggli, Entwicklungsexperte • Daniel Oesch, ausserordentlicher Professor für Soziologie Universität Lausanne • Danielle Parmentier, pharmazeutische Assistentin, Genf • Susanne Pernicka, Soziologieprofessorin, Universität Linz • Jean-Marie Pernot, Politologe, Institut de recherches économiques et sociales, Noisy-le-Grand • Jonas Pontusson, Professor am Département de science politique et relations internationales, Universität Genf • Katharina Prelicz-Huber, Präsidentin Gewerkschaft VPOD • Valeria Pulignano, Professorin für Soziologie, Katholieke Universiteit Leuven • Guillaume Racloz, Zimmermann • Niccolò Raselli, Jurist • Philip Rathgeb, Politikwissenschafter, Universität Konstanz • Aidan Regan, Assistenzprofessor School of Politics and International Relations, University College Dublin • Udo Rehfeldt, wissenschaftlicher Mitarbeiter IRES (Institut de Recherches Economiques et Sociales), Noisy-le-Grand • Line Rennwald, Sozialwissenschafterin, Universität Genf • Beat Ringger, geschäftsleitender Sekretär Denknetz • Florian Rödl, Professor für bürgerliches Recht, Arbeits‐ und Sozialrecht, Freie Universität Berlin • Marianne Rychner, Soziologin, Hochschuldozentin • Samir, Filmproduzent und Kosmonaut • Devi Sacchetto, Professor Soziologie, Università degli Studi di Padova • Philipp Sarasin, Professor für Neuere Geschichte, Zürich • Diego Scacchi, Rechtsanwalt, ehemaliger Gemeindepräsident Locarno • Cyril Schäublin, Filmschaffender, Zürich • Wolfgang Schroeder, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, Demokratie und Demokratisierung, Professor Universität Kassel • Hans-Ruedi Schürch, Lokführer und Vorstandsmitglied SEV • Franz Schultheis, Seniorprofessor Soziologie Universität Friedrichshafen • Simon Schulz, Präsident Unia-Branchengruppe Brauerei, Heineken AG • Martin Seeleib-Kaiser, Professor of Comparative Public Policy, Universität Tübingen • Xhafer Sejdiu, Präsident Baugruppe Unia Zürich-Schaffhausen • Marc Spescha, Rechtsanwalt und Lehrbeauftragter für Migrationsrecht • Sabina Stan, Assistenzprofessorin für Soziologie und Sozialanthropologie, Dublin City University • Nino Stuber, Präsident Personalkommission Stadler Rail Group • Kaspar Surber, Historiker und Journalist • Jean-Pierre Tabin, Lausanne • Laurent Taskin, Professor, UCL Louvain School of Management, • Fabio Telatin, Maler, Präsident der Unia-Berufskonferenz Maler-Gipser • Gabriel Troc, ausserordentlicher Professor, Babes-Bolyai University Cluj-Napoca • Goran Trujic, Präsident Personalvertretung GAV Novartis Stein • Giorgio Tuti, Präsident Gewerkschaft SEV und Vizepräsident SGB • Miranda Ulens, Generalsekretärin Belgischer Gewerkschaftsbund • Nelly Valsangiacomo, Geschichtsprofessorin Universität Lausanne • Nicolas Verdan, Schriftsteller • Luca Visentini, Generalsekretär Europäischer Gewerkschaftsbund • Hansi Voigt, Gründer der Newsplattform Watson und Unternehmensberater • Eric Voruz, alt Nationalrat, ehemaliger Smuv-Sekretär • Stina Werenfels, Filmemacherin • Angela Wigger, ausserordentliche Professorin Global Political Economy, Radboud University, Nijmegen • Jean Ziegler, Soziologe, Autor und Vizepräsident des beratenden Ausschusses des Uno-Menschenrechtsrates • Patrick Ziltener, Professor Universität Zürich / St. Gallen • Ludwig Zurbriggen, Dr. ès sciences politiques, Dozent Hochschule


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